Einkauf

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek - Archiv Musenblätter
Einkauf

Neulich haben wir wieder was erlebt! Also, ich sage Ihnen, man versteht die Welt nicht mehr! Wir waren in Berlin, was einkaufen. Also nicht extra deswegen hingefahren, wir waren sowieso in Berlin und wollten dann für meine Frau ein paar Schuhe kaufen, und ich gehe immer mit, weil sie sich dann sicherer fühlt, wegen dem Geschmack. Nun gehört meine Frau zu den Menschen, die in ein Geschäft reingehen können und, ohne was zu kaufen, auch wieder rausgehen können. Das kann ich nicht. Das habe ich Ihnen, glaube ich, schon mal erzählt. Ich schaffe das nicht, obwohl es Blödsinn ist. Ich kaufe dann wenigstens einen Knopf, also Kurzwaren, aber völlig ohne was Gekauftes rausgehen kann ich immer noch nicht, obwohl ich doch  schon so alt bin. Sicher, in einem Supermarkt, in so einem großen Dingsda, da gehe ich auch schon mal raus, ohne was gekauft zu haben. Einfach nur mal so gucken. Aber da habe ich immer das Gefühl, daß mir, wenn ich durch das Gatter rausgehe, einer nachruft: »He! Sie, kommen Sie mal zurück! Ja, Sie! Kommen Sie mal her! Zeigen Sie mal Ihre Taschen! Drehen Sie mal Ihre Taschen um! Legen Sie mal alles auf den Tisch da! Alles klar. Danke schön. Glück gehabt.« Ich meine, das ist mir noch nie passiert, aber ich bin ein bißchen paranoid, unter uns gesagt, und jedesmal, wenn ich aus einem großen Kaufhaus rausgehe, sehe ich den Hausdetektiv hinter mir herlaufen. Meine Frau ist da völlig anders. Wir waren in Berlin wegen der Schuhe, wie gesagt, und da standen wir in einem Laden rum, der bestand aus zwei Teilen, Vorderteil und Hinterteil, und im Hinterteil saßen drei Damen und eine Kundin rum und dazu noch ein Dobermann. Und da lief mir schon der Angstschweiß aus allen Nähten, und ich wollte eigentlich sofort wieder gehen, denn wenn Hunde merken, daß man Angst hat, werden die noch aggressiver, besonders so Dobermänner und Doberfrauen. Die drei Verkäuferinnen in dem Hinterteil des Ladens kümmerten sich kein bißchen um uns, und wir standen da rum, und nichts passierte. Nur der Dobermann guckte schon so, als wollte er sagen, einen Schritt weiter und ich werde ungemütlich. Und so standen wir mindestens gute fünf Minuten rum. Nichts passierte. Und da bin ich zum erstenmal mit meiner Frau aus einem Laden raus, ohne was zu kaufen, sonst hätte ich wenigstens noch einen Schuhriemen gekauft, aber es gibt eben Geschäfte, wo einem ständig gezeigt wird, daß man unsereinen nicht nötig hat, und da muß man  dann auch zurückzeigen, daß man auch woanders Schuhe kaufen kann, wo keine Dobermänner und Doberfrauen rumlaufen. Wie oft habe ich mir schon was gekauft, was mir gar nicht stand oder gar nicht paßte, nur um dem Verkäufer oder der Verkäuferin einen Gefallen zu tun. Damit ist jetzt Schluß. In Berlin habe ich das gelernt.



© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung