Ich weiß genau, was da passiert...

Kinder erklären Kunst

von Sabine Kaufmann
Ich weiß genau,
was da passiert...
 
Kinder erklären Kunst
 
„Ach, Kinder!“ – möchte man neidvoll ausrufen, angesichts der Unverstelltheit, mit der die in diesem Buch vorgestellten 22 Jungen und Mädchen im Alter zwischen fünf und sieben Jahren an Werke der Weltkunst herangehen. Daß sich die kindliche Sicht auf Gemälde von u.a. Grant Wood („American Gothic“), Hans Baldung Grien („Reiter mit Frau und der Tod“), Ernst Ludwig Kirchner („Das blaue Mädchen in der Sonne“), William Turner („The Last Journey Of The Fighting Temeraiere“), Claude Lorrain („Einschiffung der Königin von Saba“) oder auf Michelangelo Buonarottis „Die Erschaffung Adams“ nicht zwangsläufig mit der Interpretation der Kunstgeschichte deckt, macht gerade den Charme dieses Buches aus. Kinder beschreiben, was sie sehen. Sie fühlen sich noch nicht in der Pflicht, wissend hinter die Kulissen der Kunst zu schauen, die Psychologie des Künstlers und seiner historischen Welt gebildet zu durchleuchten und zu analysieren und aufzudröseln, was uns der Maler mit seinem Bild eigentlich hat sagen wollen.
 
Da ist es erfrischend zu lesen, daß Pelle (5) Caravaggios Kartenspieler für Cowboys hält, wohl erkennend, dass da beim Kartenspiel ordentlich geschummelt wird, daß Luke (5) in David Hockneys „Das Massaker und die Probleme der Darstellung“ dem Krieg beim Namen nennt und Lotta (7) durchaus Salvador Dalis Surrealismus mit den ihm innewohnenden Paradoxien erkennt. Katharinas (6) Appell an den Tierschutz trifft sich mit der sich mehr und mehr durchsetzenden Ächtung spanischer Stierkämpfe, Mathildas (6) Erläuterungen („...ganz schön dunkel!“) zu Max Beckmanns „Tod“ sind von bestechend klarer Sicht auf die Düsternis in Beckmanns Werk und Dillons (5) unverblümte Kritik an der barocken Leibesfülle von Artemisia Gentileschis „Indianerinnen“ in „Judith und ihre Magd“ ist einfach wunderbar.
 
Meine Favoriten? Da ist Maja (5), die einfühlsam die Einsamkeit des „Wanderers über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich erkennt: „Er ist nicht mehr auf der Erde und nicht im Himmel...“. und da ist Marie (6), die Fragonards „Der heimliche Kuß“ sehr genau betrachtet und neben filigranen Details auch die unglaublich dünne Taille der geküßten Prinzessin erkennt und zu Recht bemängelt. So schnürt man einen Menschen nicht ein! Und schließlich habe ich Jessica (6) ins Herz geschlossen, weil ich ihre Kokosnuß-Interpretation von Dürers „Adam und Eva“ und ihren aus der Bildbetrachtung entstandenen Appetit einfach lieben muß.
Man sollte viel öfter auf die Meinung von Kindern hören, zumal bei der Betrachtung der „ganz großen Kunst“. Dann wäre manches vielleicht einfacher, vielleicht sogar deutlicher.
 
 
Barbara Hein – „Ich weiß genau, was da passiert. Kinder erklären Kunst.“ Einleitung von Tim Sommer, 
© 2010 Belser Verlag / art Kunstmagazin, 48 S. 40 farbige Abb. 25 x 21 cm. Gb. EUR 14,95. CHF 25,50 ISBN: 978-3-7630-2570-1
 
Weitere Informationen: www.kunstbuchanzeiger.de  und www.belser-verlag.de