Der erotische Pepys

Ausgewählt von Helmut Krausser - nachgelesen

von Frank Becker
Ein Sittenbild des 17. Jahrhunderts

Die Tagebücher des englischen Ministerialbeamten Samuel Pepys - sprich: Pieps - (1633-1703),
Staatssekretär im englischen Marineamt, Präsident der Royal Society und Abgeordneter des englischen Unterhauses, der 1660-1669 Tag für Tag akribische Aufzeichnungen über sein Leben und das Englands, seiner Kultur, seiner Kriege und seiner politischen Verhältnisse machte, sind eines der hervorragendsten Zeitzeugnisse des 17. Jahrhunderts. Er beschreibt den großen Brand Londons, die verheerende Pest, den Seekrieg gegen Holland, aber auch seine fast täglichen Theater-Besuche und seine amourösen Abenteuer. Verschiedene Auswahl-Ausgaben, so u.a. bei Reclam oder bei Insel erschienen, geben je nach der Intention des Herausgebers Facetten dessen preis, was ihm im Leben dieses außergewöhnlichen Mannes wichtig erschien.

Oft wurde und wird über die erotischen Obsessionen Samuel Pepys´ berichtet, der seine Tagebücher sicher auch aus diesem Grunde, als Chronist der Restaurationszeit vermutlich aber eher aus politischen Erwägungen in einer Geheimschrift verfaßte, die erst mehr als 100 Jahre nach seinem Tod entschlüsselt wurde.
Wirklich aufregend sind seine Berichte über die Pest und das Großfeuer in London, aufschlußreich die über die politischen Verhältnisse und Intrigen, über die Theaterlandschaft Londons um 1660, 45 Jahre nach Shakespeares Tod. Rezipiert wird aber mit diebischem Vergnügen besonders gerne, was der Schürzenjäger und Verführer neben seiner Ehefrau mit Dienstmädchen, Frauen von Kollegen und Freunden und all den anderen Liebschaften und Hürchen erlebt und in aller Offenheit (na ja, mitunter wiederum fremdsprachig verschlüsselt) aufgeschrieben hat.

Helmut Krausser hat für Eichborn eine Auswahl aus 4000 Manuskriptseiten getroffen, die sich trotz des plakativen Titels "Der erotische Pepys" glücklicherweise nicht ganz auf das Schnuppern unter den Röcken der englischen Dämchen beschränkt. Im Gegenlesen mit anderen Ausgaben ist der hübsch gemachte  Band eine willkommene, mehr als
marginale Ergänzung, zumal die Übersetzung von Georg Deggerich recht gefällig ist. Und was Krausser in seinem Nachwort beschwört, tritt tatsächlich ein: jetzt möchte man noch einmal die Gesamtausgabe lesen.

Beispielbild


Der erotische Pepys
ausgewählt von Hemut Krausser

© 2007 Eichborn Frankfurt

238 Seiten, Leinen mit Lesebändchen
mit Erläuterungen und Namensverzeichnis
19,90 €

Weitere Informationen unter:
www.eichborn.de