Einsturz des Kölner Stadtarchivs

Letzte Meldungen

von Kirsti Doepner, SH-Verlag Köln
SH-Verlag
Einsturz des Kölner Stadtarchivs
 

Sie alle haben gewiß die Nachrichten über den Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln verfolgt. Ein Verschütteter ist ja am Sonntag tot gefunden worden, nach einer zweiten Person wird noch gesucht. Da die Berichterstattung außerhalb von Köln nicht ganz so intensiv (und sachlich zuverlässig) ist wie in den Kölner Medien, geben wir den Nicht-Kölnern unter Ihnen hier einen Überblick über den Stand der Sicherungsarbeiten:
 
Bisher sind etwa 15 bis 20 Prozent des Archivguts gesichert. Teile waren in nicht eingestürzten Flachbauten oder sogar im atombombensicheren (!) Bunker des Archivs untergebracht oder in ein ehemaligen Schulschwimmbad (!!) ausgelagert worden, ein Teil des Nachlasses Heinrich Böll war für Editionsarbeiten ausgeliehen; anderes wurde teils nahezu unversehrt, teils schwer beschädigt aus dem Schuttkegel und aus dem U-Bahn-Bauwerk vor dem Archiv geborgen. Unter anderem ist die Fotosammlung mit der Sammlung L. Fritz Gruber offenbar ebenso erhalten wie der überwiegende Teil der mittelalterlichen Urkunden. Von den Aufzeichnungen Hermann Weinsbergs wurden vier der fünf Bände geborgen, ebenso einer der beiden Autographen von Albertus Magnus, die das Archiv besitzt. Auch einige Akten aus der Oberbürgermeisterzeit von Konrad Adenauer sollen aufgetaucht sein. Keine Informationen gibt es bisher über den Verbleib der Tristan-Handschrift B und vieler Nachlässe des 19. und 20. Jahrhunderts.
 
Die U-Bahn-Baugrube, neben der der fatale Erdrutsch stattfand, ist 28 Meter tief. Es ist unklar, bis in welche Tiefe Archivgut liegt. Bei den Grabungen gibt es statische Probleme, immer wieder müssen noch stehende Gebäude oder Gebäudeteile abgebrochen werden. Der Grundwasserspiegel liegt elf Meter unter Straßenniveau und steigt wegen des steigenden Rheinpegels. Sollte Archivgut noch in solcher Tiefe liegen, wäre das eine zusätzliche Gefahr. Die Feuerwehr versucht, den Grundwasserspiegel mit Pumpen zu senken. Gegen Regen ist die Unglücksstelle nur unzureichend mit Planen geschützt. Der Aufbau eines provisorischen Schutzdachs hat begonnen, er wird sich aber noch hinziehen. Die Stadt Köln sucht zur Lagerung des geborgenen Archivguts eine 10.000 Quadratmeter große beheizte Halle. Viele Archive haben dem Kölner Stadtarchiv Magazinraum zur Verfügung gestellt.
 
Die genaue Ursache des Erdrutsches ist immer noch unklar. Informationen beider Kölner Tageszeitungen deuten auf ernste und vom Bauherren oder den Baufirmen unterschätzte Probleme mit dem Grundwasser hin. Als deren Folge könnten Grundwasser und Erde unter den nach neuesten Angaben 38 Meter tief reichenden seitlichen Schlitzwänden des unterirdischen Bauwerks hindurch in die Baugrube eingedrungen sein (sog. hydraulischer Grundbruch). Die Kölner Verkehrs-Betriebe als Bauherr haben die Bodenverhältnisse vor Baubeginn untersuchen lassen, den Boden aber nicht z.B. durch Sensoren laufend überwacht. Zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen wie Zementinjektionen in den Grund unterhalb der Baustellensohle hält KVB-Technikvorstand Walter Reinarz auch im Rückblick für nicht sinnvoll (Anfrage der Kölnischen Rundschau von heute). Ob eine Überwachung, wie sie z.B. in der ähnlich tiefen Baugrube des Bonner "Posttowers" stattfand, eine frühere Warnung möglich gemacht hätte, ist aber unklar.
 
Spekulationen einer überregionalen Tageszeitung, Injektionen von Dichtungsmasse hinter die Seitenwand hätten den Erdrutsch ausgelöst, entbehren jeder Grundlage; die Zeitung hatte die Schlitzwand mit einer Spundwand verwechselt. Auch der Hinweis eines Magazins auf den 2004 festgestellten Schaden an der Kirche St. Johann Baptist ("schiefer Turm") in der Nähe des Archivs führen nicht allzu weit. Der damalige Schaden entstand bei einem ganz anderen Vorgang, nämlich bei unterirdischen Bohrarbeiten für eine Kanalverlegung vor dem eigentlichen U-Bahn-Bau. Der Erdrutsch unter dem Stadtarchiv war aber wahrscheinlich die Folge eines Grundwassereinbruchs in eine offene Baugrube, wo immer genau die Schwachstelle auch lag.
 
Die Hilfsleistungen anderer Kölner Archive für das Stadtarchiv werden im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv von dessen Leiter Dr. Ulrich-S. Soénius koordiniert. Die Stadt Köln hat für Hilfsangebote folgende Kontaktadressen mitgeteilt:
 
Alle Angebote für Wohnraum, Unterbringung, Betreuung betroffener Bürger an: 5620-Wohnungsversorgungsbetriebe
Email: wohnungsversorgungsbetriebe@stadt-koeln.de
Fax: 0221/ 2212 55 05
Tel.: 0221/ 2212 5198

Alle Angebote für die Sicherung, Sichtung und Lagerung von Archivgut an: 44-Historisches Archiv
E-mail: claudia.tiggemann-klein@stadt-koeln.de
Fax: 0221 / 2212 4141
Tel.: 0221 / 2212 8746

Alle Angebote für technische Hilfeleistung an der Einsatzstelle gehen an:
Email: einsatzleitung-stadt.koeln@stadt-koeln.de
Fax: 0221 / 8748 9504
 
Um - über die vom Stadtwerkekonzern bereitgestellte Soforthilfe und spätere Versicherungsleistungen hinaus - den Bewohnern der eingestürzten Wohnhäuser neben dem Archiv helfen zu können, hat die Stadt Köln ein Spendenkonto eingerichtet: 190 319 0419, Bankleitzahl: 370 501 98 (Sparkasse Köln Bonn).