Wie Günter Jauch bei „Wer wird Millionär?“ in unerwartete Probleme geriet.

Aus geheimen Protokollen von RTL

von Hermann Schulz

Hermann Schulz - Foto © Frank Becker

Wie Günter Jauch bei „Wer wird Millionär?“
in unerwartete Probleme geriet.
 
Aus geheimen Protokollen von RTL
 
 
Aufmerksame Zuschauer der Sendung „Wer wird Millionär?“ wissen natürlich, daß sie nicht live ausgestrahlt, sondern aufgezeichnet wird.
Ein kluger Sender ist damit gut beraten! Es kann immer mal passieren, daß Abläufe völlig daneben gehen oder sich Kandidaten als fragwürdig erweisen. Manchmal genügen kleine Schnitte, um Peinlichkeiten zu eliminieren, manchmal allerdings geht alles daneben!
Die Kandidateneinheit, von der hier berichtet wird, wurde intern als unvorhersehbare Panne bezeichnet und komplett verworfen.
Was ist da passiert?
 
Auf dem Stuhl saß ein Düsseldorfer Bürger, nennen wir ihn Hannemann. Biederes Gesicht, leicht angeberisch angezogen, Siegesgewißheit auf seiner Miene, die ganze Persönlichkeit leicht blasiert. Über seinen Beruf befragt, antwortete er kurz:
Städtisch!
Jauch ließ sich damit nicht abspeisen: Was heißt das? Sind Sie vielleicht Bürgermeister?
Der Kandidat verlegen: Hundesteuerstelle, Abteilung Kampfhunde.
Jauch: Interessant! Dann kennen Sie sich vielleicht auch mit gefährlichen Fragen aus. Machen wir also weiter!
Kandidat Hannemann hatte es schon bis zur 500-€-Hürde geschafft und wollte höher hinaus.
Die Frage, um 1.000 € zu erreichen, lautete:
„Warum baute man vor 110 Jahren in Wuppertal keine Straßenbahn, sondern eine Schwebe- oder Hängebahn“.
Leichtes Schmunzeln im Saal.
Auch Jauch gab sich erheitert. Auf seinem erhöhten Stuhl rutschte er hin und her und las laut die Frage, anschließend die vier vorgeschlagenen Antworten.
 
Antwort A:
Im engen Tal der Wupper war nicht genug Platz für eine Straßenbahn
Antwort B:
Der verantwortliche Baumeister hat versehentlich die Pläne für eine Straßenbahn falsch herum gehalten, mit Rädern und Schienen nach oben
Antwort C:
Die Stadtoberen waren der Meinung, Wuppertal sei mit dem Blick von oben am erträglichsten
Antwort D:
Um den Sozis einen Denkzettel zu verpassen, denn die wollten in allen Straßen Rolltreppen installieren.
 
Der Kandidat grübelte.
Er überlegte halblaut:
A, nicht genug Platz, das könnte sein. Auch B, also die Pläne falsch herum …, das wäre bei Wuppertaler Baumeistern denkbar. Antwort C, von oben am schönsten? Die Stadt ist ja nicht gerade eine Augenweide! Und D? Die Rolltreppen zu verhindern? Ich bin zwar kein Sozi, aber das kann ich ausschließen. - Also, Herr Jauch: D auf keinen Fall!
Günter Jauch: Lieber Herr Hannemann: die Frage lautet nicht, was weggelassen werden soll. Sie müssen sich für eine der Antworten entscheiden.
Kandidat: Ich nehme jetzt den Publikumsjoker.
Jauch liest noch einmal laut die vier Vorschläge.
Kandidat: Nein! Nein! D soll weggelassen werden.
Jauch: Wie soll das denn gehen?
Kandidat wendet sich an das Publikum: Bitte D einfach weglassen.
Gelächter im Saal.
Jauch: Das können Sie den Leuten doch nicht vorschreiben!
Bim. Bim. Bim. Der Pegel der vier Säulen geht auf und nieder, bleibt stehen: bei allen vier Säulen 25%, auf den Punkt genau.
Der Kandidat rutscht ratlos auf seinem Stuhl herum.
Fifty-Fifty-Joker, kräht er.
Jauch: Von den vier Antworten bleiben also zwei. Sie kennen ja das Verfahren.
Kandidat: Nein, von drei!
Jauch: Sie Schlauberger! Drei kann man nicht fifty-fifty teilen! Wenn man von drei zwei wegläßt, bleibt ja nur noch eine Antwort!
Kandidat: Ja, und?!
Jauch, sichtlich genervt, geht nicht weiter auf den Kandidaten ein.
Plopp!
Antworten B und C verschwinden
Kandidat windet sich, schaut sich ratsuchend nach seiner stark geschminkten Ehefrau um. Aber die lacht nur schadenfroh, ihr Ehemann steckt in der Bredouille.
Kandidat Hannemann: Ich rufe meinen Telefonjoker an, Herrn Jung.
Jauch: Wer ist das?
Kandidat eifrig: Ein Pastor aus Wuppertal, Autor des berühmten Buches „Glaubenskämpfe als Volkssport“.
Jauch vergrätzt: Bitte hier keine Werbung für Bücher!
Man hört die Wahltöne, dann das Telefonsignal.
Hier Pastor Jung am Apparat!
Günter Jauch hier! Herr Pastor Jung, hier sitzt ihr Freund Hannemann aus Düsseldorf.
Jung grantig: Ich habe keine Freunde in Düsseldorf.
Jauch (peinlich berührt): Egal, dann eben Ihr Bekannter. Sind Sie bereit? Ich lese jetzt die Frage. Da der Kandidat schon den fifty-fifty-Joker verbraucht hat, bleiben nur zwei mögliche Antworten. Warum wurde vor 110 Jahren in Wuppertal die Schwebebahn statt Straßenbahn gebaut:
A: Zu wenig Platz im Tal oder D: Um den Sozis eines auszuwischen.
Jung lacht hämisch: Das ist ja lächerlich, was Sie da sagen! Beides ist falsch!
Jauch: Wie???
Jung: Ja, beides ist total falsch!
Jauch: Und wie müßte die Antwort Ihrer Meinung nach lauten?
Pastor Jung: Das weiß doch jeder! Die Ratsherren aus Barmen und Elberfeld waren alle evangelisch. Zu Beginn der entscheidenden Sitzung, zu der die Pläne für eine Straßenbahn und die Schwebebahn vorlagen, wurde die Losung der Herrnhuter Brüdergemeine gelesen. An dem Tag galt der Bibelvers Lukas 2, Vers 14 „Ehre sei Gott in der Höhe …“ und so weiter. Sie kennen das ja sicher.
Das gab den Ausschlag für die Bahn da oben, alles andere ist Unsinn!
Steht im Stadtarchiv unter Theologiegeschichte des bergischen Ingenieurwesens.
Er legt unwillig auf.
 
Jauch blickt den Kandidaten ratlos an, dreht sich um zur Regie, hebt fragend die Schultern.
Laute Stimme aus dem Hintergrund:
Günter, wir müssen da noch mal recherchieren. Wir schalten jetzt ab!
Man sieht verwackelt das Kamerabild, wie Herr Hannemann seinen hohen Sitz verläßt und drohend auf Jauch zugeht.
„Ich will mein Geld!“, ruft er.
Zwei starke Männer nehmen ihn in den Schwitzkasten und führen ihn ab. Jauch wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Aus dem Hintergrund hört man noch Stimmengewirr:
Alles weg! Alles löschen! Ich war ja gleich gegen diese blöde Frage…. Aber wir haben doch recherchiert auf wissenschaftlicher Grundlage … So ein Mist …
 
Seither läßt sich Jauch nicht mehr auf problematische Themen ein, schon gar nicht, wenn sie auch nur im Entferntesten mit Wuppertaler Volksfrömmigkeit zu tun haben könnten.



© Hermann Schulz - Erstveröffentlichung 2011 in den Musenblättern
Redaktion: Frank Becker