”Concordia dano-saxonica” - Sachsen und Dänemark 1548 – 1709

Eine Ausstellung in Dresden und Kopenhagen

von Friederike Hagemeyer

© Deutscher Kunstverlag
”Concordia dano-saxonica”
Sachsen und Dänemark 1548 – 1709

Eine Ausstellung in Dresden
und Kopenhagen
 

Geschichte!   staubtrocken, Jahreszahlen, altes Papier, abstrakt, langweilig!  -  Das sind die Attribute, die viele Menschen sofort mit dem Begriff Geschichte verbinden. Daß Zeugnisse der Geschichte aber auch glänzen, strahlen, schimmern, funkeln können, daß sie uns merkwürdig, eigenartig, auch fremd und exotisch erscheinen, ja, daß sie unsere Phantasie anregen können, das beweist die Ausstellung „Mit Fortuna übers Meer“, die noch bis zum 4. Januar 2010 im Dresdner Residenzschloß zu bewundern ist.
 


Vier Hochzeiten, ein Verlöbnis und ein Besuch
 
Im Abstand von nur drei Jahren war in Dänemark (1536) und Sachsen (1539) die lutherische Reformation durchgesetzt worden. Zwar stiegen beide Länder im Deutschen Reich und in Europa schnell zu führenden protestantischen Staaten auf, aber ihre Machtposition stand noch auf wackligen Füßen.
1548 wird die erste Vermählung zwischen dem dänischen Haus Oldenburg und der albertinischen Linie der sächsischen Wettiner gefeiert. Die Eheschließung zwischen Anna (1532-1585), Tochter Christians III. von Dänemark (1503 / reg.1534-1559) und August (1526 / reg. 1553-1586), Bruder des sächsischen Kurfürsten Moritz, später dessen Nachfolger, kommt beiden Seiten sehr gelegen. Dänemark, protestantische Großmacht im Norden und Beherrscherin der Ostseezugänge, gewinnt in diesem Jahr das Herzogtum Holstein hinzu; das Königreich ist damit stärker als bisher in die deutsche Reichspolitik involviert. Da kann es nur hilfreich sein, einen bedeutenden protestantischen und in der Reichspolitik erfahrenen Verbündeten zu haben wie den Kurfürsten von Sachsen. Dieser hingegen hatte die Kurwürde erst seit einem Jahr inne; enge familiäre Beziehungen zum dänischen König bedeuten Prestigegewinn und Machtsicherung. Entsprechend wird in Torgau die Hochzeit mit vielen einzelnen Festen und großem Pomp inszeniert. Etwa hundertsechzig Jahre lang werden die beiden Dynastien eng miteinander verbunden bleiben.
 
1602, nicht ganz sechzig Jahre später, findet in Dresden die nächste sächsisch-dänische Hochzeit statt. Kurfürst Christian II. (1583 / reg.1591/1601-1611) ehelicht die dänische Königstochte Hedwig (1581-1641). Ihr Vater ist Frederik II. (1534 / reg.1559-1588). Diese Vermählung findet ausnahmsweise in für beide Staaten politisch relativ ruhigen Zeiten statt.
 
Die dritte Hochzeit dagegen wird 1634 mitten im Dreißigjährigen Krieg gefeiert. Der dänische Kronprinz Christian (1603-1647), Sohn Christians IV. (1577 / reg.1588-1648), nimmt Magdalena Sibylla (1617-1668), Tochter des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. (1585 / reg. 1611-1656) zur Frau. Beide Länder haben sehr unter den Kriegswirren zu leiden. Christian IV. hatte einige Jahre zuvor eine bittere Niederlage gegen die kaiserlichen Truppen unter Tilly und Wallenstein hinnehmen müssen und Sachsen war von durchziehenden kaiserlichen und schwedischen Milizen verwüstet worden, nun ein hungernder und entvölkerter Landstrich. In krassem Gegensatz zur Situation der Bevölkerung stehen die Festlichkeiten zur Vermählung des königlichen Paares in Kopenhagen. Mit unglaublichem Pomp wird eine öffentlichkeitswirksame Inszenierung veranstaltet, die den anderen europäischen Mächten beweisen soll, daß mit Dänemark und Sachsen noch weiterhin zu rechnen sein wird.

Zur letzten dänisch-sächsischen Hochzeit kommt es 1666. Anna Sophia (1647-1717), Tochter des Dänenkönigs Frederik III. (1609 / reg.1648 -1670), heiratet Kurprinz Johann Georg, den späteren Johann Georg III. (1647 / reg. 1680-1691). Dänemark hat seit den letzten großen Kopenhagener Festivitäten seine gesamten schwedischen Besitzungen und damit die Herrschaft über den Öresund verloren. Das bedeutet große finanzielle Einbußen, denn der Sundzoll war eine der wichtigsten Einnahmequellen des Königreiches. Im Innern war es Frederik III. dagegen 1660 gelungen, die Macht des Adels mit einem Staatsstreich auszuschalten und die Erbmonarchie durchzusetzen. Die „Lex regia“ (dän. „Kongeloven“, das Königsgesetz) von 1665 sicherte die absolutistische Regierungsform rechtlich ab.
 
Meist waren es die weiblichen Mitglieder der Herrscherfamilien, von denen die Initiative zur Eheanbahnung ausging. Auch Anna Sophia versuchte, die Bindungen zwischen ihrer eigenen und der Familie ihres Mannes weiter zu festigen. Ihr erster Sohn, Kurprinz Johann Georg, später Johann Georg IV. (1668 / reg. 1691-1694). sollte die dänische Prinzessin Sophie Hedwig  (1666-1735) heiraten. Die Verhandlungen über den Ehevertrag begannen Ende der 1680er Jahre und waren 1691 abgeschlossen. Da starb Johann Georg III., der Vater des Kurprinzen, und sein Sohn übernahm die Herrschaft. Er hatte nichts Eiligeres zu tun, als die Verlobung wieder zu lösen.  Über die Gründe erfahren wir nichts.
 
Die guten verwandtschaftlich-freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Kopenhagener und dem Dresdener Hof scheinen dadurch kaum beeinträchtigt worden zu sein, denn als Frederik IV. (1671 / reg. 1699-1730) auf der Rückreise von Italien einen Zwischenstop in Dresden bei seinem Vetter August dem Starken, Kurfürst von Sachsen und König von Polen (1670 / reg. 1694 / 1697-1730) einlegt, nutzt dieser die Gelegenheit zu einmonatigen Festlichkeiten, an deren Planung er selber maßgeblich beteiligt ist. Viel war seit Regierungsantritt der beiden gleichaltrigen Vettern geschehen. Friedrich August I. Kurfürst von Sachsen seit 1694, war seit 1697 und seinem Übertritt zum Katholizismus zugleich König August II. von Polen und Litauen geworden. Als neuer polnischer Herrscher verfolgte er das ambitionierte Ziel, das Herrschaftsgebiet der osteuropäischen Großmacht wieder herzustellen. 1700 marschierte er in Livland ein und löste damit den Großen Nordischen Krieg gegen Karl XII. von Schweden (1682 / reg. 1697-1718) aus. Auch Frederik IV. träumte davon, die früheren schwedischen Besitzungen für Dänemark zurückzugewinnen; er ließ sich ebenfalls in den Krieg hineinziehen. Als sich die beiden königlichen Cousins 1709 in Dresden wiedersehen, hatten sich ihre hochfliegenden Pläne zerschlagen. Frederik hatte nach einem Angriff Karls XII. auf Kopenhagen früh aus dem Krieg ausscheiden müssen und August seine polnische Krone eingebüßt. Er wollte nun seinen dänischen Verwandten für ein neues Militärbündnis gegen Schweden gewinnen. Die Dresdner Festivitäten aus Anlaß des königlich-dänischen Besuchers waren ganz darauf abgestellt, den politischen Mitspielern auf der europäischen Bühne Eindruck zu machen. Der Dänenkönig läßt sich auf ein neues Bündnis mit August ein. Nur wenig später gewinnt dieser seine polnisch-litauische Königskrone zurück.
Nach 1709 kommt es zu keinen weiteren dänisch-sächsischen Eheschließungen mehr, dem steht die katholische Konfession der Sachsen entgegen. Dennoch bleiben die Beziehungen zwischen den Dynastien weiterhin auf lange Zeit freundschaftlich.
 
Kunstschätze aus Kopenhagen und Dresden
 
Heute, im Jahr 2009, liegt der Besuch Frederiks IV. in Dresden genau 300 Jahre zurück, ein willkommener Anlaß, die dänischen und sächsischen Schatzkammern zu öffnen und auf die 160 Jahre währenden engen freundschaftlichen und familiären Beziehungen zurückzublicken.
Und wahrhaftig, was da an Kunstschätzen zutage gekommen ist, kann einem den Atem rauben. Es funkelt und blitzt von Gold und Edelsteinen, von Prunkwaffen und –rüstungen, Gemälde mit den Porträts der Herrscherpaare sind zu betrachten, ihre Kleidungsstücke aus Samt und Seide, durchwirkt von Gold- und Silberfäden, Gebrauchs- und Präsentationsgegenstände, Tafelgeschirre und Bestecke sowie mit Gold und Edelsteinen verzierte exotische Sammlerstücke - und zugleich zeugen alle von handwerklichen und künstlerischen Höchstleistungen ihrer Zeit.
Die ausgestellten Gegenstände sind z.T. mitgebrachte Erinnerungsstücke, Geschenke an Ehepartner und Kinder, Erbstücke aber auch offizielle diplomatische Präsente. Und nicht zuletzt sind es Sammlerstücke, mit denen die Renaissance- und Barockfürsten hochgestellten Besuchern imponieren wollten. Einige Beispiele seien hier vorgestellt.
 
Königliche Prunkgeschenke

Kurfürst August, ganz Kind seiner Zeit, hatte eine große Vorliebe für sinnreiche mechanische Erfindungen. In handwerklicher Vollendung zwischen 1581 und 1593 ausgeführt, ist ein Hodometer, ein Wegmesser, anzuschauen; an einen Wagen montiert  maß es nicht nur die zurückgelegte Wegstrecke in Ellen, Quartmeilen und Meilen, sondern durch die raffinierte Koppelung mit einem Kompaß zeichnete es auch die Fahrtrichtung auf. (Katalog S. 129, I.62)
Ein Paar roter feiner Samtpantöffelchen ziehen die Blicke auf sich; Hedwig, die dänische Prinzessin, trug sie 1602 zu ihrer Hochzeit mit dem sächsischen Kurfürsten Christian II. Aus Silberfäden, die die Farbe weiß symbolisieren, sind die ineinander verschlungenen Monogramme C und H auf das Schuhblatt gestickt. Darüber schwebt unübersehbar eine Krone, deutlicher Hinweis auf die ranghöhere Herkunft der Braut.
Narwalzahn, lange für das Horn des sagenumwobenen Einhorns gehalten, galt in Renaissance und Barock als begehrte Kostbarkeit. Damit konnten die dänischen Herrscher bei ihren Gästen Eindruck machen. In der Ausstellung ist ein Becher aus diesem Material zu sehen (Katalog S. 216, IV.5), der vermutlich 1663 zur Verlobung Anna Sophias mit Kurprinz Johann Georg (II.) in Auftrag gegeben wurde. Als Deckelknauf dient die Figur eines Grönländers aus emailliertem Kupfer. Vorbild waren vermutlich einige unglückliche Grönländer, die 1654 nach Kopenhagen gebracht worden waren, dort aber bald starben. Der Künstler war mit den fremden Trachten wohl nicht recht vertraut; zwar ist die dargestellte Figur ein Mann mit Pfeil und Bogen und einem Narwalzahn in der Hand, seine Kleidung aber ist die einer Frau.
Als exotische Kostbarkeit galten auch die weißen grönländischen Gerfalken, die für die Falknerei abgerichtet werden konnten. Gern wurden sie auch zu Repräsentationszwecken gehalten und auf Gemälden dargestellt. Diese Vögel gehörten ebenfalls zu den bevorzugten diplomatischen Geschenken der dänischen Monarchen (Katalog S. 224, IV.14 u. S. 225,IV.15).

Glas, Porzellan und Schnitzereien aus Sachsen

Die sächsischen Kurfürsten revanchierten sich mit mindestens ebenso kostbaren Geschenken, die mehr oder weniger diskret auf Sachsen Reichtum, seine Bodenschätze, und das künstlerische Können der dem Hof verpflichteten Handwerker hinwiesen. Hoch im Kurs bei hochgestellten Sammlern stand Tafelgeschirr aus Zöblitzer Serpentin; in der Schatzkammer von Schloß Rosenborg sind einige Stücke erhalten (Katalog S. 218, IV.8 u. S. 219, IV.9)
Von der barocken Freude an detailreich gearbeiteten möglichst exotischen, juwelenbesetzten Figürchen zeugen zwei Paare von „Mohrenkriegern“, beide um 1700 in Dresden von den berühmten Künstlern Balthasar Permoser und Johann Melchior Dinglinger geschaffen. Als seien die Bewegungen der Figürchen in einer Momentaufnahme festgehalten, so virtuos sind sie aus Ebenholz geschnitzt. Ein Paar wird heute in Schloß Rosenborg aufbewahrt, das andere in den Dresdner Kunstsammlungen – für die Dauer der Ausstellung sind sie wieder vereint.
Ab etwa 1700 begann in Sachsen die Glas- und Porzellanherstellung, die in kurzer Zeit zu hoher künstlerische Reife gelangte. Als Frederik IV. 1709 seine Visite in Dresden macht, bekommt er von seinem Vetter 186 Schüsseln, Weinkaraffen, Trinkbecher und Pokale aus farblosem, hauchdünn geblasenem und zart graviertem Glas zum Geschenk. (Katalog S. 280, V.36). Es grenzt an ein Wunder, daß sich bis heute einige Stücke erhalten haben.
 
Opulenter Katalog

Im Deutschen Kunstverlag ist zur Ausstellung ein umfangreicher Katalog erschienen. Es ist ein gediegenes Werk, dessen historische Beiträge die 160 Jahre sächsisch-dänischer Geschichte beleuchten. Sie geben Auskunft über das komplizierte Geflecht europäischer Machtverhältnisse, über die Rolle der Religion in der Politik dieser Zeit und darüber, wie die Herrscherhäuser mit Geschenken, Inszenierungen von Festlichkeiten und nicht zuletzt geschickter Ehepolitik ihre Machtpositionen absicherten oder ausbauten. Gerade weil diese Periode deutsch-skandinavischer Geschichte bisher kaum näher untersucht wurde, bieten diese Beiträge zusammen mit dem ausführlichen Literaturverzeichnis einen guten Einstieg für weitere Forschungen.
Die Abbildungen der ausgestellten Gegenstände und Gemälde sind - wie heute üblich - von vorzüglicher Qualität. Besonders hervorzuheben sind aber die gut recherchierten Historien der einzelnen Ausstellungsstücke; darin gibt es manch Kurioses zu entdecken und oft erzählt die Wanderung eines „Kunststücks“ mehr als seitenlange Abhandlungen.
 
Es lohnt sich also, die unter der Schirmherrschaft von Königin Margrethe II. und Bundespräsident Horst Köhler stehende Ausstellung zu besuchen. Sie ist noch bis zum 4. Januar 2010 in Dresden zu bewundern. Wer sie dennoch verpaßt, hat die Chance sie in der Zeit vom 13. Februar bis zum 24. Mai in Schloß Rosenborg in Kopenhagen zu sehen. Kopenhagen und die Schlösser Nordseelands sind übrigens immer eine Reise wert.
 
Ausstellungen:
Dresden, Residenzschloß: 24. August 2009 bis 4. Januar 2010
Kopenhagen, Schloß Rosenborg: 13. Februar bis 24. Mai 2010
 
Mit Fortuna übers Meer
Sachsen und Dänemark – Ehen und Allianzen im Spiegel der Kunst (1548–1709)
Hrsg. Jutta Kappel und Claudia Brink
© 2009 Deutscher Kunstverlag - Sofort lieferbar. Erschienen August 2009
344 Seiten mit 405 farbigen und 21 schwarzweißen Abbildungen,
24 x 30 cm, Hardcover  -  ISBN: 978-3-422-06909-1
34,90 € [D] |  35,90  € [A] |  56,90 SFR [CH]
Informationen unter: www.deutscherkunstverlag.de


©  2009 Friederike Hagemeyer


Redaktion: Frank Becker