Das Leben – ein Kontobuch
Thomas Manns „Buddenbrooks“
in einer Aufführung des Euro-Studio Landgraf Brillant. Einfach brillant. Wie Frank Matthus in seiner Inszenierung der „Buddenbrooks“ für das Euro-Studio Landgraf das Konzept der von John von Düffel konzipierten Bühnenfassung des großen Familienromans von Thomas Mann umsetzt, verdient allen Respekt. Mit einer in den Schlüsselrollen hervorragenden Besetzung gelingt ihm der schwierige Spagat zwischen Buch und Bühne.
Zu gut zwei kompakten Stunden geronnen, führt Matthus die von Düffel aufs Notwendigste reduzierten Handlungsfäden der Schicksale zweier Generationen der Lübecker Kaufmannsfamilie Buddenbrook – die erste und die letzt Generation läßt er bis auf marginale Anschnitte verlustfrei weg. Nicht von ungefähr vermeint man in verschiedenen Charakteren Parallelen zu Thomas Manns eigener Familiengeschichte zu erkennen, nennt er doch selbst 1950 in einem Vortrag „persönlich familiäre Erfahrungen“ als Grundlage, die er „zum Roman stilisiert“ habe.
Von Düffel (der auch schon Manns "Dr. Faustus" dramatisiert hat) läßt seine Adaption mit dem Werben des aalglatten Kaufmanns Bendix Grünlich (Ulrich
Ulrich Westermann liefert als Grünlich beim Werben um Tony und im Moment der maskenlosen Wahrheit zwei kostbare Kabinettstücke ab – ihm ebenbürtig Klaus Mikoleit in Haltung und Sprache als entscheidungsstarker, kompromissloser hanseatischer Patriarch.
In einer starken Nebenrolle überzeugt auch Dirk Schmidt als Bankier Kesselmeyer, während seine Figur des Münchners Permaneder, zweiter Gatte Tonys, entschieden zu burlesk ausfällt. Die Söhne Thomas (Hans Machowiak) und Christian (Jörg Walter) könnten kaum gegensätzlicher sein. Während der im Grunde schwache Thomas auf die Übernahme der Familiengeschäfte vorbereitet wird, das Erbe auch mit Verve antritt, es sogar bis zum Senator bringt und heiratet, dann die Augen vor einer Affaire seiner eigenwilligen Gattin (grandios kalt: Irene Jacoba Holzfurtner) verschließt, geht Schöngeist Christian den Weg des hemmungslos Schulden machenden, lebensuntüchtigen Bohemiens.
Thomas schafft nicht, sich gegen die Bigotterie seiner Mutter (Heidemarie Wenzel) zu stemmen, die sich nach Konsul Johann Buddenbrooks Tod christlichen Zirkeln zuwendet und schließlich ihren Betschwestern ein Vermögen von 124.000 Mark überschreibt. Ebenso wenig kann er seinen verantwortungslosen Bruder zurück ins familiäre Fahrwasser bringen, der sein Erbteil verpraßt und beabsichtigt, eine berüchtigte Kurtisane zu heiraten. Beide Darsteller vermitteln die ihnen von Thomas Mann zugedachten Positionen hervorragend, Hans Machowiak den Kaufmann bis zur Resignation, besonders aber reißt Jörg Walter mit, der seinen großen Auftritt als larmoyanter Versager gegen Ende glänzend gestaltet.
Abgerechnet wird nicht nur zum Schluß: Jede Neuordnung im Hause Buddenbrook beginnt mit einer Bilanz. Unterstützt von Bild- und gut lesbaren Text-Projektionen (Konzept: Rolf Spahn) läßt das Bühnengeschehen den Roman quasi „mitlesen“ – ein gelungener Kunstgriff. Erfreulich viel junge Leute sah man in der gut besuchten und zu Recht mit jubelndem Applaus bedachten Aufführung im Remscheider Teo Otto Theater. Und die Theater-Bilanz: Ein Abend von Rang.
Fotos © Euro-Studio Landgraf Weitere Informationen unter: www.landgraf.de
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