Der Bleistift im Rampenlicht

Deutscher Karikaturenpreis 2010 in Dresden verliehen

von Franziska Bulban
Der Bleistift im Rampenlicht
 
Mit Sarkasmus und Zynismus
zeichnen Karikaturisten die Welt.
Denn Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Am Sonntag gab es dafür Preise.
 
Zeichner stehen eher selten auf einer Bühne oder im Rampenlicht. Da ist es nicht erstaunlich, dass ihre Dankesreden am Sonntag im Dresdner Schauspielhaus kurz ausfielen. Zum elften Mal wurde der Deutsche Karikaturenpreis der Sächsischen Zeitung in Form des Geflügelten Bleistifts verliehen. „Die Zeichner hatten es schwer heute Morgen“, erklärte Moderator Bernd Gieseking, „gestern Abend war Künstlerstammtisch. Das klingt nach einer gemütlichen kleinen Runde, war aber in Wirklichkeit ein exzessives Klassentreffen.“ Viele Künstler, deren Signaturen bekannter sind als ihre Gesichter, hatten sich dennoch pünktlich versammelt und hofften auf eine Ehrung. Aus 562 eingereichten Zeichnungen hatte die Jury drei Preisträger ausgewählt.
Nachdem im letzten Jahr das  Motto „Krise? Welche Krise?“ den Karikaturenpreis bestimmte, war dieses Jahr das trotzige „Jetzt erst recht“ der Leitfaden für die Veranstaltung. Musikalisch begleitet wurde der Moderator von den Jazzmusikern Greg Patillo & Project Trio.

1. Preis für Rudi Hurzlmeier

© Rudi Hurzlmeier

Der erste Preis, ein goldener Geflügelter Bleistift, wurde für die Karikatur „Kirche von hinten“ von Rudi Hurzlmeier verliehen. Sie erschien im Satiremagazin Titanic und spielt auf den Mißbrauchsskandal in der katholischen Kirche an. Das harmlos wirkende Bild entfaltet seine Wirkung im Kopf des Betrachters, der durch die Rückansicht der Kirche und den Titel ins Grübeln kommen kann. „Ich stamme aus einem katholischen Milieu, da muß man sich kirchenkritisch äußern“, erklärte Hurzlmeier.
Für die Karikaturisten ist der Preis eine seltene Gelegenheit, ihrem Publikum zu begegnen. Als Hurzlmeier auf der Bühne die Trophäe in Empfang nahm, witzelte er jedoch beim Blick in den Zuschauerraum: „Unsereiner sieht sein Publikum ja überhaupt nicht. Und jetzt ist es auch stockfinster. Aber vielen Dank, ihr hört euch gut an.“
Den zweiten Platz belegte das Duo Elias Hauck und Dominik Bauer mit einer Zeichnung über Kinder und Karriere. Trocken stellten sie fest: „Man kann auch ohne Kinder und ohne Karriere einen Karikaturenpreis gewinnen.“ Den dritten Preis gewann der Zeichner Mock (al. Volker Kischkel) für seine parodistische Antwort auf das Phänomen Twitter. Die Laudatio für die drei Preisträger hielt der Schauspieler Tom Pauls amüsant in verschiedenen Rollen, jeweils passend zu den Karikaturen: Als Ilse Bähnert kommentierte er Kinderlosigkeit, als Rettungssanitäter

© Mock
Selbstmordversuche und als Pfarrer die Kirchenzeichnung.
 
Für sein Lebenswerk wurde Reiner Schwalme geehrt, der seit Jahren für die Sächsische Zeitung zeichnet. Der Karikaturist habe mittlerweile so viele Preise, dass er unter Kollegen als Goldhamster bekannt sei, so sein Laudator. „Es gibt einige Fakten, die einen darauf aufmerksam machen, daß man nicht mehr so jung ist, wie man sich fühlt. Mein Rücken. Und dieser Preis fürs Lebenswerk“, sagte Schwalme.
Die nicht prämiierten Zeichner können noch hoffen: Alle Beiträge werden seit gestern in einer Ausstellung im Dresdner Haus der Presse gezeigt. Die Besucher können ihre liebste Karikatur auswählen. Der Publikumspreis wird im nächsten Jahr vergeben. Letztes Jahr sahen 12 700 Besucher die Karikaturen-Schau und wählten als Publikumsliebling die Zeichnung „Serviceoffensive der Deutschen Bahn“ von Tetsche. Dieser hätte seinen Preis am liebsten am Bühnenrand entgegengenommen, statt ins Rampenlicht zu treten. Für Zeichner stehen eben die Bilder im Mittelpunkt.
 
Reiner Schwalme

© Reiner Schwalme/Sächsische Zeitung
Geboren wurde Schwalme 1937 in Liegnitz (heute Legnica in Polen). Er ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne. Er studierte Gebrauchsgrafik und ist seit 1966 freiberuflich als Illustrator und Karikaturist tätig. Er illustrierte für den Berliner Verlag und den Verlag Junge Welt und zeichnete ab 1985 für den Eulenspiegel. Seit 1992 erscheinen seine tagespolitischen Karikaturen in der Sächsischen Zeitung. Im ersten Jahr des Karikaturenpreises gewann er den dritten Preis. Einige Blätter hängen im Museum der Geschichte der Bundesrepublik Bonn. Auch an der Wanderschau „1+1=Eins – Vier Karikaturisten zeichnen die Vereinigung Deutschlands“ war er beteiligt. Zu seinem 70. Geburtstag veröffentlichte Schwalme das Buch „Die besten Karikaturen aus 30 Jahren“. Reiner Schwalme lebt im Spreewald.
 
Dieser Beitrag von Franziska Bulban erschien erstmals gestern, 15.11.2010 auf der Kulturseite der Sächsischen Zeitung. Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung der Sächsischen Zeitung.
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Weitere Informationen: www.deutscherkarikaturenpreis.de und www.sz-online.de/nachrichten

Redaktion: Frank Becker