West Side Story in Hof

Broadway an der Saale

von Alexander Hauer

Theater Hof

West Side Story
Musical von Leonard Bernstein


Broadway an der Saale

 
Fast ist es müßig eine Kritik über eine Musicalproduktion in Hof zu schreiben. Nach „Sound of Music“ und „Evita“ dieses Jahr nun West Side Story, fast sechzig Jahre alt und aktueller denn je. Reinhardt

Maria + Tony: There´s a place for us...
Friese verzichtet in seiner Inszenierung auf jegliches New Yorker Lokalkolorit. Die Bühne von Thomas Mogendorf ist leer, bis auf Wohlstandsmüll, Mülltonnen und Plastikplanen als Zwischenvorhänge. Ein im Hintergrund aufgestellter Spiegel sorgt für Bühnentiefe. Auch die Kostüme von Barbara Schwarzenberger sind hochaktuell, Gangwear  wie aus dem Versandkatalog, in schwarz und weiß auf die beiden Banden aufgeteilt. Aber auch hier gibt es keine Konkretisierung aus welcher gesellschaftlichen Szene sie Protagonisten kommen. Die deutsche Textfassung von Nico Rabenald und Frank Thannhäuser ist der Gangsprache angepaßt, die Darsteller sprechen aber alle wohlartikuliert und deutlich. Die Songtexte verblieben im englischen Original.

Soweit das Grundgerüst der Inszenierung. Die Hofer Symphoniker kamen erwartungsgemäß hervorragend mit der jazzigen, nicht unkomplizierten Partitur von Leonard Bernstein zurecht. Lorenz C. Aichner leitet spannungsvoll, treibend, schier atemlos und bei den entsprechenden Musiknummern zart und lyrisch, durch den Abend. Die Hauptrollen sind mit Thilo Andersson als Tony und dem Hofer Neuzugang Inga Lisa Lehr als Maria überdurchschnittlich gut besetzt. Inga Lisa Lehrs sanfter Sopran erklimmt mühelos die Höhen ihrer Partie, genau wie Thilo Andersons operngeschulter warmer Tenor. Neben den sängerischen Ansprüchen fordert aber eine Musicalrolle mehr von einem Sänger als eine gute Stimme. Zusammen mit Stefanie Rhaue als Anita (über)erfüllen die drei Opernensemblemitglieder auch alle schauspielerischen und tänzerischen Anforderungen.


...at the gym
Die beiden Gangs wurden vom hervorragend singenden Ballett und einigen Gästen vervollständigt. Die Gangleader Tamás Mester als Bernardo und Christopher Brose als Riff verloren ihre so viel beschworene Coolness, Stephan Brauer war ein hypernervöser Action. Florian Bänsch, trotz Muskelfaserriß, ertanzte und ersang sich als Baby John, genau wie der A-rab von Hans Peter Leinhos, die Sympathien des Publikums spätestens in der „Officer Krupke“ Nummer. Barbara Busers Ballett-Truppe glänzte in der Choreographie der Chefin nicht nur in den Tanzparts. Das gesamte Ballett war mit Sprech- und Singrollen betraut und erfüllte die gestellte Aufgabe mit Bravour. Barbara Busers Choreographie ist von einer unterschwelligen Aggression geprägt, die im Lauf des Abends immer offensichtlicher an den Tag tritt. Beginnt „Dance at the gym“ noch relativ harmlos, werden die Kampfszenen zu fast unerträglich spannenden Erlebnissen.

Die einzigen „Erwachsenen“ des Stücks sind Doc (Peer Schüssler) und die beiden Cops Officer Krupke (Karsten Schröter) und Lt.Schrank (Karsten Jesgarz). Doc ist ein vom Leben Gezeichneter, der als einziger die Konsequenzen und das Ende dieses Bandenkrieges voraussieht, es aber Kassandra gleich nicht verhindern kann. Karsten Schröter legt seinen Krupke als tumben Schläger an, während Karsten Jesgarz als bösartiger rassistischer Schrank Vergleiche mit Robert de Niro nicht scheuen muß. Hinterhältig treibt er die Gangs gegeneinander an, um seine Karriere voranzutreiben.


Friese hält sich in seiner Inszenierung eng an die Originalvorlage, wird aber insgesamt brutaler und direkter als ältere Aufführungen. So kann Doc die Vergewaltigung Anitas durch die Jets nicht verhindern. Regula Fischbach vom Schauspiel, erlebt in dieser Szene eine Katharsis, die sie vom alles filmenden Gewaltgroupie der Jets läutert.
Das Ganze ist, wie so oft aber mehr als die Summe seiner Einzelteile. Das Hofer Ensemble, die Symphoniker, die Werkstätten bewiesen mit dieser Einstudierung wieder einmal, auf welch hohem Niveau die deutschen Stadttheater sind. Letztlich will ich noch einen Darsteller erwähnen, der freundlicherweise, ohne eine Probe in die Premiere einstieg: Peter Kampschulte vom Schauspiel sprang für den erkrankten Christian Seidel als Glad Hand in die Produktion ein. Danke Peter!
 
Bilder vom SFF-Fotodesign, Hof
Weitere Informationen unter: www.theater-hof.de

Redaktion: Frank Becker