Musikstunde

Anekdoten um Herbert von Karajan und anderes Heiteres

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Musikstunde

Wo Sie jrad „Karajan“ sagen...


 

Nun wäre ich der letzte, der sich der Reihe der Karajan-Hasser anschlösse ohne allerdings deshalb der erste zu sein, der bei den Verehrern zu suchen wäre. Die Wahrheit, finde ich, liegt wieder mal in der berühmten Mitte. Mozart z.B. hab ich nicht goutiert, wenn Karajan ihn dirigiert hat, allerhöchstens Don Giovanni, den ich unter seiner Stabführung in Wien mit Eberhard Wächter in der Titelrolle gesehen und gehört habe, weil Karajans Gespür für Dramatik dem Geschehen auf der Bühne eine Wucht verliehen hat, die aus dem Orchestergraben kam und die schon sehr überzeugte. Ich liebte damals schon – und heute noch – vor allem seinen Strawinsky. Ja, klar, Richard Strauss (die Alpensymphonie mit ihm am Pult war eines meiner ersten Strauss- und Karajan- Erlebnisse – ich konnte streckenweise nur lachen, was man mit 15, 16 eh gerne tut, und sah in der Musik nur einen Alpenverein nach dem anderen irgendwelchen Gipfelkreuzen zuhechten, also gepackt hat mich das wirklich nicht) und Puccini, Frau Nilsson als Turandot mit Karajan in der Staatsoper Wien, das war schon überwältigend, aber für mich war Karajan in erster Linie der Strawinsky – Überbringer.
 
Wobei mir bei Birgit Nilsson die Geschichte einfällt, die man sich damals über sie und Karajan in Wien erzählt hat: Man probt auf der Hauptbühne der Wiener Staatsoper irgendeinen Wagner. Bei einer heftigen Bewegung reißt die Perlenkette der Diva, die Kleinodien kullern über den Bühnenboden bis in den Orchestergraben. Karajan unterbricht die Probe, bückt sich nach einer Perle und gibt sie der Primadonna mit den Worten: „Diese kostbaren Perlen haben Sie bestimmt von Ihrer letzten Gage an der Met gekauft.“ Worauf Birgit Nilsson in schallendes Gelächter ausbrach uns erwiderte: „Nein, von meiner Gage an der Wiener Staatsoper, denn das sind keine echten Perlen, das sind Imitationen!“. Er soll ja auch in Wien einmal ins Taxi gestürzt sein und den Taxifahrer angeblafft haben: „Jetzt fahrn’s schon los, worauf wartenS denn?“. Woraufhin der Taxifahrer sagte: „Ja wo wollenS denn hin, Herr Direktor?“ „Ganz egal, ich werde überall gebraucht!“.
Karajan also hat mich zu Strawinsky gebracht.
Wenn Sie „seinen“ Sacre du printemps von 1974 hören, dann wissen Sie, was ich meine: so messerscharf und brillant kommt da die Musik daher, daß man immer noch ein bißchen nachempfinden kann, wieso die Uraufführung damals so ein Skandal war. Wenn man das weiß und ein bißchen nachfühlt, dann sollte die Musik auch etwas danach klingen, oder?
Also Karajan hat das in meinen Augen, äh, Ohren, geschafft. Er hat in diese Musik eine Brillanz hineingebracht und eine Präzision, die unwiderstehlich ist. Ob er vor Berlusconi dirigiert hätte? Ich denke er hätte Ratzinger vorgezogen – der hat einfach die besseren Musiker!
 
Ich bin ein großer Fan guter Parodien. Unüberbietbar Berlusconi als Berlusconi-Parodist. Bei uns aber hat sich allerdings das Parodieren etwas auf Angela-Merkel-Nachäffen reduziert, früher hat man unter Parodien auch die Verfremdung bekannter Gedichte verstanden. Einer der ganz Großen war  Alexander Moszkowski. Von hause aus Mathematiker und Philosoph war er lange Jahre lang Redakteur der 'Lustigen Blätter' in Berlin und Musikreferent beim 'Deutschen Montagsblatt'. Er ist insbesondere als Humorist bekannt geworden (Richard Wagner war ein Fan von ihm) und hat in dieser Eigenschaft eine Parodie von Schillers Glocke über Franz Liszt geschrieben. Es ist der heiterste Spottgesang über die Tastenlöwen des 19. Jahrhunderts, der definitive Abgesang auf die Virtuosen schlechthin:
 
"Wohltätig sind die Hände dann, / So lang' der Mensch nicht spielen kann;
Läßt er sie still im Schoße ruhn, / Nie werden sie was Böses tun.
Doch furchtbar uns bedrängt, / Wenn Technik sich dazwischen mengt,
Einhertritt auf der eignen Spur, / Die Tochter der Klaviatur!
 
Wehe, wenn sie losgelassen / Sich auf's Donnernde verlegt
Und mit wucht'ger Schläge Massen / Ein Klavier zum Krüppel schlägt!
Denn vernünft'ge Menschen hassen / Den, der so zu pauken pflegt.-
Von dem Flügel / Strömem Töne,
Wunderschöne; / Von dem Flügel manchesmal
Kommt Skandal. / Hört ihr's wettern dort, so wißt,
Das ist Liszt! / Rot wie Blut
Ist seine Backe, / Jetzt gerät er schon in Wut,
Welch Geknacke! / Jetzt hinauf
Kommt ein Lauf, / Abwärts im Moment im nächsten,
Im Fortissimo in Sexten, / Von den Fingern, den behexten.
Kochend, wie aus Ofens Rachen, / Glüh'n die Tasten, Hämmer krachen,
Pfoten stürzen, Saiten klirren, / Späne fliegen, Noten schwirren;
Zwischen Trümmern, / Ohn' Bekümmern,
Fuchteln hin und her die Patschen, / Meist in Skalen, in chromat'schen;
Durch der Hände lange Kette / Um die Wette
Flieget aufwärts eine Horde / Falsch gegriffener Akkorde
Bis hinauf in den Diskant; / Prasselnd fällt die dürre Hand
Jetzt zugleich in alle Ecken, / Grad' als sollt' sie Tote wecken;
Und als wollten sie im Rasen / Mitten durch das Instrument
Reißen, die gewalt'gen Händ, / Wird die Schlußpassag' vollführt,
Riesengroß! / Hoffnungslos
Sieht der Hörer seine Ohnmacht / Gegenüber solcher Tonmacht
Und bewundert resigniert. / Ganz kaputt
Ist der Flügel / Nur ein wüster Trümmerhügel;
Mit den einstmals prächt'gen Klängen / Ist es aus,
Und zeriß'ne Saiten hängen / Weit hinaus.
 
Einen Blick / Dem schonungslosen
Virtuosen / Sendet noch der Mensch zurück.
Greift fröhlich dann zu seiner Watte, / Falls er die im Ohre hatte;
Wie sehr es auch um ihn getobt, / Den süßen Trost hat sein Gewissen,
Das Trommelfell ist nicht zerrißen, / Gott sei gepriesen und gelobt!"
 
 
Viel Spaß beim nächsten Klavierkonzert!
 
Ihr Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker