Es war einmal - in Mönchengladbach

Ein offenes Wort

von Peter Bilsing

Foto © Frank Becker
Es war einmal - in Mönchengladbach
 
Wie die blau-gelben Ritter feige ein Theater kaputtmachen wollen, ohne je zum Schwert gegriffen zu haben –
kaum zu glauben. Das Märchen heißt:
 
„Aber es gibt doch CD-Player…!“
 


Liebe Kinder!

Am Niederrhein gibt es einen weißen Ritter und Edelmann, der heißt Sir Jens Pesel. Von vielen Bürgern und Stadtvätern geadelt für seine langjährige erfolgreiche und sparsame Tätigkeit als Theaterintendant der Vereinigten Bühnen Krefeld/Mönchengladbach. - Nein! Um Himmels willen! Keine Sorge, er wird nicht von falschzüngigen Politikern (siehe das jüngst von mir erzählte Märchen vom kleinen König Kaufmann) aus seinem Posten hinausintrigiert. Diesmal nicht. - Ritter Pesel geht nächstes Jahr freiwillig in Rente und beendet damit eine Ära, der alle Bürger und Politiker, Metzger, Ministranten, Straßenmädchen, Bischöfe und Palastdamen nur höchsten Respekt zollten.
Alle!? Nein, doch nicht alle, denn da gibt es ein kleines Häuflein von blaugelben Ordensbrüdern im Stadtrat von Mönchengladbach, die zusammen mit den schwarzen Mönchen regieren…..
 
Doch fangen wir früher an: Ritter Pesel ist ein guter Theaterintendant, der mit beiden Füßen im Leben steht. Daher (Nachtigall ick hör dir trappsen…) hatte er jahrelang von seinem Theateretat immer einen Notgroschen aus dem Opernsäckel gespart - man nennt das auch „Rücklagen“ – für echte Notfälle. Dinge, die viel Geld kosten, aber an einem Opernhaus, welches rund 500 Menschen Arbeit gibt, halt vorkommen; z.B. Grippewellen (da müssen dann teure Gäste eingeflogen werden) oder Tariferhöhungen (auch die Menschen am Theater müssen ja Brot und Wein, wie alle anderen Bürger, immer teurer bezahlen). Leider wurde dies vom Stadtkämmerer, das ist der Ober-Minister, der die eingetriebenen Steuern verwaltet, nicht geschätzt. Und so hieß es dann überraschend:
„Ja was ist denn da los an der Oper? Heissa hossa! Ihr Schurken habt ja Geld übrig in Eurem Säckel. Raffitückisch abgezweigt! Und das in Zeiten, wo wir überall sparen müssen – ja wo gibt es denn sowas? Wir Minister machen keine Dienstreisen mehr ins ferne Andalusien oder die Schweiz, gehen statt in den Ochsen nur noch zu MacDonalds dienstessen, fahren statt der 420er-Daymler-Dienstkutsche nur noch eine schäbige 280er mit 6 Pferden weniger (!) und auch die Bürger darben. Da ist Handlungsbedarf angesagt, verehrter Meister.“
 
Und schwupps wurde der Theateretat fürs nächste Jahr nach unten korrigiert. Ihr müßt Euch das so vorstellen, liebe Kinder, als wenn ihr von Eurem Pausenbrot immer ab jetzt eine Drittelecke für den Lehrer abgeben müßt. Klaro bleibt der Hunger gleich und ihr wachst ja auch, aber ihr seid ohnehin zu dick – unterstelle ich jetzt mal einfach. Also merkt Euch fürs Leben, wenn demnächst in Eltern/Schüler-Initiative mal wieder die Schule von Euch gestrichen werden soll, dann sagt Ihr bitte NEIN! No, no, never! Denn dies ist allein Sache des Schulträgers, und der spart dadurch Geld, und der Etat fürs nächste Schuljahr für Eure Schule wird dann um diesen Beitrag gekürzt. Das nennt man Kameralismus!
 
Zurück zu Ritter Pesel an den Niederrhein: Kaum umgesetzt, geschieht das Vorauszusehende: die Mitarbeiter des Theaters erhalten 2007 nicht die einprozentige Gehaltssteigerung, wie in früheren Jahren, sondern die Gewerkschaft erstreitet deren 5 Prozent. Boing! Das hatte man nun natürlich nicht mehr im Theatersäckel berücksichtigt. Also mußte ein sogenannter „Nachtragshaushalt“ her, um die 1 Million Euro, die man an den beiden Theatern brauchte auszugleichen. Sonst wären die Vereinigten Bühnen im Juni 2009 zahlungsunfähig, wie die Fachleute des Theaters errechneten. Was genau ein „Nachtragshaushalt“ ist, fragt ihr? Ganz einfach: Ihr bestellt Euch bei Mäckes 2 Cheeseburger, 3 MacChicken, 1 Cola und 4 Apfeltaschen – habt aber nur 5 Euro. Das was jetzt fehlt, bürdet Ihr entweder der Tante Merkel auf ihr Bundeshaushaltsdefizit noch drauf, oder wenn sich Mäckes weigert, dann ruft ihr Euren Papa an und der bezahlt den Rest. Das ist dann ein „Nachtragshaushalt“. Kapiert?
 
Weiter: Die von jeher etwas aufgeweckteren Krefelder und ihre Politiker bewilligten also diesen Nachtragshaushalt, weil sie nicht wollten, daß ihr schönes 4-Sparten-Theater mit seiner mannigfaltigen Programmvielfalt den sprichwörtlichen Bach runter geht. Und nach 50 Jahren Ehe geht man doch nicht mehr auseinander - oder? Außerdem wäre das voll bescheuert, da man die 500 Beschäftigen ja ohnehin weiterbezahlen muß (öffentlicher Dienst! )– auch wenn das Orchester nicht mehr spielt, die Tänzer in den Dornröschenschlaf versenkt werden und die Schauspieler nach Gran Canaria in Winterurlaub gehen.
 
Anders die Minister im fernen Mönchengladbach! Jetzt kommen wir zu dem kleinen Häuflein von den Blaugelben Ordensbrüdern – siehe Anfang! Zwar haben die Bürschlein nicht die Mehrheit, aber in einer Koalition mit den Schwarzmönchen können sie zumindest eine Sperrminorität bilden. „Sperrminorität“ watt iss dat? Gute Frage, liebe Kinder. Also, wenn Ihr in eurem Kindergarten heute mit 25 Stimmchen beschließt früher nach Hause zu gehen, dann seid ihr gegenüber Bud Spencer (z. B.) deutlich in der Mehrheit. 25 gegen einen. Da es aber nur eine Türe nach draußen gibt, nützt Euch das nichts, wenn der große schwere Mann im Türrahmen steht und Euch nicht durchläßt. Verstanden! Was? Dann ruft Ihr einfach die Polizei? O.K. – blödes Beispiel. Aber so ähnlich geht es in einer Koalition zu; die Minderheit kann die Mehrheit immer erpressen, indem sie sagt: „Wenn ihr unseren Kasper zerhaut, dann zerhauen wir auch euren und den Seppl dazu. Und demnächst stimmen wir einer Renovierung des Kasperletheaters nicht mehr zu. Bäh!“ – „Gut, dann gibt es demnächst auch keine kostenlosen Schulbrote mehr!“ – „Dann machen wir Euer Altersheim dicht!“ – „Und wir Euer Schwimmbad!“ – „Kein Geld mehr für die Eishalle!“ … und so weiter - schaut Euch mal in der Politik um….!
 
Dann käme es zu einer Riesenhauerei und Stecherei unter eigentlich Verbündeten – das nennt man parlamentarische Demokratie. Die Bürger wählen ihre Vertreter und die machen dann was sie wollen: Hauen und Stechen z.B.. Die Demokratie stammt ursprünglich aus dem antiken Griechenland und war urtümlich so demokratisch eigentlich nicht, denn es durften nur Männer wählen und gewählt werden – auch nicht von allen. Das hatte durchaus Vorteile; nicht unbedingt für die Frauen. In der Schweiz, da wo ihr immer hin zum Skifahren oder Geldverstecken mit Euren Eltern reist, gibt es übrigens das Frauenwahlrecht erst seit gut 30 Jahren.
 
