Warum nur Heinen nicht in Leinen?

Bücher besprechen sich selber

von Andreas Greve

Andreas Greve - Foto © A. Weychardt
Warum nur Heinen
nicht in Leinen?
 

Bücher besprechen sich selber –
montiert von A. Greve
 



Von wem, lieber leicht vorgeneigter Leser, stammen die nun folgenden Strophen?
 
Schöner Süden! Wie verehr ich
Deinen Himmel, deine Götter,
Seit ich diesen Menschenkehricht
Wiederseh, und dieses Wetter*
oder
Heinehalber reimte Gernhardt
Wochenlang in dessen Stile,
hoffend, dass durch diese Dichtart
für sein Konto Moos abfiele.
und
Robert Gernhardt brachte Heine,
Brecht und Goethe in Gedichten
buchwärts - nämlich in das seine***,
um von jedem zu berichten:
wie
Mensch, du willst vom Hunde lernen?
Hund, lehr Du den Mensch das Freuen,
Und die Freude jeden Morgen
Selbstvergessen zu erneuern.****
als auch
Gernhardt schätzte die Gewohnheit,
wachsam durch die Welt zu eilen
und im Goeth´schen Stil mit Feinheit
dies dann reimwärts mitzuteilen.
vor allem
Gernhardt lehrte mich die Achtung
Vor dem regulären Reime
ohne jede Überfrachtung
ja, fast ohne Krankheitskeime.
wie
Kleine Blumen, kleine Blätter,
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlings-Götter
Tändlend auf ein luftig Band****
ja
Das war Goethe, dieser Könner,
hehres Vorbild aller Dichter,
kleine Neider, große Gönner.
Er kam auf den Klassik-Trichter.
und
Leider fehlte noch ein Name -
Gernhardt gab auch ihm die Ehre,
und dazu ne Mords-Reklame-
nämlich Franzmann Baudelaire
achtung
„Die verse widme ich dir wenn meinen namen
Der zufall in die spätern zeiten bringt
Und menschen abends dann zu sinnen zwingt
Wie segel die vom sturm getrieben kamen“******
aha. kurzum
Einige gibt’s jetzt in Leinen,
frisch und neu herausgebracht -
außer das Gedichtwerk Heine(n),
das wurd´ schon broschiert gemacht.
 
 
Haben Sie es geraten?
Richtig! Sie stammen aus den Federn von Heine*, Goethe**** und Baudelaire*****
Baudelaires legendären Titel „Die Blumen des Bösen“ verhohnepiepelte Gernhardt schon im letzten Jahrtausend zu „Die Blumen des Bösen“. Er selbst war dann allerdings mehr als empfindlich, wenn man sich frisch und freigeistig seiner lyrischen Früchte bediente. Deshalb gibt es hier keine Strophen des toten Dichters Robert Gernhardt, sondern leider nur einige über über Gernhardt.
Hier sodann aufrechter Stirn zur Quellenlage samt einiger einordnender Einschätzungen
 
Johann Wolfgang von Goethe „Die Liebesgedichte“ **** Haffmans Verlag bei Zweitausendeins
Mit J. W. von Goethe liegen Sie nie ganz falsch im Park. Vermutlich der einzige deutsche Dichter, der noch bekannter ist als Schiller – allerdings ohne dessen ermüdende Neigung zum Ultra-Lang-Werk.
 
„Das poetische Werk von Heinrich Heine“* Haffmans Verlag bei Zweitausendeins
Selbst wenn das Werk des Nacht-Denkers nicht so schwer wiegt – schon von den Maßen her eignet sich diese Ausgabe weder für Park noch für Strand. Handgroß und in Leinen wäre wünschenswert!
 
Charles Baudelaire „Die Blumen des Bösen“***** Haffmans Verlag bei Zweitausendeins
Wie bei der Baudelaire-Strophe gleich klar wurde: Holla, hier beginnt die Moderne. „Die Blumen des Bösen“ nehme ich mit in den Park, wenn ich dort ein wenig Unverständnis zur Schau tragen möchte.
 
Robert Gernhardt „Klappaltar** – Drei Hommagen“ Fischer TB 16906
Dieses Taschenbuch trage ich seit Tagen bei mir, um einen leichten Einfallswinkel auf einschlägigen Dichterfürsten zu bekommen. Gernhardts Ansatz der Alsobgedichte hat mir dabei sehr geholfen! Aber immer noch gelten seine strengen Richtlinen zu Zitat und Nachdruck.
 
Robert Gernhardt „Die Blusen des Böhmen“*** Aus meinem eigenen Bücheregal***
Ein kunterbunter Kräutergarten des Scherzens und der Heiterkeit und frühes Fundament zu Robert Gernhardts Ruf als führendem Vertreter der Neuen Frankfurter Schule. Mit vielen lustigen Bildern!
 
P.S. 1:
Alle Bücher werden mehr oder weniger dringend empfohlen, besonders jene, die die jeweiligen Dichter und ihre Strophen unmontiert genießen möchten…
P.S. 2:
Alle n i c h t gekennzeichnete Strophen fallen in und unter den journalistische Informantenschutz.
Die Höflichkeit gebietet es, schlechter zu reimen als die rühmlichen Vorbilder…
 
 
Redaktion: Frank Becker