Zum Tod von Pina Bausch

Ein Porträt

von Andreas Rehnolt

Foto © Jan Minarik
"Den Tänzern eine Sprache gegeben"
 
Die weltberühmte Choreografin und Balettchefin
Pina Bausch ist tot -
Von Wuppertal in die Welt und immer wieder zurück
 
 
Wuppertal - "Mich interessiert nicht, wie die Menschen sich bewegen, sondern was sie bewegt." Diese Aussage der weltberühmten Choreografin und Ballettchefin Pina Bausch ist bezeichnend für die "Königin des deutschen Balletts", die am Dienstag, vier Wochen vor ihrem 69. Geburtstag in Wuppertal gestorben ist. Ob in Korea, Frankreich, Italien, Japan, Rußland oder den USA: Überall auf der Welt galt die schon lange zur Tanzlegende gewordene Chefin des Wuppertaler Tanztheaters mit ihren revolutionären Inszenierungen als vielleicht wichtigste Choreografin des vergangenen Jahrhunderts.
 
Vier Jahrzehnte einer neuen Form
 
Die zierliche Frau mit der Schuhgröße 41 stand rund vier Jahrzehnte für anspruchsvolles, experimentelles Tanztheater. Charakteristisch für ihr Schaffen war dabei die Form der Präsentation, die inhaltliche Auseinandersetzung mit Grundfragen der menschlichen Existenz und nicht zuletzt die Orientierung an fremden Kulturkreisen. Ihre fast immer titellosen Inszenierungen, die oft erst Monate nach der Uraufführung einen Namen erhielten, haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer Art polyglotter Reisereportage entwickelt, in der sie nach ihren eigenen Worten Tänzerinnen und Tänzern "eine Sprache gab". Dabei hat die 1940 in Solingen geborene Bausch das Genre völlig neu definiert. Jedes Stück verstand sie als neue Aufforderung an den Zuschauer, "sich selbst zu vertrauen, zu gucken, zu fühlen". Weit mehr als 30 Stücke hat sie inszeniert.
 
Schauspiel, Modern Dance, Pantomime und Musical verschmolzen bei ihr zu einem neuen Stil, an dem sich Ensembles aus der ganzen Welt schon seit Jahren orientierten. Schon zu ihrer Zeit als 14-jährige Schülerin an der renommierten Essener Folkwang-Schule galt Bausch als Genie. Mit 18 erhielt sie ein Stipendium, um in den USA an der berühmten Juilliard School in New York zu studieren. 1961 erhielt sie ein Engagement an der Metropoliten Opera in New York. Zurück in Deutschland folgten Tourneereisen und schließlich war sie bis 1973 und später wieder von 1983 bis 1989 künstlerische Leiterin der Tanzabteilung an der Folkwang-Hochschule in Essen. 1973 übernahm sie die Leitung der Ballettsparte an den Wuppertaler Bühnen. Seitdem trägt das Tanztheater Wuppertal ihren Namen.
 
Auch ohne Worte überall auf der Welt zu verstehen  
 
Auch wenn das klassische Ballett den Ausgangspunkt bildete, Pina Bausch hatte sich schon früh weit davon entfernt, hatte eine ganz eigene Körpersprache entwickelt und dafür gesorgt, daß sich das Tanztheater etwa vor 25 Jahren endgültig im deutschen Theaterleben durchsetzte. Ihre Tänzerinnen und Tänzer aus aller Welt - viele sind schon seit 20 Jahren und mehr in ihrem Ensemble - rasen, rennen, schweben, gleiten, hüpfen, stolzieren, fallen oder rollen über eine oft traumhaft anmutende Bühne. Requisiten waren mal Dutzende von Stühlen wie in "Café Müller", mal Hunderte von Nelken. "Kontakthof" hieß ihr provozierendes Stück, bei dem sie in einer Neuinszenierung vor fünf Jahren Männer und Frauen ab 65 Jahren und in einer Fassung für Jugendlich im vergangenen Jahr Schüler aus Wuppertaler Schulen tanzen ließ.
 
Siegerin und energische Kämpferin

Pina Bausch / Thomas Erdos - Foto © Jan Minarik
 
Nicht zuletzt dafür, dass die Intention ihrer Stücke - meist ohne Worte - überall auf der Welt erfühlt und verstanden wurden, hat die zierliche Frau mit den großen, ausdrucksstarken Augen in vielen Ländern Auszeichnungen erster Güte erhalten, wie den Orden der Aufgehenden Sonne des japanischen Kaiserhauses oder den mit 400.000 Euro dotierten Kyoto-Preis für ihr Lebenswerk. Das Wuppertaler Tanztheater erlangte durch sie Weltgeltung. Pina Bausch kehrte immer wieder aus der weiten Welt ins enge Tal der Wupper zurück und sorgte mit ihrem Ensemble stets für ausverkaufte Abende. Und daß das Wuppertaler Opernhaus vor wenigen Monaten in neuem Glanz wieder eröffnet wurde, haben die Kulturfreunde nicht zuletzt der Choreographin zu verdanken. Erst als sie drohte, mit ihrer Truppe fortzugehen, entschieden sich die Stadtväter für eine umfassende Erneuerung des Hauses. So konnten sie die Kultfigur der internationalen Tanzszene in Wuppertal halten, die neben der Schwebebahn das einzige weltweit geltende Markenzeichen der Stadt darstellt.


© 2009 Andreas Rehnolt

Redaktion: Frank Becker