Das Publikum war beeindruckt, Herr Geheimrat

Schillers "Maria Stuart" am Staatstheater Nürnberg

von Alexander Hauer
Staatstheater Nürnberg  

Maria Stuart
Trauerspiel von Friedrich Schiller
 
 

„Mich soll nur wundern, was das Publikum sagen wird, wenn die beiden Huren zusammenkommen und sich ihre Aventüren vorwerfen!" – Goethe


Inszenierung: Stefan Otteni - Bühne: Peter Scior - Kostüme: Sonja Albartus - Dramaturgie: Maren Zimmermann - Aufführungsfotos: © Marion Bührle
Tagesaktuelle Besetzung: Elke Wollmann (Elisabeth, Königin von England), Julia Bartolome (Maria Stuart, Königin von Schottland, Gefangene in England), Thomas Nunner (Robert Dudley, Graf von Leicester), Frank Damerius (Georg Talbot, Graf von Shrewsbury), Jochen Kuhl (Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh, Großschatzmeister), Stefan Lorch (Wilhelm Davison, Staatssekretär), Felix Axel Preißler (Amias Paulet, Ritter, Hüter der Maria), Jan Ole Sroka (Mortimer, sein Bruder), Stefan Lorch
(Graf Aubespine, französischer Gesandter)

Inniges Spiel

Tja, das Publikum war beeindruckt, Herr Geheimrat. Die Premiere von Schillers Trauerspiel geriet in

Preißler, Bartholome - Foto © Marion Bührle
Nürnberg zu einem uneingeschränkten Triumph. Eine veritable Herrenriege, mit all ihren charakterlichen Schwächen und Stärken umgab die beiden Königinnen. Im zweigeteilten Bühnenbild von Peter Scior und in den stimmigen modernen Kostümen von Sonja Albartus spielte sich das Drama um zwei Frauen ab. Maria Stuart, einer zarten, sehr jugendlichen, dem Leben zugeneigten Frau, innig gespielt von Julia Bartolome, stand eine in sich und an ihrer Situation zweifelnde Königin von England gegenüber. Elke Wollmann spielt diese Dame, die sich auf sehr dünnem Eis - und das ist bei dem genialem Bühnenbild auch wörtlich zu verstehen -  bewegt, mit viel Kraft und überzeugender Energie. Selbstzweifel und Enttäuschungen über die Männer in ihrem Leben sind die verbindenden Elemente. Und manche Männer teilten sie sich.
 
Gläsernes Verlies


Wollmann, Bartholome - Foto © Marion Bührle
Maria ist gleich zu Beginn in ihrem Gefängnis, einem gläsernen Verlies, das den unteren Teil der Bühne einnimmt, zu sehen. Abgegrenzt, doch ständig präsent. Ihre Bewacher sind von unterschiedlichster Qualität. Burleigh, Jochen Kuhl, ein eiskalter Beamter, ist das Gegenstück zu den anderen Herren. Thomas Nunners Dudley, ein widerlicher Schmierlappen, ohne Rückgrat, charakterlos in seinem Opportunismus, changiert chamäleonhaft durch die jeweiligen Situationen. Axel Preißlers Paulet und der Mortimer Jan Ole Srokas sind zwei junge Schwärmer, die im Grunde genommen genauso schwach und selbstverliebt sind wie die anderen Herren in dem Stück, mit einer Ausnahme: Frank Damerius’ Talbot, er allein bekam von Schiller so etwas wie einen guten Charakter in die Rolle geschrieben.
 
Zeitlos gültig

Wollmann - Foto © Marion Bührle

Otteni vermeidet jede zeitliche Verpflichtung zur Ära Elisabeths. Seine Interpretation ist modern, aber auch nicht unserer Zeit verpflichtet. Und so gerät der Kampf zweier starker Frauen zu einem unvergeßlichen, zeitlos gültigen Abend. In dem weißen Raum ist Maria stets anwesend, als Gefangene eine ständige Bedrohung der Souveränität Elisabeths. Und Elisabeth weiß, daß sie eigentlich keine Handhabe gegen Maria hat. Deren Todesurteil wird erst von ihr unterschrieben, nachdem Maria sich nicht erniedrigt, sich nicht gedemütigt hat. Aber die Verantwortung für den Tod will sie doch nicht selbst übernehmen. Eher zufällig gerät diese in die Hände Dudleys, der Tod der Gegnerin wird für sie zur letzten Belastungsprobe. Nachdem Maria in ungebrochenem Stolz zum Schafott geführt wird, muß Elisabeth sich in eine Situation einfinden, der sie gerne aus dem Weg gegangen wäre.
 
Höhepunkte

Einer der Höhepunkte ist wie bei allen Inszenierungen dieses Dramas das Zusammentreffen der

Bartholome, Wollmann - Foto © Marion Bührle
beiden Königinnen im Park von Fotheringhay. Das Rededuell der beiden wird zu einer grandiosen Schlacht. Beide verlieren ihre Contenance, beide kehren ihr Innerstes nach außen, und auf einmal werden aus zwei Königinnen zwei Menschen. Elke Wollmann gelingt der Spagat zwischen Staatsfrau und Mensch aufs beste, Julia Bartolome ist in ihrer letzten Szene, als sie zur Hinrichtung gekleidet wird, am intensivsten. Trotz starker Kürzungen und einer geschickten Rollenerweiterung - Axel Preißler übernimmt als Paulet die Rolle von Melvil - behält Schillers Maria Stuart bei Otteni ihre Vollständigkeit.
 

Weitere Informationen unter: www.staatstheater-nuernberg.de 

Redaktion: Frank Becker