Plauderstunde

...über Festspiele, Rindfleisch und Zahnlücken

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

...über Festspiele, Rindfleisch und Zahnlücken


Guten Tag, liebe Musenblätter-Leser, geschätzte Freunde meiner kleinen Plaudereien - so schnell geht eine Woche vorüber und zack, da bin ich wieder zu Ihrer Unterhaltung!


Im August gibt es ja wieder die Salzburger Festspiele – und da möchte ich Sie gerne mal an ein paar Beobachtungen vom Rande des Auftriebs teilnehmen lassen. Ja wofür macht man sich eigentlich den ganzen Stress in Festspielzentren wie Salzburg, Bayreuth oder oder oder... Doch nicht, damit zwei Hanseln da sitzen und die große Kunst bewundern, weil angesichts derselben die breite Kundschaft lieber im Schloß Aigen beim Rindfleisch-Contest sitzt und die Antwort auf die wichtige Frage sucht, ob der Tafelspitz in der Suppn vielleicht nicht doch besser schmeckt als wenn er nur mit Kren serviert wird. Was ich übrigens erlebt habe: im Schloß Aigen, in Salzburg, während der Festspiele: Da sitzt dann die feine Gesellschaft nach der Oper, besser noch: statt der Oper, speist himmlisches Rindfleisch in allen Variationen, bestellt die nächste Flasche Smaragd, sitzt dann noch locker beisammen, man plaudert, aber keiner hört dem anderen richtig zu, weil jeder nur noch ein Problem hat: wie bekomme ich Fleischfasern aus meinen Zahnlücken wieder raus? Jetzt Augen auf und einfach nur schauen, was passiert.
 
Da gibt es die Toilettengänger: mit verzerrtem Gesicht stehen sie auf und verschwinden in Richtung Diskretion. Dort aber stehen sie in Viererreihen vor dem Spiegel, pulen mit beiden Händen im weit aufgerissenen Mund herum, spucken oder schmieren die Reste an die Wand und benehmen sich überhaupt sehr mittelalterlich. Aber das weiß man ja: nirgends benimmt sich die feine Gesellschaft rülpsender als wenn sie nicht gesehen wird. Nach dieser Erleichterung kehrt der Toilettenjünger als Sieger an den Tisch zurück. Er weiß: das, worunter die noch leiden, hat er hinter sich. Nicht ohne Infamie verstrickt er sie nun in besonders anregende Gespräche, um sich an ihren Qualen weiden zu können.
 
Dann gibt es die Vorsorglichen. Sie verfügen über einen privaten Stocherkiel im Silberetui. Feinste Gans, zugespitzt, mit Silberfassung von Cartier (der Brite gibt Bambus den Vorzug, um zu suggerieren, er habe die Kolonialzeit noch nicht aufgegeben).So gestylt darf gestochert werden. Elegant führen sie das Gerät zwischen die geschlossenen Lippen, ein kurzes „Zuzeln“, fertig ist der Fall. Hier gehen Luxus, Design und Notwendigkeit eine kokett-dezente Verbindung ein.
Die Fingerlinge sind ebenfalls eine Gruppe für sich: mit dem Zeigefinger oder dem kleinen Finger (es soll Gourmets geben, die nur deshalb den Nagel am kleinen Finger lang tragen) wird gepult, gestochert, gebohrt und geschabt, daß es eine Freude ist. Herrlich die Beidhänder: mit der rechten Hand pulen sie, was das Zeug hält, mit der linken versuchen sie, die Mundöffnung zu verdecken. Wie verzweifelt die Augen über den Rand der linken Hand schauen! Wie unterschiedlich Zäpfchen gebaut sein können! Filmreife Klein-Dramulette, eines Buñuel würdig.
 
Und es gibt die Biederen: sie verlangen nach einem Zahnstocher und beweisen damit, daß sie nur zufällig in einen dieser Rindfleischtempel geraten sein können. Nachsichtig bringt man ihnen das Verlangte - und die Rechnung gleich mit.
Wie angenehm ist dagegen das Leben des Gebißträgers! Er ißt, was er kann, verschwindet dann im Klo, wartet dort einen unbeobachteten Augenblick ab und schwupp! Zähne raus, unters Wasser gehalten und schwupp! Zähne rein, fertig ist die Laube. Das ist Fortschritt mit Eleganz. Das ist die Überlegenheit des Alters und der Erfahrung. Das ist Freiheit! Und das ist der Grund, warum insbesondere ältere Menschen immer mehr zu Rindfleischkennern werden. Aber die treffen sich ja eh in Salzburg bei den Festspielen.
 
Ihnen, liebe Musenblätterer, wünsche ich jetzt einen schönen Tag – und guten Appetit!
 
Ihr
Konrad Beikircher
 

© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009

Redaktion: Frank Becker