Plauderstunde

Über aussterbende Instrumente, Weine und ihre Korken

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über aussterbende Instrumente,
Weine und ihre Korken
 


Warum sind wir Musiker und Musikliebhaber nicht schon längst auf die Idee gekommen, aussterbende Instrumente mit dem Titel „Instrument des Jahres“ vor dem Tode zu erretten? Wir wäre es denn mit „Instrument des Jahres 2008: die Ophikleide!“ und alle Welt würde Bilder von diesem seltsamen und doch so wohltönenden Instrument bringen, man führte allein deshalb wieder Meyerbeer auf oder Arrigo Boito oder natürlich unseren guten Camille Saint-Saens, der nichts ausgelassen hat, was schöne Farben brachte. Zu Hans Werner Henze und Falk Hübner sag ich jetzt mal nix. Oder halt natürlich die Glasharfe – die man allerdings dadurch „bereichern“ könnte, daß man ihre Klangmöglichkeiten variiert, je nachdem, mit welchem Wein die Gläser gefüllt sind! Daß ein Bordeaux natürlich herber klingt als ein weicher Romanée Conti aus dem Burgund, ist dann ebenso klar wie der Unterschied zwischen einem süßen Chateau d´Yquem mit seinen betörenden, sanften Klängen zu einem rauschenden, rülpsenden, stampfenden Schilcher aus der Steiermark, ein Wein wie besoffener Bruckner, von dem erholst du dich nie!
 
Ich sitze in einem der 5 Top-Restaurants Deutschland, bei Hans Stefan Steinheuer in Bad Neuenahr – Heppingen. Es soll zu der grandiosen Geschmacks-Symphonie auf dem Teller (die er so meisterhaft beherrscht, daß ich immer an die Jupiter denken muß, wenn ich seine Kreationen auf der Zunge habe) die Symphonie im Glas kommen. Heute ist alles egal, ein La Tâche aus dem Burgund, bitte schön. Die Flasche kostet ein unglaubliches Geld, 500 DM (es ist über 15 Jahre her), aber wir sind zu viert und so jung kommen wir nicht mehr zusammen. Die Flasche wird gebracht, sie wird zelebriert, sie wird dekantiert, der Probeschluck ist im Glas. Der Würde des Augenblicks eingedenk führe ich das Glas zur Nase, lasse die Aromen wirken und jetzt kommt der spannende Moment: der Schluck aus dem Glas. Alles schaut auf mich, da: - tut mir leid, der Wein korkt. Und das nicht nur ein bißchen, er korkt wie die Hölle. Vom La Tache ist nichts zu schmecken. Der Somellier kräuselt die Stirn, kostet auch – und wird bleich. Er nimmt die Flasche, verschwindet und kommt mit einer neuen Flasche La Tache zurück. In seinem Gesicht steht geschrieben „Damit kann ich mir meine Umsatzbeteiligung heute Abend schon mal von der Backe putzen“ und er kann einem leid tun. Ein Wein der korkt, geht zurück. Klar.

Man schätzt den jährlichen Schaden durch korkende Weine in den letzten zehn Jahren auf ca. 500 Millionen €. 500 Millionen € pro Jahr! Da ist natürlich klar, daß die Winzer weltweit über Alternativen nachdenken: Glas, Plastik, Schraubverschluß oder gar Kronkorken. Prosecco gibt’s schon in Minidosen wie rote Bullen oder Limo und bald wird’s wohl auch den Johannisberg oder den Geheimrat J oder was im Tetrapak, absolut korkenfrei geben. Die Portugiesen aber kontern. Immerhin geht es um 17 Milliarden Flaschen Wein pro Jahr, 12 Milliarden davon werden von Portugal-Korken unter Verschluß gehalten. Wir reden also von volkswirtschaftlich relevanten Daten! 2,4,6-Trichloranisol – so hat sich herausgestellt – ist der Bösewicht in der Korkrinde, es ist verantwortlich fürs Korken. 4 Nanogramm pro Liter langen, um die Flasche zurückgehen lassen zu können. Jetzt haben die Portugiesen das mit extremem High-tech auf weniger als 1 Nanogramm reduzieren können, allein: weltweit fängt man an, abzuwinken, wir sehen Portugal schon in den Ruin gedrängt, der Fado wird auf Flaschen gezogen werden, das Elend hält Einzug in die obersten Etagen der Wein-Kenner, La Tache mit dem Bieröffner – das ist so wie die g-moll-Symphonie von unserem Mozart in mp3-Format, damit sie durchs gepiercte Ohr paßt. Ich sage: NEIN!

Liebe Portugiesen: dann doch lieber den Wein, wie die alten Phönizier es taten, in Amphoren verschicken oder, besser noch, wegen der flexiblen Lagerung, in Schläuchen wie weiland die alten Griechen. Dann brauchen die Korkeichen in Portugal nach der Schälung nicht mehr auszusehen wie bibbernde mexikanische Nackthunde und wir hängen die Schläuche in eine eigens dafür vorgesehene Halterung an der Wand und können uns den Wein einfach in der Hals laufen lassen – nie mehr den Korken mit dem Finger in die Flasche stopfen, falls der Korkenziehen wieder einmal versagt hat – man kann das alles ja auch mal positiv sehen, oder?!

Was auch immer Sie jetzt im Glase haben, liebe Musenblätter-Freunde: Wohl bekomm´s, Salute, Cin-Cin, Cheers, Santé und Skål!
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009

Redaktion: Frank Becker