Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche

Theater im Düsseldorfer "Savoy"-Kino

von Andreas Rehnolt

© Duo-Phon Records
Theater in altem Kino-Saal

funktioniert prächtig

Im Düsseldorfer "Savoy" hatte der Liederabend
"Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche"
gefeierte Premiere


Düsseldorf
- Wegen der Sanierung des Großen Hauses am Gründgens-Platz in Düsseldorf weicht das Theater seit Ende November in den alten großen Kinosaal des "Savoy-Theaters" an der Graf-Adolf-Straße aus. Dort hatte am 25. November der Liederabend "Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche" gefeierte Premiere. Die Besucher erlebten Klassiker der Filmmusik, verbunden mit Bühnen-Zauber. Regie führte Gil Mehmert, Musical-Professor an der Essener Folkwang-Hochschule und Schöpfer der verschneiten Eröffnungsschau der Ruhr.2010 im Januar.
Im Untertitel hieß es: "Ein Abend für 5 Schauspieler, 2 Musiker und 1 Kino". Und tatsächlich, im alten Kinosaal funktioniert der Liederabend mit insgesamt 39 alten, ganz alten und einigen relativ neuen Filmsongs, obwohl die Handlung irgendwie nicht so richtig ein Stück ist.
 
Das kleine Kino nebenan

Ort der Handlung auf der manchmal rotierenden kleinen Bühne ist ein nachgebauter Kinosaal mit drei Stuhlreihen, einer alten Vorführkamera, einem Klavier und einer kleinen Bartheke.
Gleich zu Beginn säubert Katrin Röver als studentische Hilfskraft den Raum von den Hinterlassenschaften der letzten Zuschauer, bevor sie die neuen Gäste einläßt. Beim Song "Wenn ich sonntags in mein Kino geh..." summen vor allem ältere Theaterbesucher in den Reihen rund um den Rezensenten mit. Melanie Wiegmann als mit ihrem Mann verabredete leicht frustrierte Hausfrau trällert "One" und beklagt sich, daß sie immer nur auf den stets zu spät kommenden Gatten wartet. Der (Götz Schulte) kommt zwar zum Kino, bleibt aber bei seiner Geliebten - der jungen Studentin - am Tresen hängen und besingt die Schöne voller Inbrunst als "Pretty woman". Nach und nach kommen zwei weitere Kinobesucher. Die großartige Susanne Tremper gibt der verzweifelten Ehefrau mit dem Cat Stevens-Ohrwurm "If you want to sing out, sing out.." aus dem legendären Kinostreifen "Harold and Maude" Verhaltens-Tips. "Summer Dreamin" läßt im alten Kinosaal Barcardi-Feeling aufkommen, "Mrs. Robinson" von Paul Simon aus dem Film "Die Reifeprüfung" gibt es und dann erscheint der stimmgewaltige David Jakobs als verhinderter Kino-Produzent zum Song "The Murder" aus dem Hitchcock-Klassiker "Psycho".


Foto © Düsseldorfer Schauspielhaus

Leider auch Längen


Spätestens hier hat der Liederabend einige quälende Längen, denn warum der mit zwei glänzenden Filmdosen ausstaffierte Jakobs die übrigen Kinobesucher auf der Bühne und die beiden exzellenten Musiker (Hajo Wiesemann am Klavier und Bastian Ruppert an der Gitarre) fesseln muß, bleibt sein Geheimnis. Nach und nach kann sich die Truppe allerdings mit Hilfe von Popcorn-Eimerchen und einem langen, blitzenden Messer befreien. "Papa, can you hear me" aus dem Film "Yentl" singt betörend Katrin Röver. Dann kommt es zur - ebenfalls etwas zu lang geratenen - Schlägerei zwischen dem erstaunlich komödiantischen Götz Schulte und dem Kino-Produzenten, der daraufhin torkelnd "I'm in heaven" lallt und irgendwann zwischen den Stuhlreihen des Kinos zu Boden geht.
Susanne Tremper haucht "As time goes by" aus "Casablanca". Das Vorführgerät kommt im Verlauf der gut 90-minütigen Inszenierung auch mehrmals zum Einsatz. Der Kinoproduzent bringt ein Potpourri aus allen Filmgenres - vom Liebesfilm über den Western bis hin zum Porno und zum Katastrophenfilm. Dazu gibt's unter anderem "Cinema Paradiso" aus dem Bond-Streifen "Goldfinger".
 
Erinnerungen an Fred Raymond

Und dann verliebt sich natürlich die attraktive Studentin in den Filmproduzenten und singt das Lied, das dem Abend den Titel verschafft hat und das von Fred Raymond und Kurt Gerron stammt. Und wie sie das singt. "Mein Bruder macht im Tonfilm die Geräusche. Das hat er schon als Kind so gut gekonnt. Er macht es so, dass ich mich selber täusche. Es gibt nichts, was mein Bruder nicht vertont! Er macht das Waldesrauschen, er macht den Wogenprall. Er macht das Küssetauschen, und den Revolverknall!" Dazu macht Musiker Bastian Ruppert tatsächlich wundersame und wunderbare Geräusche mit der Posaune.
Ganz am Ende dann gibt's zwar kein Happy-End, aber einen "Blick nach vorn". Der Filmproduzent verfilmt ein Drehbuch der Studentin, die geschiedene Ehefrau kriegt darin eine Hauptrolle, die alternde Diva erlebt darin ein glänzendes Comeback und der geschiedene Ehemann schaut sich den Streifen mit einer neuen jugendlichen Geliebten an. Nicht ohne zuvor das Lied "Liebling, was wird nun aus uns beiden?" gesungen zu haben. Und dann schmettert das ganze Ensemble - vielleicht einen Tic zu laut - in den heftigen Schlußapplaus hinein "Blue Velvet" als Zugabe.
 
Schwache Story, beschwingter Abend

Die Story ist nicht wirklich überzeugend. Aber die hervorragenden sieben Akteure auf der Savoy-Bühne schaffen einen insgesamt beschwingten Abend. Und mancher der Theaterbesucher schaute am Premierenabend beim Verlassen des "Savoy" auch intensiv auf die aushängenden Kinoplakate des Hauses. Denn im Untergeschoß gibt's mitunter tolle alte und neue Filme zu sehen, die auch für Theatergänger durchaus geeignet sind.
Am 30. Dezember hat übrigens die zweite Produktion des Düsseldorfer Schauspielhauses im alten Kinosaal Premiere. Dann soll die Komödie "Schneider Wibbel" das Publikum unterhalten. Bei der Uraufführung 1913 war das Stück ein riesiger Erfolg, der 13 Jahre lang bei ausverkauftem Haus gespielt wurde.
 

Redaktion: Frank Becker