„Ich überlasse alles Deinem Willen...“

Historische Quellen zum Leben der Königin Luise von Preußen

von Friederike Hagemeyer
Historische Quellen zum Leben
der Königin Luise von Preußen


„Ich überlasse alles Deinem Willen...“
 
 
Am 26. Juni 1810 schreibt Luise, geb. am 10. März 1776 als Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, diese Zeilen an ihren Mann, Friedrich Wilhelm III. König von Preußen; wenige Wochen später, am 19. Juli 1810 stirbt sie, nur 34 Jahre alt.
 
Der Mythos um Königin Luise
 
Bereits zu ihren Lebzeiten entsteht um die junge Königin ein Mythos, der sich mit voranschreitender Zeit im 19. Jahrhundert zu einer wahren Heiligenlegende auswächst und zum Teil skurrile Züge annimmt. Günter de Bruyn benennt in seinem Buch „Preußens Luise“ die Umstände, die nach dem Tod der Königin zu dieser außergewöhnlichen Verehrung führten: „Schönheit und Anmut mußten selten gewesen sein auf preußischen Thronen; bürgerliche Tugenden mußten öffentliche Wertschätzung genießen; ein früher Tod mußte die Königin jung erhalten, Preußen die schlimmste Niederlage seiner Geschichte erleiden und die Periode seiner Demütigung mußte siegreich zu Ende gehen.“ (S. 7)
Im Gedächtnis der Menschen verwandelt sich die junge Frau von der bürgerlichen Königin, die ein Ehe- und Familienleben führt wie eine „ganz normale“ Bürgerfamilie, zur Märtyrerin, die sich bei ihrem Bittgang zu Napoleon I. am 6. Juli 1807 in Tilsit für ihr Land opfert und aus Kummer über Preußens Schicksal an gebrochenem Herzen stirbt. In der Trivialliteratur wird sie zum „Engel des Friedens“ und zur „Mutter aller Untertanen“ stilisiert. Den Höhepunkt ihrer symbolischen Wirkung erreicht Königin Luise mit dem Sieg über Frankreich 1871, als ihr Sohn Wilhelm in Versailles zum ersten deutschen Kaiser ausgerufen wird; Luises Leben und Wirken gehört von nun an ganz wesentlich zum Gründungsmythos des deutschen Kaiserreichs. Unter den Darstellungen Luises als Mutter findet eine besonderen Anklang: Luise schreitet hoheitsvoll während sie ihren Sohn, den späteren Kaiser Wilhelm I., wie ein Jesuskind im Arm hält. Von dieser „preußischen Madonna“, ein Werk des Bildhauers Fritz Schaper (1841-1919), läßt Wilhelm II. preiswerte Verkleinerungen in Gips, Elfenbeinmasse und Marmor für den privaten Gebrauch anfertigen.
Nach dem Ende des ersten Weltkrieges schwächt sich der Luisenkult zur nostalgischen Erinnerung an Preußens bessere Zeiten ab; gepflegt wird er vor allem in deutschnationalen Kreisen. Die Nazis sind offiziell an Königin Luise wenig interessiert, und spätestens 1947 endet der Mythos um Königin Luise, als Preußen per alliiertem Beschluß aufhört zu existieren.
 
Quellenausgaben im Deutschen Kunstverlag
 
Mehr als dreißig Jahr später beginnt mit der großen Berliner Ausstellung von 1981 „Preußen - Versuch einer Bilanz“ die Beschäftigung mit Preußen erneut, nun aber mit dem Ziel mit allerlei Preußenmythen „aufzuräumen“. Die Quellen werden wieder zum Ausgangspunkt historischer Forschung, und es wird versucht, sich einer etwas zeitgemäßeren Interpretation anzunähern.
Nach mehr als 40 Jahren erscheinen in den 1980er Jahren im Deutschen Kunstverlag Publikationen mit Selbstzeugnissen der Königin Luise. Diese Ausgaben, die zum 200jährigen Todestag der Königin wieder als Nachdrucke vorliegen, seien denjenigen empfohlen, die sich mit dem Menschen Luise von Mecklenburg-Strelitz beschäftigen wollen. Denn trotz aller Legendbildung und Verklärung bleibt sie doch eine faszinierende, auch emotional anrührende junge Frau, die eine Epoche großer europäischer Umbrüche an herausgehobener Position miterlebte und am eigenen Leibe zu spüren bekam.
 
Tagebuch einer Reise in die Niederlande 1791
 
Das wohl früheste handschriftliche (publizierte) Zeugnis Luises dürfte das Tagebuch der 15jährigen
sein, das sie 1791 während einer Reise an den Niederrhein (nicht erhalten) und in die Niederlande für ihren Bruder Georg führte. Zwar beklagen die Herausgeber Luises mangelhaftes Französisch, das manches Übertragungsproblem verursacht, die Leser jedoch erfreuen sich an den frischen, anschaulichen Schilderungen des jungen Mädchens: die Einrichtung der besuchten Landsitze und zugehörigen Parks, die Auslagen der Modegeschäfte, die sie immer wieder anziehen, und nicht zuletzt die Reisestrapazen, die sie durchaus von der komischen Seite zu nehmen weiß. Einer der Reisewagen war so unglücklich konstruiert, daß alle „die Beine bis zur Nase hochheben mußten, um auf die hinteren Sitze zu gelangen.“ Von den schrecklichen Stößen, verursacht durch miserable Straßen, ist Luises „linke Seite ganz blau, grau und schwarz“. (S. 40)
Mit dem schmalen Bändchen ist dem Verlag eine allerliebste kleine Ausgabe gelungen, die 1987 erstmals erschien. Zeitgenössische Stiche von Landschaften und Orten der Reiseroute sowie ein Faksimile des handschriftlichen Originals machen den Text anschaulich, ein ausführlicher Anmerkungsapparat gibt erläuternde Informationen.
 
Briefe und Aufzeichnungen 1786 – 1810
 
Nach wie vor gültig und für die historische Forschung unverzichtbar ist die von Malve Gräfin Rothkirch herausgegebene Auswahl von Briefen und Aufzeichnungen der Königin. Das  Werk erschien erstmalig 1985, wurde 1995 nachgedruckt und liegt nun wieder als Sonderausgabe vor.
Die Sammlung beginnt mit einem kurzen Gruß der Zehnjährigen an den Bruder Georg vom Sommer 1786, sie endet mit einem kurzen französischen Gedicht für den Vater vom 28. Juni 1810; nur kurze Zeit später stirbt Luise an einer Lungenentzündung.
Erschlossen werden die Texte durch ein ausführliches Quellenverzeichnis, ein Literaturverzeichnis - der neueste Titel stammt von 1978 - sowie ein Personenregister. In der Einleitung führt  Hartmut Boockmann den Leser in die Zeit Königin Luises ein, und die Herausgeberin legt Rechenschaft über ihre editorischen Entscheidungen ab. Die Quellenlage wird beschrieben und die Aufbewahrungsorte der Dokumente - mit Stand von 1982 - genannt. Darunter leider immer noch das „Zentrale Staatsarchiv der DDR“ in Merseburg, wo tatsächlich ein Teil des Brandenburgisch-Preußischen Hausarchivs lagerte. Seit 1993/94 aber sind die Merseburger Bestände wieder im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem vorhanden. (http://www.gsta.spk-berlin.de/geschichte_und_gegenwart_431.html ) Möglicherweise konnten sie für den Nachdruck von 1995 noch nicht wieder benutzt werden, aber nun, 15 Jahre später, hätte wenigstens die Standortangabe überprüft und im Text (S. XIX) korrigiert werden können.
Vielleicht erging es der Herausgeberin seinerzeit wie vielen anderen westlichen Historikern, denen der Einblick in die Merseburger  Archivalien von DDR-Behörden verwehrt wurde. Wäre es aber heute, da die Bestände wieder zugänglich sind, nicht eine lohnende Aufgabe, diese auf noch unbekannte Selbstzeugnisse der Königin Luise durchzusehen?

Paretzer Skizzenbuch

Ergänzend zu Tagebuch und Briefsammlung legt der Deutsche Kunstverlag zum Gedenkjahr das “Paretzer Skizzenbuch“ in 2. durchgesehner Auflage vor (die 1. Aufl. erschien 2000).
1797 wurde dem Baumeister David Gilly (1748-1808) „das beneidenswerthe Geschäft zu Theil, die Errichtung des Landhauses zu Parez auszuführen, und hiebei unsern innig geliebten Monarchen zu umgeben.“ (S.7)
Anders als bei den preußischen Königen üblich, wählen Friedrich Wilhelm und Luise ihren Sommersitz nicht in Potsdam oder seiner direkten Umgebung, sondern im sehr ländlichen ca. 20 km von Potsdam entfernten Paretz. Der Herausgeber Hans-Joachim Giersberg vermutet (S. 8) hinter dieser Wahl vor allem den Wunsch der Königin, im Sommer möglichst ungezwungen leben und der steifen Hofetikette entfliehen zu können. Im Auftrag des Königs (und der Königin?) schafft Gilly gemäß seinen Grundsätzen der Zivilbaukunst nicht nur ein dauerhaftes, bequemes und schönes Landhaus sondern gestaltet das ganze Dorf zu einem Gesamtkunstwerk um: Bauernhöfe, Schmiede, Gasthof und Kirche - alles wird nach den Prinzipien der Einfachheit und Nützlichkeit neu erschaffen. Um 1800 gilt Paretz als Musterbeispiel preußischer Landbaukunst.
Nach Entwurfsskizzen fertigen verschiedene Zeichner, die wohl im Umfeld der Bauausführungen zu suchen sind, Reinzeichnungen aller Gebäudepläne an, die vom Hauptverantwortlichen für die Bauplanungen, Oberhofmarschall Valentin von Massow (1752-1817) aufbewahrt werden. 1811 überreicht dieser sie, gesammelt in einem repräsentativen Schuber und mit ausführlicher  Dedikation versehen, seinem König.
Die Zeichnungen überdauern unbeschädigt, ein wahrer Glücksfall für die nach 1990 in Paretz beginnenden Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten, denn das „Paretzer Skizzenbuch“ dient „bei allen denkmalpflegerischen Aktivitäten als wichtige Grundlage und verläßliche Quelle ohne die manche Maßnahme nicht möglich gewesen wäre.“ (S. 5) Lesern und Besuchern des heutigen Paretz kann das wunderbare Werk „viel Freude beim Eintauchen in eine (fast) vergangene Zeit“ bereiten, „auf deren Spuren es sich in Paretz wieder prächtig wandeln läßt.“ (S. 5)

 

Literatur:
Günter de Bruyn: Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende. – Berlin: Berliner Taschenbuchverl. 2002. 142 S. ISBN 3-442-76086-0
 
Weitere Informationen unter: www.deutscherkunstverlag.de

Redaktion: Frank Becker