Keine Abwrackprämie für Stadttheater

Bericht und Kommentar

von Andreas Rehnolt

Foto © Frank Becker
Keine Abwrackprämie für Stadttheater
 
Podiumsdiskussion zur aktuellen Notlage von Theatern
in Nordrhein-Westfalen mahnt staatliche Hilfen
für die Kultur auch in Krisenzeiten an
 
 
Oberhausen - Eine Abwrackprämie für Stadttheater in Nordrhein-Westfalen wird es nach den Worten von Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) nicht geben. Der Kulturpolitiker betonte am Montagabend (richtig) auf einer Öffentlichen Podiumsdiskussion unter dem Motto "Stadt und Theater in Not" im Theater Oberhausen, Kultur gehöre zur Stadt dazu, auch in finanziell schweren Zeiten. Der Ort der Veranstaltung war nicht zufällig gewählt. Der Erhalt des Theaters in der finanziell schwer angeschlagenen Stadt steht zur Disposition. Auch das hochgelobte Schauspiel Essen ist wegen der städtischen Finanznot nicht mehr sicher. In Hagen bangen die Theaterleute ebenfalls um den Bestand, während die Existenz der Vereinigten Bühnen Krefeld und Mönchengladbach zumindest in Teilbereichen vorläufig gesichert scheint.
 
Überall in den Theatern wird seit Monaten "mehr über die Finanzen, als über Inhalt und Niveau der

Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff
Foto © Frank Becker
künstlerischen Leistungen" diskutiert, beklagte ein Mitglied des Betriebsrates der Essener Bühnen. Gleichzeitig gab er sich kampfbereit: "So gut, wie wir an unseren Bühnen spielen, müssen wir auch beim Kampf um den Erhalt unserer Kulturhäuser werden." Schon in den letzten Jahren wurde bei vielen Häusern an Rhein und Ruhr der Rotstift angesetzt. So wurde etwa in Bonn die gesamte Tanzsparte abgeschafft. Essens Noch-Intendant des hochgelobten Schauspiels, Anselm Weber warnte am Montagabend davor, daß die "Tariferhöhungen die Theater zerstören könnten". Obwohl die Kommunen den Tarifabschluß im Öffentlichen Dienst gebilligt hätten, würden sie sich nun an den dadurch entstandenen Mehrkosten nicht mehr beteiligen wollen, so Weber, der im nächsten Jahr ins finanziell potentere Bochumer Schauspielhaus wechselt.
 
Trotz aller finanzieller Krisen bescheinigte Grosse-Brockhoff den anwesenden Bühnenleuten und Theaterfans, es gebe in NRW nicht zu viele Theater. Das bewiesen auch die seit Jahrzehnten gleich bleibenden Zuschauerzahlen. Trotzdem sei er der Meinung, daß Theater "hier und da wie in Oberhausen und Essen eine Fusion oder Kooperation prüfen sollten", so der Kulturpolitiker, der zudem ankündigte, sich zur Rettung der Theaterlandschaft für einen "Pakt" mit Land, Städten, Theatern und anderen Beteiligten einsetzen zu wollen. Das hörten die Intendanten gerne, obgleich am Montag unklar blieb, ob mit dem Pakt denn auch dringend benötigte Gelder kommen könnten. In vielen Kommunen glauben Sparfüchse bereits das Einfallstor für ein Aus der Theater gefunden zu haben. Sie nämlich weisen darauf hin, daß Kulturförderung "nur" eine freiwillige Leistung der Kommunen sei, die man in finanziell klammen Zeiten nicht unbedingt weiter geben müsse.
 
Da will offensichtlich aber auch Grosse-Brockhoff nicht mitspielen. Es dürfe nicht sein, daß einzig und

Gerd Leo Kuck - Foto © Frank Becker
allein wegen der Freiwilligkeit kommunaler Kulturförderung bei Theatern Gelder gestrichen würden. "Auch bei den Pflichtaufgaben der Kommunen muß mehr als bislang gespart werden", so der Staatssekretär. Und ein Vertreter des Deutschen Bühnenvereins betonte, es gebe schließlich kein Gesetz, das den Städten ein Einsparen zuerst bei den freiwilligen Aufgaben vorschreibe. Gerd Leo Kuck, Generalintendant der ebenfalls schwer angeschlagenen Wuppertaler Bühnen und Sprecher der Ständigen Konferenz der Intendanten in NRW nannte es "einen Wahnsinn", daß für die Bankenrettung Milliardenbeträge vorhanden seien und bei der Kultur wegen einiger  Millionen traditionsreiche Theater Häuser zum Sterben verurteilt würden. Kuck plädierte für eine andere Verteilung der Steuergelder. Hier sollten die Theater ruhig "den Streit suchen mit dem Land und den Kommunen", so Kuck, dessen Schauspielhaus im Tal der Wupper seit einigen Monaten wegen dringender Sanierungsarbeiten geschlossen ist.
 
Während viele Theaterleute vor Fusionen und Kooperationen von benachbarten Häusern noch zurückschrecken und darin weder finanziell noch künstlerisch eine Lösung sehen, betonten sie bei der Diskussion doch, daß es nicht nur um die Sicherung des Status Quo gehe. Viele der Bühnen sind bereits Kooperationen mit freien Theatern eingegangen und konnten damit auch neue Besucherschichten erreichen. Auch auf die jeweilige Stadt bezogene Theaterprojekte etwa mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund, brächten neue Besucher, kosteten allerdings auch viel  Geld. Christoph Esch vom Kultursekretariat NRW sieht "zwischen Fusion und Kooperation von Theatern viele Möglichkeiten" der Zusammenarbeit. Denkbar seien etwa Spielplanaustausch, die Aufführung von Stücken in benachbarten Theatern oder die Zusammenlegung von Verwaltungen.
 
Der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Klaus Zehelein wies zum Ende der Diskussion auf ein historisches Vorbild in Sachen Kultur-Erhalt in Krisenzeiten hin. König Christian VIII von Dänemark hatte im Jahre 1813 nach einem Waffengang gegen England Ebbe in der Staatskasse und dennoch den Kultur- und Bildungsetat gegen Einwände seines Finanzministers deutlich erhöht. Zur Begründung hätte der Monarch erklärt: "Wir sind jetzt arm und elend. Wenn wir aber nun auch noch dumm werden, dann können wir aufhören, ein Staat zu sein."
 
Der Westdeutsche Rundfunk hat die Öffentliche Podiumsdiskussion aufgezeichnet und strahlt sie am 3. Mai im dritten Hörfunkprogramm ab 19.00 Uhr aus.

Redaktion: Frank Becker