Gutmenschen, Cholerkiker und Zweierbeziehungen

"Gott des Gemetzels" in einer Inszenierung des Theater Hof

von Alexander Hauer
Städtebundtheater Hof
 
Der Gott des Gemetzels
Komödie von Yasmina Reza
 


Inszenierung: Ulrich Fischer - Bühne: Thomas Mogendorf - Kostüme: Barbara Schwarzenberger
Besetzung: Anja Stange (Véronique Houillé), Ralf Hocke (Michel Houillé), Nina Machalz (Annette Reille), Peter Kampschulte (Alain Reille)
 
Er wird landauf landab gegeben. Der Gott des Gemetzels spielt sich in die Herzen der Theaterbesucher. Ich hatte das diebische Vergnügen beim Gastspiel des Städtebundtheaters  Hof in Bayreuth dabei zu sein, als "zivilisierte" Paare begannen sich zu zerfleischen.
In der Dekoration von Thomas Mogendorf, kühle Eleganz, schicke Beistelltischchen und viele Coffeetablebooks, spielt sich die Tragödie zweier Paare ab. Der Sohn des einen Paares hat dem Sohn des anderen Paares zwei Zähne bei einer Schulhofrangelei ausgeschlagen. Schlimm, aber sicherlich nicht so schlimm, was jetzt folgt. Die Elternpaare treffen sich zur Aussprache. Die Opfereltern: er mittelständiger Unternehmer (Haushaltswaren) und seine reizende Gattin, Gutmensch und Schriftstellerin, die Anderen: sie Vermögensberaterin (Sie wissen: Mein Haus, mein Boot, mein Pferd), und er, Rechtsanwalt für eine größere Arzneimittelfirma in Schwierigkeiten.

Natürlich nur auf der Bühne...

Beide Paare sind in Stresssituationen, nicht nur wegen der Rangelei unter ihren Söhnen. Im Laufe

(v.l.n.r.) Ralf Hocke (Michel Houillé), Anja Stange (Veronique Houillé),
Nina Machalz (Annette Reille) und Peter Kampschulte (Alain Reille)
Foto: Theater Hof © SFF Fotodesign
des absolut kurzweiligen Abends wechseln die Fronten. Die Paare spalten sich auf, bilden neue Gemeinschaften, die Frauen gegen die Männer und umgekehrt. Auch kämpfen die Paare untereinander einen Kampf, der schon lange unter der Oberfläche schwelt.
Das kommt einem jetzt doch sehr bekannt vor, nein, nur von der Bühne, bei uns privat gibt es so was ja nicht. Seit Edward Albees Ehedrama "Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (Who's Afraid of Virginia Woolf?)" 13. Oktober 1962 , sah man die Abgründe der geschundenen Seelen in Zweierbeziehungen nicht mehr so deutlich.
Dennoch sollte man Yasmina Rezas Konversationskomödie nicht mit dem Drama Albees auf eine Stufe stellen. Beide Stücke sind in der Tat einzigartig. Während man bei Albee mit den Personen leidet, amüsiert man sich bei Reza über Gutmenschen, Choleriker, schmierige Anwälte und scheinbar coole Geschäftsfrauen. Doch diese Fassaden sind nicht lange aufrecht zu erhalten. Nina Machalz gibt die glatte Karrieristin, die in Stresssituationen doch mit leichten Kotzanfällen zu kämpfen hat. Ihre Gegenspielerin Anja Stange als Veronique, ein Gutmensch wie er im Buche steht, verständnisvoll, liebenswürdig und immer zur Aussprache bereit, Hauptsache sie kann ihren Willen durchsetzen.

Die Fassade bröckelt

Den Krieg dieser beiden Furien zu beobachten - wie schnell sich moralischen Werte ändern können, die Eifersucht der einen auf den scheinbaren Erfolg der anderen - bereitet besonders den Zuschauern Vergnügen, die immer sagen: „ Ich hab’s doch gewußt. Frauen sind halt wankelmütig“. Auf der anderen Seite die beiden Väter. Ihnen ist eigentlich klar, daß es nur eine Schulhofschlägerei war, und das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Eigentlich alles klar. Es gibt Opfer und Täter, der einen hat provoziert, der andere hat zugeschlagen. Die Versicherung wird’s regeln. Punktum. Aber, wie schon Wotan in  Wagners Ring, sind die beiden durch (Ehe)-Verträge gebunden.

(v.l.n.r.) Peter Kampschulte, Nina Machalz, Ralf Hocke und Anja Stange
Foto: Theater Hof © SFF Fotodesign
Ralf Hocke gibt das cholerische Muttersöhnchen Michel. Nur auf Intervention seiner Gattin zwingt er sich dazu, eine Rolle zu spielen, die ihm nicht paßt und die er nicht ausfüllen kann. Die Brüche in seiner Charakterisierung des Michel sind mehr als beeindruckend, sein verzweifelter Kampf gegen seine Frau, das Bemühen, die Dinge so schnell und so friedlich wie möglich zu regeln um danach eventuell mit der Gegenseite essen zu gehen oder sich sonst zivilisiert zu verhalten, ist aussichtslos. Kaum hat man eine Einigung scheinbar erreicht, wird von Véronique das nächste Level angestrebt. Hocke gibt der Figur des Michel eine sehr nahe gehende Tiefe, besonders in scheints unbeobachteten Momenten, wenn er von seiner Kleintier- und Kriechtierphobie berichtet und  allergische Ausschläge bekommt. Das Geständnis, daß er den Hamster seiner Tochter ausgesetzt hat, gerät zu seinem persönlichen Waterloo. Alle haben jetzt etwas gegen ihn in der Hand. Der Mann auf der Gegenseite, ein aalglatter schurkischer Rechtsanwalt, wird hervorragend von Peter Kampschulte gegeben. Stets auf der Lauer nach den Schwächen seiner Gegner, beobachtet er die Situation, um dann im entscheidenden Moment zuzustechen, wenn er nicht gerade am Handy seine Instruktionen für das Abwehren eines drohenden Medizinskandals gibt.

Showdown für ein
kongeniales Quartett

Der Showdown und damit das brillante Zusammenspiel von vier kongenialen Schauspielern beginnt in dem Moment, als Alkohol in Form von Guadeloupe Rum ins Spiel kommt. Die letzten Hemmungen fallen und der Gott des Gemetzels regiert wieder.
Zu sehen, wie sich die Spirale aus Anfechtungen, Verdächtigungen, Schuldzuweisungen und persönlichen Sachzwängen hochschraubt, wie die bürgerliche Fassade letztenendes zerbröckelt, wie das Tier im Menschen immer mehr Oberhand gewinnt, ist ein meisterliches Spiel der vier Schauspieler und der Regie von Ulrich Fischer.
Ein böser aber umso vergnüglicher Abend ging unter dankbaren Applaus zu Ende.
 
Besuchte Vorstellung: 21.01.08, Bayreuth - nächste Vorstellungen am 10. und 11. Februar in Hof
Alexander Hauer (Single, Gott sein Dank)
 
Weitere Informationen unter: www.theater-hof.com/

Redaktion: Frank Becker