Tristesse de la Lune

aus "Les Fleurs du Mal - Spleen et Idéal"

von Charles Baudelaire

Foto © Frank Becker

Tristesse de la Lune


Lasziver noch als sonst glänzt heute Nacht der Mond - so wie ein schönes Weib, das sanft auf weichen Kissen ruht und deren spiel´risch zarte Hand - eh sie dem Schlafe sich ergibt, liebkosend über ihre Brüste streicht.

Entrückt auf dem Gebirge seidener Polster gibt sie sich einem sachten Schlummer
hin wie Ohnmacht und schaut in strahlend helle Träume, die knospend sich ins Blau des Himmels recken.

Rinnt dann - von Fall zu Fall - kaum sieht man´s, der Träne gleich ein Tropfen Tau zur Erde nieder, ist das der Nektar, den der brave Dichter, von Morpheus nicht berührt, bedachtsam sammelt wohl in hohler Hand.

Dann birgt er diesen
in allen Farben des Regenbogens schimmernden Opal der Traurigkeit - dem Blick und grellen Licht der Sonne fern - geschützt in seinem Herzen.


Zum 155. Jahrestag des Erscheinens von Charles Baudelaires "Les Fleurs du Mal"
(neu übertragen von Frank Becker)