Alle Jahre wieder

Vorweihnachtliche Abschweifungen

von Horst Wolf Müller

Foto © Frank Becker
Alle Jahre wieder
 
 
Mertes: Wat schenkste deinem Enkelkind zu Weihnachten, Jupp?
Jet dat Krach macht und zischt und mordsmäßig rotiert, wie diese chinesischen Lichtwalzen, dat het der Jung nämlich up singe Wunschzettel geschrieben. Er wär auch inverstanden mit einem Miniatur-KKW aus Pappe, dat dann seine erste Kernschmelze erlebt und fürchterlich nach Baldrian stinkt. Oder eine neue Katze, die nit esu jämmerlich lamentiere det wie unser Friedel in der letzten Zeit, wenn er abends in den Hangar will und zu faul is, den beschwerlichen Weg übers Dach zu nehmen. Der Kevin het et nämlich gern laut um sich erüm. Drum kämen auch Sittiche in Frage, aber da hab ich stante pede protestiert. Du weeßt ja, dat se dem Tier bei Ludwig Thoma die Federn ausgerisse haben und dazu rhythmisch gebrüllt.
Man weiß bei dem Panz nie, ob da die Schadenfreude voltigiert oder ob es nur die Lust auf Geräusche ist. Als er noch jet kleiner war, so fünf oder vier, hat der Jung, wenn er wat wollt oder nicht wollt, geschrien, dat du jedacht hättst, die Eltern baun grad den Bratspieß auf, an dem er dann geröstet wird. Aber et war nur esu, dat der Jung Handschuh antrekke sollt und das lehnte er ganz elementar aff. Singe Schwester, die Julia, is zwei Jahr jünger, kann aber, wenn ihr ein wichtiges Zubehör fehlt, also beispielsweise der Nuppel, noch schlimmer auf die Tube drücken, dat du denkst, gleich kommt der Einsatzwagen mit Blaulicht oder sie hätt einen Fliegenpilz verschluckt. Beide Pänz zusammen im Duett sind eine Show fürs Sozialamt, dat kommt dann auch und die Nachbarn machen alle die Tür ein Stück weit auf und vermuten seelische Grausamkeit.
 
Die wirklichen Täter sitzen anderswo. Beispielsweise in den Chefetagen jener Produktionsstätten, wo die Streubomben hergestellt werden, die rein äußerlich aussehen wie Spielzeugraupen oder kleine Krankenautos, haben sogar noch ein rotes Kreuz auf’m Dach. Aber hütet euch. Et is alles mit Zünder versehen, selbst der kleine braune Teddybär mit seiner Halsschleife – bei Berührung puff – explodiert der ganze Driss. Dat wurde noch in der Zeit von Vietnam entwickelt, wo die Welt sich fragen sollte, welche Nation kann am brutalsten zuschlagen. Heimtücke nennt man et auch. Für die Erwachsenen Napalm und Agent Orange, für die Kids selbstbombendes Spielzeug. Und für jung und alt, für jedermann sozusagen, die Antipersonenminen. Is et nit ein schönes Wort? Jeder weiß gleich, die Dinger sorgen dafür, daß wer drauf tritt, ein Bein verliert, aber geistig frisch bleibt.
Gibb et auch Unpersonenminen? Klar, die schweren Antipanzerminen. Für Jahre soll es gedauert haben, Bosnien minenfrei zu machen und etliche Tote sind zu beklagen. Weil die Lück mit der Wünschelrute suchen müssen. Dabei gäb et ein Gerät, dat het ein deutscher Bauer entwickelt aus einem Rübenerntegerät, mit dem kriegen sie den Acker sauber, als wenn et all Rüben oder Kartoffeln wären. Und explodiert nicht dabei. Wollt der deutsche Agronom patentieren lassen und dann serienmäßig weltweit einsetzen. Abgelehnt! Dann hätten ja die großen Waffenlieferanten der Welt einen ganz riesigen Wirtschaftszweig verloren. Dat geht nit, Lück! Ihr wißt doch, Minen muß ein Volk immer haben, wenigstens solang et noch Hoffnung auf Selbstständigkeit hat. Dat dürfen Se mir mal ruhig abnehmen.
 
Oups! Jetzt bin ich aber weit vom Weg abgekumme. Und nur auf dem Weg geht man sicher.


© Horst Wolf Müller - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009