Schöllkraut und Asseln

Franz Hohler - "Das Ende eines ganz normalen Tages"

von Robert Sernatini
Heimweg

Franz Hohler gehörte schon immer zur Sahneschicht auf dem großen Milchsee deutschsprachiger Literatur (wenn man mit seiner Erlaubnis Schweizerdeutsche Texte dazurechnen darf.) Franz Hohler wird, diesem zwingenden Eindruck mag ich mich nicht entziehen, mit jedem Jahr, mit jedem Buch noch besser.
Bei Luchterhand ist jetzt das schmale Bändchen - man liest es hungrig innert eines ganz normalen Tages - "Das Ende eines ganz normalen Tages" erschienen, das ganz kleine sprachliche Edelsteine und etwas längere abenteuerliche Reisetexte enthält.

Parabelhaft die Geschichte "Kinder", die in nur 99 Worten die Ewigkeit des Nichtverstehens umreißt. Wer hätte nicht als Kind den Ozean oder auch nur eine Pfütze mit einem Eimerchen, einer Sandform oder gar nur einem löchrigen Löffel ausschöpfen wollen. Erwachsen geworden versuchen es diese ehemaligen Kinder erneut mit ungebrochenem Mut: Ungerechtigkeit und Elend bekämpfen, Wahrheiten finden, auf Ehrlichkeit hoffen...
Es braucht nicht viele Worte, lernen wir bei Franz Hohler, der es in "Drei Wörter" auf einen tieftraurigen Punkt bringt - eine Reflexion wie ein letztes Ausatmen, die an Paul Gerhards "Der Mensch" erinnert. Da habe ich wenig weinen müssen. Und noch einmal so ratlos, hilflos und unglücklich wie am 11. September 2001 hat mich Franz Hohlers Titelgeschichte "Das Ende eines ganz normalen Tages" gemacht. Ich glaube, ich werde jetzt endlich auch einmal Adalbert Stifters "Nachsommer" lesen.

Doch froh gemacht haben mich wieder die lebensbejahenden, liebenswerten, freundlichen Texte von "Sonntagsspaziergang" und "Nachricht vom Kellner". Es gibt halt doch Winkel in unser aller Leben, die ganz in Ordnung sind. Das gilt auch für die nachgerade wüste mongolische Hochzeit, die zwar in elementarer Gewalt, heftiger Prügelei und mit einem Schädel, der durch keine Haustür mehr paßt endet - aber irgendwie doch mit saftigem Leben zu tun hat. So auch "Wildnis" - Wasser auf meine Mühlen. Und recht geschmunzelt habe ich bei den reflektorischen Geschichten über das Älterwerden, schließlich habe auch ich die magische Grenze erreicht, vor der Hohler grantig-kokett scheut. Schließlich: Wer hätte nicht schon so einen "Heimweg" erlebt, der die Augen reiben läßt, in tiefe Gedanken stürzt, schließlich mit der rettenden Haustürschwelle ein gutes Ende findet, so wie der, mit dem Franz Hohlers Sammlung schließt.

Der Musenkuß (mit *) für dieses besondere Buch!

Beispielbild

Franz Hohler
Das Ende eines ganz normalen Tages

Kurzgeschichten

© 2008 Luchterhand Literaturverlag

112 Seiten, 12,5 x 20,0 cm, Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-630-87283-4
€ 17,95 [D] | € 18,50 [A] | CHF 31,90 (UVP)

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