„...glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können!“

Rudolph Angermüller reist auf Mozarts Pfaden durch Europa

von Frank Becker
„...glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können!“

Mozarts Reisen in Europa

Es mutet beinahe unmöglich an, ein solches Unternehmen ins Werk zu setzen, wie es Rudolph Angermüller mit „Mozarts Reisen in Europa“ vorgelegt hat.  Schritt für Schritt, Ort für Ort und Begegnung um Begegnung die 3.720 Reisetage (das sind 10 Jahre, zwei Monate und acht Tage) des Wolfgang Amadeus Mozart  zu recherchieren, aufzuzeichnen und sowohl in den historischen wie musikhistorischen Kontext zu bringen, ist ein Meisterwerk geworden, das von Prof. Dr. Rudolph Angermüller, M.A. nach beinahe zwanzig Jahren intensiver Arbeit vor zwei Jahren einem staunenden Publikum und einer anerkennenden  Fachwelt vorgestellt werden konnte. Nun, im großen Mozartjahr, erfährt dieser erstaunliche Band eine neue, angemessene Würdigung.

Beginnend mit der ersten Reise des 6-jährigen Knaben nach München vom 12. Jänner bis Anfang Februar 1762 und endend mit seiner letzten Reise nach Prag Ende August bis Mitte September 1791 zeichnet Angermüller akribisch und mit vielen zeitgenössischen Illustrationen, Karten sowie aktuellen Fotografien unterfüttert, die ungewöhnlich intensive und gewiß zermürbende Reisetätigkeit des Komponisten und Virtuosen auf. Wiewohl Mozart zwar unter schlechten Straßen und Kutschen litt - seine Briefe bezeugen in ihrer berühmt unverblümten Art, so z.B. unter dem 8. November 1780, wie seine Kehrseite gelitten hat: „...dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! - und die Sitze! - hart wie stein! - von Wasserburg aus glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können! - er war ganz schwierig - und vermuthlich feüer roth - zwey ganze Posten fuhr ich die Hände auf dem Polster gestützt, und den Hintern in lüften haltend--- (...) - aber zur Regel wird es mir seyn, lieber zu fus zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren“ - erkannte und genoß er den Wert des Reisens: „...denn, ich versichere sie, ohne Reisen (wenigstens leüte von künsten und wissenschaften) ist man wohl ein armseeliges geschöpf! - und versichere sie, daß, wenn der Erzbischof mir nicht erlaubt alles 2 jahre eine Reise zu machen, ich das Engagement ohnmöglich annehmen kann (...) - ein mensch von superieuren Talent (welches ich mir selbst, ohne gottlos zu seyn, nicht absprechen kan) wird schlecht, wenn er immer in dem nemlichen ort bleibt(...). (am 11. September 1778 aus Paris an den Vater)“.

Dem Verfasser kommt seine außerordentlich  profunde Kenntnis von Mozarts Leben und Werk durch seine Arbeit an und mit der Universität Salzburg, dem Mozarteum,  der Editionsleitung der Neuen Mozart-Ausgabe, sowie als Verfasser zahlreicher Bücher und Zeitschriften-Artikel zu W.A. Mozart zugute. Den Profit davon hat der wissenschaftliche wie auch der „nur“ interessierte Leser, denn „Mozarts Reisen in Europa“ ist eine phantastische Fundgrube. 205 Ziel- und Aufenthaltsorte sowie ungezählte Stationen in Ländern der heutigen europäischen Landkarte sind genannt, bzw. mit ihren Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten, geschichtlichen  Hintergründen, Reiseanlässen und Kosten überliefert und teils mit der damit verbundenen Musik beschrieben. Das nach Reiseländern geordnete Buch zeigt anfangs eines jeden Abschnitts eine Übersichtskarte zur räumlichen Orientierung. Ortsverzeichnisse ermöglichen das entsprechende Auffinden bzw. Zuordnen, ein Namens-Index führt zu Einladenden, Begegnungen und Kontakten, und Briefstellen Vater Leopolds und Amadees geben das passende Zeitkolorit.

Mozart war unterwegs, hat sich gebildet, gelernt und auch für seine Musik unersetzliche Erfahrungen gemacht. Wer sich künftig mit seinem Leben etwas genauer beschäftigen möchte und dabei über den spezialisierten Tellerrand blicken will, wird an diesem Buch nicht vorbei kommen -  und es genießen.
 
Beispielbild


Rudolph Angermüller
Mozarts Reisen in Europa
(1762-1791)

Verlag Karl Heinrich  Bock, Bad Honnef 2004
296 Seiten inkl. Chronologie, Ortsregister, Namensregister,  Literatur- und touristischen Hinweisen, sowie zahlreichen größtenteils farbigen Fotografien und zeitgenössischen Illustrationen, gebunden mit Schutzumschlag,
21,5 x 29,5 cm
44,50  Euro

Weitere Informationen unter:
www.bock-net.de