Sind Sie ein Spieler?

von Hanns Dieter Hüsch

© André Poloczek / Archiv Musenblätter
Sind Sie ein Spieler?


Ich weiß ja nicht, ob Sie ein Spieler sind. Sind Sie ein Spieler? Ich meine, das ist sicher bei jedem Menschen anders. Auch schon von der Veranlagung her, also wol­len wir sagen: erblich. Mein Vater zum Beispiel hat schon mal Skat gespielt. Aber sonst auf einer Spiel­bank, nix. Wo sie sich alle am Schluß erschießen, also Dostojewskij und so, das konnte sich mein Vater gar nicht leisten. Da wäre der schnell ruiniert gewesen. Auch seelisch, sagen wir mal. Ich weiß überhaupt nicht, wie das mit dem Spielen geht. So mit 1-3-7-13­-21-passe und so rieng ne wa plüß. Ich habe dazu auch gar keinen Hang. Obwohl wir Deutschen ein Volk von Spielern sind. Leider kein spielerisches Volle Aber sonst, mein lieber Mann, wenn der Deutsche eine Tüte Zwieback gewinnen kann, ist er dabei! Das ist doch schon seit Jahren so. Überall wird gespielt, weil der Deutsche sich sonst zu Tode langweilt. Der kann nix mit sich anfangen. 37 Prozent aller erwachsenen Deut­schen haben sich in der letzten Woche mindestens ein­mal gelangweilt, und innerhalb von vier Wochen haben sich viele gleich zweimal gelangweilt. Da kommt eine neue Krankheit auf uns zu. Und dann kommt ein Frei­zeitberater ins Haus und verschreibt auf Kranken­schein: mal ein Buch lesen, mal in die Natur gehen, ein bißchen Sport treiben, oder sich weiterbilden, oder mal „Mensch ärgere dich nicht“ spielen. Aber das ist den Deutschen dann doch zu kindisch, da gehen sie lieber gleich in eine Spielhalle, ist ja an jeder Ecke eine. Diese Apparate! Die Männer stehen davor, drücken auf zig Knöpfe oder auch nicht, und dann hört man immer ting, tang, tang, teng, ldick, klack, kluck. Und dann ist wieder Stille und dann wieder ratter, ratter, ratter. Und dann ist wieder nischt. Oder ting, tang, tang, klack, ting, tang, tang, klack, und dann springt immer so ein Licht hin und her und von oben nach unten, und die Männer stehen davor, wie vor einem tibetanischen Kloster, wo gleich der Dalai Lama raus springt und Kuckuck ruft. Und manchmal, aber selten, macht es auch ratter, ratter, ratter, klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack... und dann kommen tausend Geld­stücke unten raus. Aber meinen Sie, der Mann geht jetzt nach Haus und kauft seiner Frau einen Blumen­strauß? Nix. Der fängt wieder von vorne an. Ting, tang tang, teng, klack, ldick, und das Licht rast wieder hin und her, und der Mann beißt höchstens mal in sein Würstchen. In Köln am Bahnhof, wo es die besten Würstchen der Welt gibt, da hängen gleich zwei Auto­maten in dem Imbiß. Ting, tang, teng, tang. Also davon habe ich keine Ahnung. Dann drückt der Mann ganz plötzlich 'auf einen Knopf, und das Licht saust wieder andersrum, und alles fängt wieder von vorne an. Auch von den Bankautomaten, wo man draußen mit einer Karte Geld abheben kann, verstehe ich nichts. Da hört man immer eine Stimme: „Bitte entnehmen Sie Ihr Geld!“ Schon diese Stimme würde mich total verunsi­chern. Außerdem müßte es bei mir auch richtig heißen: „Bitte entnehmen Sie unser Geld“, denn man ist ja ständig in den Miesen. Sie sehen, ich bin kein Spieler.
 
 

© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Es kommt immer was dazwischen" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung