Tausende beim Protest gegen "Kultur-Kahlschlag" in Wuppertal

24-stündiger Theater-Marathon mit Beteiligung zahlreicher anderer NRW-Bühnen sowie Kundgebung gegen drohende Schließung des Schauspielhauses

von Andreas Rehnolt

Foto © Frank Becker
Mehrere tausend Menschen beim Protest
gegen "Kultur-Kahlschlag" in Wuppertal
 
24-stündiger Theater-Marathon mit Beteiligung
zahlreicher anderer NRW-Bühnen sowie Kundgebung
gegen drohende Schließung des Schauspielhauses
 
 
Wuppertal - Unter dem Motto "Theater macht reicht" haben am Wochenende in Wuppertal mehrere tausend Menschen gegen den drohenden "Kultur-Kahlschlag" in der bergischen Metropole demonstriert. Allein an einer Kundgebung vor dem von Schließungsplänen der Stadt betroffenen Schauspielhaus nahmen nach den Worten von Bühnen-Sprecherin Sonja Weber vom Sonntag gut 2.000 Personen teil. Die unter einem Haushaltssicherungskonzept stehende Stadt Wuppertal ist mit 1,8 Milliarden Euro verschuldet und plant bei ihren Bühnen bis zum Jahr 2014 jährlich alleine beim Theater Einsparungen von über zwei Millionen Euro. Nach den bisherigen Plänen soll das unter Denkmalschutz stehende Schauspielhaus künftig nicht mehr als Spielstätte zur Verfügung stehen. Das wäre nach Ansicht der Theatermacher das Ende für das Sprechtheater in Wuppertal.
 
In der Nacht von Freitag auf Samstag hatte es im Schauspielhaus, das zur Zeit nur im Foyer bespielt werden kann, einen durchweg gut besuchten 24-Stunden-Theatermarathon gegeben, an dem sich Schauspieler und Theatermacher der meisten anderen kommunalen NRW-Bühnen beteiligt hatten. Auch das Aktionsbündnis "Wuppertal wehrt sich" hatte an den Protestveranstaltungen teilgenommen. Vertreter dieses Bündnisses wandten sich gegen Streichungen oder Kürzungen der finanziellen Mittel für Feuerwehr, Büchereien oder Bibliotheken. "Kaputtgesparte Feuerwehr rettet keine Menschen mehr", hieß es. Die Stadt, die rund 80 Millionen Euro Einsparungen pro Jahr im Kommunalhaushalt anstrebt, möchte das Theatergebäude aufgeben, um die Sanierungskosten von sechs Millionen Euro einzusparen.
 
Bei der Kundgebung am Samstagnachmittag vor dem Schauspielhaus hieß es auf Transparenten und Flugblättern "Zukunft braucht Theater" oder "Wir protestieren gegen Ideenlosigkeit, Trostlosigkeit, das Kaputtsparen". Eine Gruppe von Schauspielern hielt ein Banner hoch, auf dem zu lesen war: "Wir wollen doch nur spielen." Tänzerinnen und Tänzer des international berühmten und in Wuppertal beheimateten Tanztheaters Pina Bausch zeigten sich mit dem Schauspielhaus solidarisch. Ebenso Abordnungen der Theater aus Oberhausen, Aachen, Bochum, Essen und weiteren Städten.
 
Unterdessen warnte Oberhausens Theater-Intendant Peter Carp in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift "Theater-der-Zeit" davor, daß man von politischer Seite bestimmte Städte kulturell "einfach absaufen" läßt, indem man Bildungseinrichtungen und Theater aufgibt. "Menschen leben in Gemeinden, nicht in Banken", so Carp, dessen Theater ebenfalls akut in seiner Existenz bedroht. Auf einer Podiumsdiskussion am Samstagabend in Wuppertal warnten Theater-Experten vor einer Situation wie in den USA. "Wollen wir amerikanische Verhältnisse und Gettoisierung, soll es künftig nur noch Theater in den Gemeinden der Besserverdienenden geben?" fragte einer der Zuhörer. Andere kritisierten, in Wuppertal und vielen anderen mit Nothaushalten regierten Kommunen habe man offensichtlich die "bewußt geförderte geistige Verarmung" zum Ziel.
 
Rechtzeitig zu den Protestveranstaltungen in Wuppertal hatte der Deutsche Bühnenverein mit Sitz in Köln am Wochenende erklärt, eine Theater-Schließung sei "nicht mehr rückgängig zu machen" und bedeute den Beginn des kulturellen Niedergangs einer Stadt. "Wir brauchen dringend ein finanzielles Hilfsprogramm für die Kommunen, wollen wir die finanzielle Auszehrung und einen solchen Niedergang einzelner Städte aufhalten", forderte der Direktor des Bühnenvereins, Rolf Bolwin. Der Intendant des Wuppertaler Schauspiels, Christian von Treskow wertete die Aktionen des Wochenendes und den Zuspruch so vieler kulturell engagierter Menschen aus NRW als Erfolg. Weitere publikumswirksame Veranstaltungen in der Stadt an der Wupper sollen folgen. "Nur wenn die Bürger zeigen, daß ihnen ihre Kultureinrichtungen etwas bedeuten, wird es auch möglich sein, sie zu retten", zitierte am Wochenende ein Theater-Experte aus einer Erklärung des Deutschen Kulturrates in Berlin.

Redaktion: Frank Becker