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Die Kolumne am Mittwoch

von Friederike Zelesko
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Die Kolumne am Mittwoch
von  Friederike Zelesko


Die im Schlafzimmer gespeicherte Sommerhitze kriecht über uns wie ein verschwitztes Tier. Wir finden keinen Schlaf, hören ungewöhnlichen Geräuschen zu. Einem Entenschnattern. Einem Schweinegrunzen. Einem Pferdeschnauben.
 
Und die ganze Nacht bellen die Hunde im Dorf. Das Bellen pflanzt sich fort. Von Haus zu Haus. Ein Hund nach dem anderen fällt ein. In Abständen. In verschiedenen Höhen und Tiefen. Jede Hundestimme ist unverwechselbar. Sie teilt sich unsere Ankunft mit. Wir sind Eindringlinge, bringen einen unbekannten Geruch mit. Das gleichmäßige Atmen der Häuser im Dorf gerät ins Wanken.
 
Das Bellen ist so seltsam wie die Sprache, die in diesem Land gesprochen wird. Wir hören ihr und dem Bellen zu. Die unverständlichen Sprachmelodien, die langsam beginnen, schneller werden, um dann in einem anmutigen Singsang auszuklingen, begleiten uns überall hin.
 
Die ganze erste Nacht bildet das Bellen der Hunde ein Willkommenspalier für uns. Die Dorfhunde sind keine Lärmer, die gegen Autos, Preßlufthämmer und Müllwagen ankämpfen müssen. Sie sind Bewohner von eigenen Hütten, kennen keine Maulkörbe und ihre Besitzer sagen nicht „Sitz, Platz oder bei Fuß“. Nachts registrieren sie jede Bewegung in ihren Revieren. Sie sehen, hören, riechen und fühlen untrüglich im Dunkeln. Hinter den Maschendrahtzäunen, die Grundstück für Grundstück rund um die Häuser in fast gleichgroße, blühende Gartenquadrate einteilen, bewegen sie sich mit sicheren, schnellen Sätzen. Es ist ihnen erlaubt zu bellen. Ein Hund der nicht bellt, ist kein Hund. Tagsüber liegen sie im Schatten der Hütte an der Kette und schlafen. Manchmal zittert ihr Fell und ein Ohr stellt sich auf. Sie sind wach in ihren Träumen und ihr Instinkt erwartet die Nacht.
 
Wir wissen, wenn wir jedes Mal stehen bleiben wenn ein Hund bellt, werden wir unsere Reise nie beenden.



© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2011