Ein Jüngling küßte ein Mädchen...

Düsseldorfer Schauspielhaus „Romeo und Julia“ von William Shakespeare

von Antje van Bürck
 
“Für den Liebenden ist der Tod eine Brautnacht.”
(Novalis)
 
Düsseldorfer Schauspielhaus
„Romeo und Julia“ von William Shakespeare
 
Regie: Michael Talke - Bühne: Hugo Gretler - Kostüme: Tina Kloempken – Musik: Frank Böhle
Mit: Andreas Bichler, Gunther Eckes, Moritz Führmann, Matthias Fuhrmeister, Angelika Fornell, Steffen Gräbner, Marian Kindermann, Karin Pfammatter, Viola Pobitschka, Michael Schütz, Thiemo Schwarz, Pierre Siegenthaler, Milian Zerzawy
 
 
“Two households, both alike in dignity,
In fair Verona, where we lay our scene.”
 
Die alte und immer wieder neue Geschichte

D
ie Bühne des Düsseldorfer Hauses ist noch durch einen Vorhang verborgen, auf dem wir Engel schweben sehen und die Worte „HOPE  DREAMS  YOU“ lesen, die später durchgestrichen sein werden. Zwei Figuren, ein Mönch (Michael Schütz) und eine Frau mit einem XXL-großen Busen (Karin Pfammatter), beide mit Totenkopfmaske, führen zweisprachig in den Abend ein. Der Vorhang hebt sich. Wir sehen eine Rundbühne, die mit ihrer zum Publikum offenen Wand entfernt an das Globe-Theater erinnert. Auf der Bühne stehen drei schwarze Limousinen mit Veroneser Kennzeichen. Eine große Leinwand mit dem Schriftzug „She walks in beauty like the night“ ist oben quer über die Spielfläche gespannt. Auftritt der jungen Wilden der verfeindeten Häuser Capulet und Montague, in Silberblousons und weißen Hosen die einen (Capulets), im schwarzen Teenager-Outfit die anderen (Montagues). Aggression und Gewalt liegen in der Luft und entladen sich in Prügeleien der verfeindeten Parteien. Die Szene erinnert an die berühmte Verfilmung - doch dem steht nichts entgegen.
 
Mit Elekronik und Choreographie á jour gebracht

Regisseur Michael Talke, 1965 in Mainz geboren, inszenierte am Düsseldorfer Schauspielhaus „Die Buddenbrooks“ nach Thomas Mann und Schillers „Don Karlos“. Den „Romeo und Julia“-Stoff versetzt er ins Heute. Videos, gut ausgewählte Musikeinspielungen und eine äußerst gelungene Choreographie machen die Inszenierung schwungvoll und sehr lebendig, ohne den Kern der Geschichte aus dem Auge zu verlieren. Schlegels Übersetzung wird dann und wann durch Wendungen aus der aktuellen Jugendsprache ergänzt.
Wenn in der berühmten Szene nach Romeos und Julias erster Liebesnacht, welche die beiden auf der Motorhaube eines der schnittigen Autos verbracht haben, sich die heimlich Vermählten selbst auf der Leinwand bei ihren Umarmungen zusehen - fast meint man, einen Ausschnitt aus einem Film zu sehen - , so tut das dem innigen Gefühl, das wir vermittelt bekommen, keinen Abbruch. Beim ersten Kuß des Paares fliegen tausend bunte Schmetterlinge in einer Projektion über die Bühne. Wann immer der Prinz von Verona (Pierre Siegenthaler) ein Machtwort zu sprechen hat, sehen wir ihn übergroß auf der Leinwand. Der Einsatz dieser Medien unterstützt bei Talkes frische Inszenierung oft die fast kitschig-emotionale Seite - aber warum nicht, gerade bei diesem Werk? - und setzt neue Akzente.

Shakespeare durch und durch

Das Todesmotiv der Einführung wird bei dem großen Maskenball im Hause Capulet, auf dem sich Romeo und Julia kennen und lieben lernen, aufgegriffen und als Kontrastfolie zur Lebenslust verwendet, tragen hier doch alle Gäste Totenmasken. Die jungen Leute aus dem Clan der Montagues - ein hinreißender, übermütiger Mercutio (Moritz Führmann) und sein ebenso wagemutiger Freund Benvolio (Gunther Eckes) werfen sich, jederzeit zu allem bereit, in das Getümmel. Hier treffen sie auf Tybalt (Thiemo Schwarz). Es kommt zum Kampf mit Autoantennen, dem bekannten tragischen Tod Mercutios und der verzweifelten Rache Romeos, der Tybalt erschießt. Tod und überbordende Lebens- und Liebeslust liegen nah beieinander, ganz, wie Shakespeare es geschrieben hat. Milan Zerzawy ist ein mitreißender, unheimlich agiler Romeo, dem man die stürmischen Gefühle einfach glauben muß. Viola Pobitschlkas Julia - in grauem Faltenrock, weißer Bluse und karierter Krawatte an ein englisches Schulmädchen erinnernd - gewinnt im Laufe des Abends immer mehr an Kontur. Karin Pfammatter, die erst drei Wochen vor der Premiere die Rolle der Amme übernahm, glänzt als koboldartige, clevere Kupplerin, die mit Witz und Ironie den Liebenden immer wieder hilft. Michael Schütz gibt einen trockenen Pater Lorenzo, der die jungen Leute heimlich vermählt.

Konsequenter Strich

Die sicherlich sehr moderne Produktion überzeugt durch Schwung, Tempo und Witz, wobei Talke nie die bewegende Liebesgeschichte aus den Augen verliert. Die Inszenierung endet mit dem gemeinsamen Tod Romeos und Julias, denn hier kürzte Talke den Text stark, indem er die Versöhnung der beiden Adelshäuser strich - vielleicht konsequent für eine in die Gegenwart verlegte Adaption des Stoffs.
Ein im besten Sinne unterhaltsamer Abend mit hervorragenden Schauspielern. Viel Applaus für Ensemble und Regie.
 
Weitere Informationen unter: www.duesseldorfer-schauspielhaus.de