Doch zurück zum Theater Mönchengladbach. Also dieses kleine Häuflein von Blaugelben sperrt sich gegen den Nachtragshaushalt für ihr Opernhaus in Rheydt. Damit bräche das ganze Gebilde der Theater-Ehe, die seit über 50 Jahren funktioniert zusammen, denn keine Stadt kann sich ein eigenes Theater alleine leisten. Das ist nun aber diesem Häuflein von Freischärlern egal. „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not!“ Lautet ihre unumkehrbare Devise. Da ihr alle aufgepaßt habt, ruft ihr natürlich nun empört: „Ihr Blödmänner, der Ritter Pesel hatte doch…!“ Wieso hört Euch keiner?
 
Ganz blöderweise gab es nun ausgerechnet im Nachbarland Hessen Landtagswahlen und da hat die Bruderschaft unserer Antihelden, die meistens auch dort nur eine klitzekleine Randpartei waren, mächtig zugelegt – das lag aber an der „bösen Hexe“ Ypsilon und nicht am Verdienst der Blaugelben selber. Nun können die Mönchengladbacher Bundesgenossen kaum noch gehen vor Kraft; sie laufen alle rum wie John Wayne in den alten Cowboyfilmen und sind zu überhaupt keinem Kompromiß mehr bereit. Nun heißt es: Sollen sich doch diese verdammten Theaterschergen das Geld, was sie brauchen von der Bank leihen! Ja, ja – meine Lieben. Was nun? Ich sehe auch schwarz.
Obwohl!!! Also im Prinzip sind diese Vorschläge doch genial und zeugen von einer Logik, die so baff erstaunt, wie fassungslos macht. Wer ein Theater will, soll sich doch bitte das Geld dazu von der Bank leihen! Wow! Oder noch besser: Wozu Musiktheater, wozu Oper, wozu Ballett – es gibt doch CD-Player und Tanzkurse an der VHS! Jau, die billigste aller Lösungen!!!
 
Finale furioso: Leider ließ sich der weiße Ritter Pesel am Ende noch zu einer Verzweiflungstat hinreißen; im Stadtrat versuchte er es mit einer ironisch sarkastischen (also nicht ernst gemeinten!) bösen Parodie und erklärte so in etwa (wie man mir durch stille Post übermittelte): Herrschaften, wir können natürlich auch sparen, indem wir von den 57 Musikern 20 entlassen – spart ne gute Million. Dann können wir aber auch nur noch die Opern spielen, die für ein Kammerorchester geschrieben wurden. Außerdem streichen wir den Etat von 500 000 Euro für Bühnenbilder und Ausstattung – wir hängen nur noch alte Lappen auf oder spielen vor dem Vorhang bzw. auf leerer Bühne. Inszenierungen nur in den Brandmauern sind doch heuer modern – siehe Bayreuth, München, Berlin oder Düsseldorf. So große Häuser können nicht falsch liegen! Wenn wir dann nur noch zwei neue Produktionen machen und die abwechselnd das ganze Jahr durchspielen, wäre auch noch was drin!“ Und was passierte dann, liebe Kinder? Ihr werdet es kaum glauben! Aber es ist wirklich wahr. So wahr ich Oma Eusebia heiße. Ehrlich!
 
Bravorufe und Beifall unserer linksrheinischen Fach-Minister „ Na also, Herr Ritter Pesel! Geht doch! Warum nicht schon früher? Endlich mal ein vernünftiger Sparbeitrag von Theaterseite. Da werden wir uns bestimmt näher kommen! Gratulation!“
 
Hier endet das Märchen vorläufig. Schaut mal in die Zeitung, wie und ob es demnächst weiter geht. Und vielleicht habt ihr ja auch Sparvorschläge. Schickt sie dann bitte an die jeweiligen Bürgermeister.
 
Gute Nacht!  Eure Omama P. Eusebia Bilsing