Musikstunde

Eine kleine Plauderei über Antonin Dvorak

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Musikstunde
 
Eine kleine Plauderei
über Antonin Dvorak


Das Leben, liebe Leser, geht seltsame Wege, was ja auch im Leben so mancher Komponisten eine erhebliche Rolle spielt, wovon ich Ihnen jetzt eine kleine Geschichte erzählen möchte. Was hätte vielleicht aus Antonin Dvorak für ein wundervoller Fleischer werden können, weil das nämlich so war (und jetzt stellen Sie sich vor, sie würden dem Schweijk Josef zuhören, der ja den Zungenschlag des waschechten Böhmen hat, so wie der Antonin einer gewesen ist):
 
Es ist immer erhebend, wenn man sehen kann, daß in einer Familie die Tradition gepflegt wird, wie bei den Dvoraks in Nelahozeves, was in der Kaiserzeit noch Mühlhausen hieß, wo sie schon in der ich-weiß-nicht-wievielten Generation eine Metzgerei mit Gasthaus hatten, was dann besonders praktisch ist, wenn man etwas zu feiern hat wie der Frantisek Dvorak am 8. September 1841, der nicht extra warten muß, bis diesbezüglich ein Gasthaus geöffnet hat, weil er sagen kann: 'Ich bin unten im Geschäft' und sich da, egal ob er geöffnet hat oder nicht, ein gepflegtes Pilsner Bier aus Freude über den soeben geborenen kleinen Antonin Leopold einschenken kann, was dem Frantisek vielleicht nicht mehr so geschmeckt hätte, wenn er gewußt hätte, daß danach noch acht Kinder kommen möchten, andererseits war es immer schon in ärmeren Gegenden die größte Freude der Menschen, viele Kinder zu haben, weil man vielleicht jede Hand im Stall oder überhaupt im Geschäft brauchen kann, sobald sie stark genug sein möcht, selbst falls sich zeigen sollte, daß das Kind höhere geistige Neigungen hat und sich mehr zur Musik als zum Ausbeinen von Kalbsschultern hingezogen fühlen möcht wie der kleine Antonin, was den Frantisek aber nicht gewundert hat, weil er selber gut die Zither spielen konnte wie überhaupt die Dvoraks als tüchtige Geiger und Trompeter in der ganzen Gegend bekannt gewesen sind, so, daß man immer, wenn es was zu feiern gegeben hat, seinen Kindern gesagt hat: 'Jetzt lauft hinüber und holt den Dvorak und er soll die Zither mitbringen, weil die Großmama goldene Hochzeit hat und immer noch so lebendig in den Beinen ist, daß sie tanzen möcht und der kleine Antonin soll gleich mit seiner Geige mitkommen, damit es eine ordentliche Musik wird', was sicher ein schönes Bild gewesen ist, wenn der kleine Antonin mit seinem Papa und anderen Musikern zum Tanz aufgespielt hat, wie ja überhaupt in der alten Zeit viel mehr Musik gemacht worden ist, hör ich, wie heute, aber wenn es dann so schöne Musik ist wie die alten böhmischen Weisen, läßt sie einen ein Leben lang nicht mehr los, wie den Antonin, der noch viel später, als er schon ganz berühmt gewesen ist, einem schmeichlerischen tschechischen Chordirigenten geschrieben hat: "Ich bin ein ganz einfacher, tschechischer Musiker...und obwohl ich mich in der großen Welt der Musik zur Genüge bewegt habe, bleibe ich doch, was ich war -- ein einfacher tschechischer Musikant", was eine Freude ist, wenn so einer so bescheiden bleibt, was er vielleicht nicht geblieben sein möcht, wenn er den Beruf, den er gelernt hat, ausgeübt haben würd, nämlich Fleischer, was der junge Antonin ordentlich mit Gesellenbrief nachweisen kann, was ihm in Zlonice ausgestellt worden ist, weil er ein fleißiger Lehrling gewesen ist und es muß ihm sogar gefallen haben, weil er später dem Örtchen Zlonice mit seiner ersten Symphonie, was auch die "Zlonitzer Glocken" genannt wird, ein Denkmal gesetzt hat, was die Zlonicer heute noch freut, aber wenn es dann so geht, daß so ein Geselle gleich die Ärmel hochkrempeln und dem Herrn Papa beim Ausbeinen helfen soll, kann es sein, daß einer wie der Antonin sagt 'Nein, Herr Papa, das will ich nicht, mein Leben ist Musik und will ich verhärtete Herzen aufbrechen und nicht Kälberbäuche mein Leben lang', wogegen sich der Herr Papa sicher wehren möcht, weil er an den Betrieb und die Gastwirtschaft denkt, aber wenn er ein gutes Herz hat, wie hör ich der Frantisek Dvorak, geht es sich dann so aus, daß es heißt 'Gut, dann gehst Du nach Prag zum Studieren, aber es muß etwas Ordentliches sein, also wirst Du Organist, weil beten tun die Leute immer und mit Orgel geht das besser, also wirst Du immer Dein Auskommen haben'.
 
So – oder so ähnlich wird es sich zugetragen haben, damals in Nelahozeves am linken Ufer der Moldau. Der Antonin Dvorak ist ein ganz Großer geworden und hat uns bis zu seinem Tod am 1. Mai 1904 viel wunderbare Musik geschenkt. Legen Sie zum Start in den Tag doch gleich mal eine Platte auf!
 
Bis zur nächsten Woche an dieser Stelle verabschiedet sich
Ihr
Konrad Beikircher
 
 
 
© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker