Ostalgie mit Gänsehaut

"Soldaten sind vorbeimarschiert" - Lieder der DDR-Truppen

von Robert Sernatini
Wir tragen die roten Spiegel...

Eine Dreiviertelstunde Ostalgie mit dem penetranten Odeur eines völlig vernagelten, der UdSSR hündisch ergebenen Systems namens DDR. Wer sich noch an die Blut- und Boden-Propaganda der Nazis erinnert, wird erschreckt zurückfahren - das paßt ja wie der Arsch auf den Eimer! Hier hat sich in militärischen Liedern manifestiert, daß man im Ostteil Deutschlands unter der Regie der Sowjets 1945
offenbar lediglich die Fahne mit dem Hakenkreuz eingeholt und durch die schwarz-rot-goldene Spalterflagge mit dem Symbol des Arbeiter- und Bauernstaates ersetzt hat. Was blieb waren die totale staatliche Kontrolle wie im dritten Reich, preußischer Militarismus bis auf die Knochen (spätestens mit der Einführung des Stechschritts bei der NVA war jeder Zweifel ausgeschlossen) und ekelhafter Pathos, dokumentiert in den Liedern einer CD, die ich Ihnen heute mit gebührender Distanz vorstellen möchte.

Wer in Westdeutschland groß geworden ist, weiß, daß dort in den 50er und 60er Jahren die Hysterie geschürt wurde, daß die Militärmaschine der Russen
und der DDR, die damals noch mit Gänsefüßchen geschrieben werden mußte, nichts anderes vorhabe, als die Bundesrepublik, die noch nicht BRD geschrieben werden durfte, zu überfallen. Die gleichen Ängste wurden im Osten Deutschlands sorgsam gepflegt, indem die Regierung der DDR, die damals im Westen noch SBZ (Sowjetisch besetzte Zone) oder ganz einfach Ostzone hieß, vor der stetigen Gefahr eines Angriffs des Klassenfeindes aus dem Westen warnte. Daß die einen und die anderen nichts anderes als Deutsche waren, die nach zwei Weltkriegen die Schnauze voll hatten, wurde geflissentlich ignoriert - da wie dort.

Also wurden im Westen unter Adenauer/Blank und im Osten unter Ulbricht/Hoffmann Armeen aus dem verbrannten deutschen Boden gestampft, die sich nun zitternd vor Angst gegenüberstanden. Und was tut einer, der Angst hat (z.B. im Keller oder im dunklen Wald)? Er singt. Laut. Also sangen die im Westen vom Westerwald und vom Heller und Batzen wie eh und je, denn man durfte auf den Liederschatz der Wehrmacht zurückgreifen, mal abgesehen vom Horst Wessel-Lied, dem Badenweiler-Marsch und gewissen, in den Köpfen alter Kämpfer weiter spukenden Angriffs-Hymnen wie "Wir fahren gegen Engelland", dem "Panzerlied" u.a.m. Neue Lieder zur Motivation brauchten nicht erfunden zu werden. Wer der neuen Wehrmacht (West), pardon: der Bundeswehr beitrat, stand auf "bewährtem" Boden.

Anders im Osten. Dort mußte man sich zwar äußerlich von der politischen Vergangenheit entschieden distanzieren, doch im Inneren stand hie wie da früheren Wehrmachtsoffiziere und alte Nazis im gewendeten Militärgewand. Nur die politischen Etagen darüber bestimmten einen Gesinnungswandel. Und so kam es, daß man im vom früheren Reich abgespaltenen, nun kommunistischen Osten auch eine eigene, neue Kultur des militärischen Motivationsgesangs einführte. Leute wie Ernst Busch, Kurt Greiner und Louis Fürnberg profitierten davon. Und weil die DDR ein reiner Militärstaat war (beileibe keine Arbeiter- und Bauern-Republik), wurden die bewaffneten Truppen des nur 17 Millionen Einwohner zählenden Staates, der nichts anderes war als ein vorgeschobener Posten, eine Kolonie der Sowjetunion, mit heroischen Liedern besungen, die man heute gar nicht mehr glauben mag.

Daß sie aber tatsächlich existierten (anders als der Sozialismus), belegt die CD "Soldaten sind vorbeimarschiert". Die muß man sich einfach anhören - viele Male - um zu verstehen, was damals zwischen den beiden sehr deutschen Staaten los war: eine von keinem Deutschen gewollte, doch von den Russen gewünschte Stimmung des Hasses und der Aufrüstung. Heute hört man sich das an und denkt: "Nun ja, ist ja nichts passiert." Hören Sie mal genau hin, dann werden Sie verstehen, daß wir von 1945 bis 1989 auf einem Pulverfaß gelebt haben. Das ist zum Glück vorbei - und Alben wie "Soldaten sind vorbeimarschiert" können ungehindert ihren Weg machen. Aber bitte, hören Sie mal genau hin: das war Sprengstoff.

Beispielbild

Soldaten sind vorbeimarschiert

Lieder des real existierenden militaristischen Sozialismus der DDR

(P) + © 2006 Barbarossa Musikverlag

Titel:
1. Unsere Panzerdivision  1:45
2. Unterwegs  2:50
3. Jungs aus Moskau und Berlin  2:53
4. Matrosenlied  2:09
5. Grün ist meine Waffenfarbe  2:01
6. Wir tragen die roten Spiegel  2:26
7. Im Januar um Mitternacht  3:26
8. Partisanen vom Amur  2:24
9. Marsch der NVA  1:31
10. Monika  1:53
11. Mein kleiner Bruder  2:40
12. Postengang  3:40
13. Soldaten singen (Medley)  3:19
14. Die Grenzkompanie  2:17
15. Augen geradeaus  1:57
16. Lieder der Partei (Medley)  5:29
17. Im Regiment nebenan  1:53
18. Marsch der Sowjetarmee

Gesamtzeit: 47:29

Weitere Informationen unter:
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