Das kleine Wunder vom Palavermarkt

Über gesunde Ernährung, kleine Wunder und menschlichen Zweifel

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Das kleine Wunder vom Palavermarkt
 
Über gesunde Ernährung, kleine Wunder
und menschlichen Zweifel
 
 
In Paderborn gibt es den Palavermarkt. Jeden Freitag kann man dort an Verkaufswagen und Ständen gesundes Brot, Fleisch und Käse kaufen. Alles, was es dort gibt ist total gesund. Vielleicht erscheint das Angebot dadurch ein wenig einseitig. Alles ist gesund, alles schmeckt. Der Mensch sollte sich entscheiden dürfen wie er leben will.
 
Die Geschichte, die ich nun erzählen möchte, ist wirklich passiert und macht bei allem Zweifel doch auch Mut, eingeschlagene Wege zu verlassen. Ich stand am grünen Verkaufswagen vom Hofgut Schloß Hamborn. Man findet dort ein Sortiment aus hofeigenen Demeter-Produkten, frischem Brot aus der Holzofen-Bäckerei, schmackhaftem Fleisch aus eigener Haltung, Molkereiprodukte aus der Käserei und sogar gesunden Kuchen. Gesunden Kuchen finde ich besonders lustig, denn wenn Kuchen gesund ist, dann muß man ihn doch nicht essen, oder? Zum Vergnügen gehört doch auch das Spiel mit dem Risiko.
Ich stand also am Stand vom Hofgut Schloß Hamborn und entdeckte neben mir
zwei Gehhilfen, aber niemanden dabei, der sie brauchte. Ich schaute mich um, konnte aber keinen entdecken, der humpelnd nach Kleingeld suchte oder balancierend seine Verkaufstüte packte. Die beiden Gehhilfen waren an den Stand gelehnt worden und wurden nicht mehr gebraucht. Ein Wunder, da hatte jemand etwas gesucht und gefunden. Ich hinterfrage gerne, gerade wenn ich unglücklich bin, aber hier war kein Zweifel angebracht. Ich habe ausgerufen: „Das ist aber ein schöner Erfolg. Genau das gleiche, das der ehemalige Krückenhalter gekauft hat, möchte ich auch haben.“ Leider konnte sich keine der Verkäuferinnen an den Menschen erinnern, der hier am Hofgutstand sich und die Welt neu entdeckt hatte. Wunder passieren oft nebenbei und werden von anderen kaum wahrgenommen.
 
Ich hatte nach der Aufregung Durst bekommen. Ich holte mir eine Flasche Mineralwasser. Das Wasser war zwar ein wenig teurer, aber total gesund. Ich wollte das Wasser gerade trinken, da sagte der Mineralwasserverkäufer zu mir: „Sie wollen das Wasser doch wohl hier trinken?“
Ich habe gesagt: „Da bin ich jetzt ganz ehrlich. Wenn hier jetzt die Liebe meines Lebens vorbeikommen würde, oder das Glück, auf das ich so lang gewartet habe, dann würde ich hinterher rennen.“
Der Mann schüttelte den Kopf und sagte: „Das ist alles ganz gut und schön, aber dann muß ich Pfand nehmen.“
Und ich dachte, das ist meine Heimatstadt. Nur nicht vor Glück die Nerven verlieren. Ich bezahlte das Flaschenpfand und lief schnell fort.
 


© Erwin Grosche – Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker