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Bach für die stille Kammer
Die Distel, französisch „le chardon", soll das Sinnbild des Orchester Le Chardon sein, das dem französischen Namen zum Trotz in Ostfriesland beheimatet ist: Schönheit mit Stachel als programmatische Leitidee. In der neuesten CD mit Solo-Kantaten von Johann Sebastian Bach spielt das Ensemble in denkbar kleiner Besetzung, nämlich mit solistisch besetzen Streichern und auf originalen oder dem Original nachgebauten Instrumenten. Das reduzierte, kammermusikalisch klare Klangbild wird durch zurückgenommene Spielweise der Streicher noch unterstützt, sodaß die zarte Traversflöte, die der musikalische Leiter, Hajo Wienroth, spielt, zum bestimmenden Instrument wird. Wienroth verzichtet im Flötenpart auf jegliche Virtuosität und alles Manieristische. Vibrato ist ganz sparsam eingesetzt, Triller und Verzierungen finden sich nur wenig und in knappster Form. Diese fast spartanische Spielweise ist auch im „Orchester“, so man die kleine Continuo- und Streichergruppe als solches überhaupt bezeichnen kann, stilsicher umgesetzt. Zudem unterstützt die natürliche Akustik (die dem Gesangssolisten und konzertierendem Soloinstrument den Vorrang lässt, also ungekünstelt die Hörperspektive des Publikums wiedergibt) den intimen Charakter der Einspielung. Kantate BWV 82 Ich habe genug ist in einer Fassung für Tenorstimme und Traversflöte (in der üblicherweise gespielten Fassung Baßbariton und Oboe) eingespielt ist, was einen helleres, leichteres Klangbild zur Folge hat. In der Kantate BWV 55 Ich armer Mensch, ich Sünderknecht wird der Schlußchoral hier nicht vom Chor, sondern vom Solisten gesungen. Das folgt einem theologischen Programm, daß von der Todessehnsucht ("Ich habe genug") bis zur Hoffnung auf Erlösung ("Bleibt, ihr Engel, bleibt bei mir" als Abschlußder CD) konsequent die Perspektive des Individuums annimmt, weshalb der Choral als Gemeindegesang keinen Platz hat. Allerdings wären doch einige editorische Bemerkungen im Booklet wünschenswert, wie auch zur Arie „Mein Tröster ist nicht mehr bey mir“ aus der weitgehend verschollenen Markus-Passion BWV 247 (die Musik der Arie ist in der Kantate BWV 198 erhalten). Die Arie „Ich habe meine Zuversicht“ (aus der gleichnamigen Kantate BWV 188) ist von der Barockoboe begleitet (Marc Baigent spielt, dem Flötisten ebenbürtig, ebenso zurückhaltend wie einfühlsam). Tenor Markus Brutscher hat einen hellen, sehr leichten und beweglichen Tenor, den er fast vibratolos führt. Die Koloraturen bewältigt er sicher und unangestrengt. Allein bei einigen (wenigen) Spitzentönen fehlt eine Spur Glanz. Auch die kluge, unprätentiöse Phrasierung und Textgestaltung unterstreicht den introvertierten Charakter dieser Einspielung. Da ist selbst im letzten Stück in der Arie „Bleibt, ihr Engel, bleibt bei mir“ (aus BWV 19 Es erhub sich ein Streit) die Trompete (die über der figurierten Tenorstimme die Choralmelodie spielt) ganz dezent eingesetzt. Alles in allem eine in sich sehr stimmige Einspielung, die Bachs Musik in einer auf inneren statt auf äußeren Glanz ausgerichteten Weise deutet. |
 Bleibt, ihr Engel, bleibt bei mir
Arien und Kantaten von J. S. Bach Markus Brutscher, Tenor Ensemble Le Chardon Hajo Wienroth, Flöte Johann Sebastian Bach: Aria aus BWV 247 Mein Tröster ist nicht mehr bey mir Kantate BWV 82 Ich habe genug Arie aus Kantate BWV 161 Mein Verlangen Arie aus Kantate BWV 249 Sanfte soll mein Todeskummer Kantate BWV 55 Ich armer Mensch, ich Sünderknecht Aria aus Kantate BWV 78 Dein Blut, so meine Schuld durchstreicht Aria aus Kantate BWV 188 Ich habe meine Zuversicht Aria aus Kantate BWV 19 Bleibt, ihr Engel, bleibt bei mir Lunaris CD Weitere Informationen www.wienroth.net |
Klassik
06.01.09