Das Aus für die Kleinkunst in Wuppertal?

Das Rex-Theater schließt nach 123 Jahren seine Pforten

von Martina Steimer

Pressemitteilung
5. August 2010, Wuppertal
 

Liebe Freundinnen und Freunde des Rex-Theaters,
 
manchmal muss man sich im Leben den Realitäten beugen, auch wenn es weh tut.
In unserem Fall ist es die Tatsache, dass das Rex nicht so weiter zu betreiben ist, wie wir es lange Jahre gemacht haben. Unser Anspruch war und ist es, lokalen Künstlern, Schülern und Jugendlichen kostenlos Räume, Technik, Personal und Know-How zur Verfügung zu stellen. Finanziert haben wir das mit den Gastspielen
bekannter Stars, allen Größen der Kabarett- und Comedyszene, überregional attraktiven Musikkonzerten und nicht zuletzt damit, dass wir alle in hohem Masse ehrenamtlich gearbeitet haben - von der Geschäftsführung bis zum Tresenpersonal bekamen alle Mitarbeiter ein weit unter Tarif liegendes Gehalt, der Rest wurde dadurch dazu verdient, dass jeder von uns noch einem anderem Broterwerb nachging. Keine leichte Aufgabe bei einem Theater wie dem Rex, was schon mehr als eine Vollzeitbeschäftigung ist! Aber anders ließen sich Miete, Nebenkosten, Unterhalt des Hauses und alle Veranstaltungskosten nicht finanzieren, zumal bei 300 Vorstellungen insgesamt die Zahl der Produktionen, an denen wir das Haus kostenlos zur Verfügung stellten, etwa die Hälfte ausmachte. Wir bekamen dafür von der Stadt Wuppertal einen Zuschuss von 80.000,--, der umgerechnet etwa 1,-- pro Besucher ausmachte. Dieser Zuschuss hat uns sehr geholfen und vieles erst ermöglicht. Aber wir waren immer weniger in der Lage, mit ihm die ständig steigenden Kosten aufzufangen, die ein solches Haus und eine solche Arbeit nun mal produzieren. Die technische Betreuung pro Abend kostet zwischen 150,-- und 300,-- Euro pro Techniker, die Gemalizenzen für Shows, die Musik beinhalten, zwischen 100,-- und 300,-- Euro, egal ob 20 oder 500 Besucher im Theater saßen. Eine durchgebrannte Scheinwerferbirne kostet ab 100,--, und wenn man wie wir ständig das Haus in Betrieb hat kommen da nicht wenig zusammen. Das Klavier zu stimmen, was vor jedem Konzert nötig ist, liegt ebenfalls bei knapp 100,--. Investitionen in 6-stelliger Höhe und ständig anfallende Reparaturarbeiten an Technik und Haus summieren sich. Weiterhin möchten Künstler verpflegt werden, brauchen Hotel, eventl, Fahrtkosten und hätten gerne auch eine Gage für ihre Arbeit. Ebenso wie Steuerberater, das Finanzamt, der Stromversorger, die Abfallentsorgung, die Berufsgenossenschaft, Versicherungen, Vermieter, Handwerker, Krankenkassen, Reinigungsdienste, Telefon- und Internetdienste und was noch alles anfällt. Somit ist der Anteil, der unter dem Strich beim Veranstalter, also dem Rex-Theater bleibt, nicht annähernd so hoch, wie viele angesichts eines vollen Theaters denken mögen. Unberücksichtigt der Tatsache, dass es oft ja auch gar nicht so voll ist, die Kosten aber die selben sind. Und eben die nicht kommerziellen Veranstaltungen durch die, die Überschuss machen, mitfinanziert wurden. Es gibt einen Grund, warum jeder Zuschauer in städtischen Häusern in der Regel zwischen 100,-- und 200,-- Euro bezuschusst wird - Kultur ist eben nicht zum Nulltarif zu haben!
Was nach oben genannten Abgaben noch übrig blieb, ging in die Entlohnung des Teams. Wir hatten immer das Glück, Ehrenamtliche zu haben, die Verantwortung übernahmen und dem Haus über lange Zeit treu blieben – bis heute wird unser gesamter Internetauftritt ehrenamtlich betreut, und auch einige andere Menschen, denen Sie im Haus seit langem begegnen, unterstützen die Arbeit stundenweise durch ihr nicht berechnetes Engagement. Dennoch braucht man Personal, um zwei Säle, die 300 mal im Jahr Aufführungen anbieten, Proben und Aufbauten zu betreuen. Um es in Zahlen auszudrücken: Bei einem Umsatz von rund einer Million im Jahr blieben etwa 5 % übrig, die in die Entlohnung aller Mitarbeiter und Betreiber fließen konnten! Nicht gerade üppig für eines der führenden Kabaretttheater Deutschlands mit überregionaler Strahlkraft, aber den hohen Fixkosten geschuldet, die ein solches Haus, welches privat betrieben wird, nun mal hat.
