Kein Zauberspiel

A. Hesses "Der Zauberspiegel" fiel bei der Premiere durch

von D.***
Spurlos

Am 5. Januar hatte "Der Zauberspiegel",
ein modernes Zauberspiel von A. Hesse
mit der Musik von Kapellmeister Hebenstreit
im Theater in der Leopoldstadt
seine kaum beachtete Premiere



Wien
. Nestroy sagt in einem seiner Stücke: "Wenn man die Bemerkung voranschickt: ’Ich setz den Fall’, so kann man alles sagen." Der Verfasser der heutigen Piece scheint gemeint zu haben: Wenn man einem Stück den Titel "Zauberspiel" vorhängt, so kann man Alles schreiben, und wenn es auch allen dramatischen Regeln, allem Geschmacke eines gebildeten Zeitalters schnurstraks zuwider liefe. Eines Theils hat er wol nicht Unrecht, insofern er nämlich sein so gestaltetes Produkt dem Zahne der strengen Kritik entrückt zu haben vermeinte, außer deren Bereiche es in der That auch liegt, den Unwerth derlei Geschreibsels einer näher beleuchtenden Analyse zu unterziehen. Damit aber, daß die Kritik an dem was er geschrieben, schweigend vorüberzieht, entgeht der Verfasser noch keineswegs ihrer lauten Rüge, daß er es geschrieben, welche Rüge um so mehr gegründet ist, als der als Schauspieler sehr achtbare Hr. Hesse schon zu anderen Gelegenheiten ein ziemlich glückliches Dichtertalend manifestirt hat.

Warum nannte der Dichter sein Zauberspiel "modern"? Freuen wir uns vielmehr, daß solche Albernheiten, die uns, wie das heutige Stück, die Ritterfahrt eines tollkühnen Jünglings zur Befreiung einer Maid, die von einem bösen Zauberer gefangen gehalten wird, und der zu seinem Schutze einen Talisman in Gestalt eines Spiegelchens erhält, - welches Sujet, wie uns dünkt auch schon zur Pantomime verwendet ward, - längst nicht mehr modern sind, und längst untertauchte im Strom der Zeit und ihrer eigenen Wasserfülle, und rufen wir sie ja nicht wieder zu unserer Selbstqual herauf ins Leben, und wäre dies selbst nur ein heutigen Tages nicht seltenes Eintagsleben. Zwar heißt es: "Nulla regula sine exceptione" - doch genug, und Vergleiche würden hier zu weit führen.

Gespielt wurde nicht unbefriedigend. Besonders gab Hr. Fröhlich den von Liebeswahn umfangenen, schwärmerischen Eduard mit vielem Feuer, und wirksamem Vortrage einiger poesiereichen Stellen. Auch Mad. Rohrbeck, Stubenmädchen, spielte fleißig, und sang wie immer, recht singlustig. Hr. Scutta, Bedienter, war komisch, so weit Gelegenheit und Kraft reichten. Die Besetzung der jungen liebreizenden , vom Zauberer gefangenen Alma, durch Dlle. Jaritz, wollte nicht recht einleuchten.  Das Ganze, dem es übrigens an Wort- und Situationswitz, an Ausstattung und gefälliger Musik mangelt, ging vor einem sehr schwach besuchten Hause spurlos vorüber.
D.
Wien, im Jänner 1843