"Haben wir einen Arzt an Bord?"

Auswertung medizinischer Notfälle in Flugzeugen

von Andreas Rehnolt

Foto © y-ray-andi / Pixelio
"Haben wir einen Arzt an Bord?"
 
Ruhruniversität Bochum wertete über 10.000 medizinische Notfälle in Flugzeugen aus - Die allermeisten Airlines haben keine Daten darüber gesammelt
 
Bochum - Die häufigsten medizinischen Zwischenfälle im Flugzeug sind Ohnmachtsanfälle, gefolgt von Magendarmbeschwerden. Das ist das Ergebnis einer Auswertung von 10.189 medizinischen Notfällen an Bord von Maschinen zweier europäischer Airlines, die ein Team unter Leitung von Michael Sand von der Medizinischen Fakultät der Hochschule zwischen 2002 und 2007 untersucht hat. An dritter Stelle standen Herzkreislaufprobleme, hieß es am Freitag in einer Mitteilung der Universität. Die Wissenschaftler empfehlen den Fluggesellschaften deshalb Defibrillatoren an Bord zu haben.
 
Medizinische Zwischenfälle an Bord von Flugzeugen sind nach der Studie selten, können aber durchaus ernste Auswirkungen haben. Nicht zuletzt bedeuteten sie erheblichen Stress für die Flugbegleiter und andere Passagiere. Die Forscher zählten bei ihrer Datenauswertung in dem genannten Zeitraum genau 5.307 Ohnmachtsanfälle, 926 Fälle von Verdauungsbeschwerden und 509 Herzanfälle. Erkrankungen, die ein chirurgisches Eingreifen erforderlich machten, waren dagegen eher selten. Auch Thrombosen, vor denen im Zusammenhang mit Fernflugreisen oft gewarnt wird, kamen nur 47 mal vor. Allerdings treten Reisethrombosen nach Angaben der Forscher auch eher nach einem Flug auf. Die Airlines berichteten außerdem von 27 Blinddarmentzündungen und einem Fall von gastrointestinaler Blutung. Zudem kamen zwei Geburten und 52 Todesfälle während der Flüge vor.
 
Erstaunt waren die Forscher über die unzureichenden Aufzeichnungen der Fluggesellschaften. Von 32 angefragten Airlines konnten 27 nicht an der Studie teilnehmen, weil sie die notwendigen Daten nicht erhoben hatten. Die Angaben einer Gesellschaft waren ungeeignet, und zwei Airlines beteiligten sich aufgrund ihrer Firmenpolitik nicht an der Studie. Übrig blieben schließlich eine große staatliche europäische Fluggesellschaft und eine "Billig"-Airline. "Für größere Studien zum Thema medizinische Notfälle bei Flügen wäre eine standardisierte Aufzeichnung solcher Zwischenfälle notwendig", so Michael Sand. Aufgrund der dürftigen Datenlage fällt es nach seinen Angaben schwer, konkrete Empfehlungen an die Fluggesellschaften zu geben.
 
Auffällig sei aber, daß nicht alle Flugzeuge über Defibrillatoren an Bord verfügen. Angesichts der relativ hohen Zahl von Herz-Kreislauf-Notfällen sei es aber sinnvoll, solche Geräte standardmäßig dabei zu haben.

Redaktion: Frank Becker