Jetzt ist das Rex-Theater an einem Scheideweg. Wie Sie wissen, soll erstmalig seit unserer Übernahme des Hauses vor fast 13 Jahren dort renoviert werden. Die lange überfälligen Toiletten stehen auf der Erneuerungsliste, die durchgesessene Bestuhlung ( 1 Million Besucher in 12 Jahren hinterlässt nunmal Spuren!) eine Garderobe für das Publikum und eine Auffrischung des Gebäudes. Die Vermieter des Rex sind bereit, die Weiterführung des Hauses durch diese Massnahmen zu unterstützen. Und wir stehen vor der Entscheidung, ob wir unsere Arbeit, die seit Jahren unter den o.g, immer schwieriger werdenden Bedingungen läuft (jeder von Ihnen weiß, wie sehr Ihre Strom- und Heizungskosten in den letzten Jahren gestiegen sind - multiplizieren Sie dies mit unseren Kubikmetern umbauten Raumes, und Sie haben eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich unsere finanzielle Belastung in den letzten Jahren erhöht hat!) überhaupt noch verantwortungsvoll fortsetzen können. Denn die geplanten Massnahmen sind eine wunderbare Verbesserung des Besucherkomforts, ändern aber nichts an den Einnahmemöglichkeiten des Hauses. Die würden sich erst verbessern, wenn es eine flexible Bestuhlung und die Möglichkeit gäbe, Kongresse und Feste im großen Saal durchzuführen. Und die Flächen für die Gastronomie zu vergrößern. Aber das ist für uns unbezahlbar, solche Umbauten vorzunehmen.
Wir haben 13 Jahre für das Haus gekämpft. Wir haben viele bekannte Künstler Deutschlands und nicht wenige aus dem Ausland bei uns zu Gast gehabt, wir hatten eine Million Besucher und fast 4.000 Vorstellungen.
Wir haben legendäre Premieren bei uns präsentiert, von den Mitternachtsspitzen bis Cindy aus Marzahn haben viele große Stars ihre Erstaufführungen bei uns gezeigt. Bei uns konnten Sie Künstler von Mario Barth bis Rene Marik, von Kurt Krömer bis Urban Priol und unzählige andere auf ihrem Weg vom kleinen in den großen Saal und dann in eine kometenhafte Karriere verfolgen, es gab so unglaublich viele berührende, berauschende und bewegende Momente, die wir Ihnen präsentiert haben. Wir haben die Arbeit und das Haus, das mit seiner faszinierenden 123jährigen Geschichte ein bedeutendes Stück Wuppertal ist, über alles geliebt und deshalb alles getan, um es zu erhalten. Aber die Aussichten, dies weiterhin garantieren zu können, sind realistisch betrachtet selbst bei weiterer Drosselung unserer eigenen Ansprüche mehr als gering. Die Situation der Stadt Wuppertal tut ein übriges dazu.
In einer Zeit, wo es für jede "freiwillige" Leistung ums Überleben geht, wo man nicht weiß, ob man mehr Entsetzen entwickeln soll angesichts wachsender Kinderarmut, Obdachlosigkeit, sozialer Verwahrlosung oder einer mit all diesen Problemen überforderten Politik, haben wir uns lange bemüht, unseren Anteil am sozialen und kulturellen Leben der Stadt Wuppertal, unserer Heimatstadt, zu leisten. Wir hatten wunderbare Unterstützer, die uns dies in den Anfangstagen überhaupt erst ermöglicht haben - ich möchte exemplarisch für alle den großartigen Herrn Hartmut Schuler, Herrn Dr. Harald Rinke und Herrn Dieter Becker nennen, denen mein ewiger Dank gilt.
Aber wir müssen uns den Realitäten stellen, und die sind, dass dieses Haus nicht mehr so zu betreiben ist, wie es unser Wunsch ist. Wir alle, die das Team stellen, möchten nicht kommerzieller werden, wir möchten unser sozial-kulturelles Engagement nicht gegen den immer größeren Zwang, steigende Strom- und Gemakosten zu begleichen, eintauschen.
Und deshalb ziehen wir die Konsequenz und stellen die Arbeit im Rex-Theater ein.
Wir danken allen Besuchern, Künstlern, Unterstützern , die uns über die Jahre begleitet haben. Wir wünschen uns sehr, dass dem Haus eine tragfähige Perspektive gegeben wird und es in seiner städtebaulichen und historischen Bedeutung erhalten bleibt. Dafür haben wir 13 Jahre gearbeitet.
 
Herzlichst
Martina Steimer
und das Team vom Rex-Theater


(vollständige Übernahme des vom Rex-Theater übermittelten
Pressetextes)