Rusalka

Jiri Nekvasil inszeniert Dvoraks Märchenoper in Düsseldorf

von Peter Bilsing
Es war einmal… „Rusalka“

Märchenoper von Antonin Dvorak

Premiere am 6.12.2008 - Rheinoper Düsseldorf
 


Musikalische Leitung: John Fiore  -  Inszenierung: Jiri Nekvasil  -  Bühne/Kostüme: Daniel Dvorák  -  Chor: Christoph Kurig  -  Choreographie: Eva Zamazalová  -  Orchester: Düsseldorfer Symphoniker  -  Fotos: Eduard Straub

Besetzung:
Der Prinz: Corby Welch  -  Die fremde Fürstin: Victoria Safronova  -  Rusalka: Nataliya Kovalova  -  Der Wassermann: Hans-Peter König  -  Die Hexe: Renée Morloc  -  Der Heger: Bruno Balmelli  -  Der Küchenjunge: Katarzyna Kuncio  - 
1. Elfe: Anke Krabbe  -  2. Elfe: Lisa Griffith  -  3. Elfe: Laura Nykänen  -  Ein Jäger: Heikki Kilpeläinen
 

Ein bunter Zauberkasten

Alle Loy-Geschädigten und Feinde schaler bis kahl leergeräumter Bühnenbilder können aufatmen.
 
Das Leben im See - Foto © Eduard Straub
Nein, allen Unkenrufen zum Trotz: Dvoraks schönste Oper Rusalka spielt nicht im Irrenhaus, auf keiner Müllkippe oder im Herrenklo. Es wurde nichts dazuerfunden, psychologisiert oder subkutan bösartig unterwandert. Kein Regissseur will uns mit dem erhobenen Zeigefinger belehren oder den Komponisten beweisen, was er eigentlich tatsächlich gemeint, aber nicht geschrieben hat.
Nach langem Warten wird auch endlich mal wieder die Bühne so benutzt, wie sie gedacht ist, nämlich als großer bunter Zauberkasten der Illusionen. Regisseur Jiri Nekvasil hat sein Handwerk gelernt, und er beherrscht den Illusionkasten pyrotechnischer Effekte und raffinierter Brettel-Mechanik – es ist viel los auf Bühne. Licht (Volker Weinhard) und Technik (Bühne: Daniel Dvorak) brillieren, wobei die Kostüme nicht unbedingt immer gleich überzeugen. Alles was sich im Rahmen der Seelandschaft abspielt, ist passend und von der handwerklichen Qualität der alten Düsseldorfer Hänsel und Gretel-Heimeligkeit – zurück in die 60er. Was aber soll die goldbefrackte Gesellschaft, die samt und sonders aussieht, als steppe man gleich vorwärts in einer großen Chorus Line? Warum rudern die mit langen Pfauenfedern in riesigen Hängebrücken? Egal – es ist schön anzuschauen und füllt prächtig das Bild. Carpe…
 
 
A Chorus Line - Foto © Eduard Straub
A Chorus Line

Sie können Ihre Kinder ohne psychologische Vorwarnung klaglos in diese Oper schicken, oder mitnehmen. Es wird wirklich nur das Märchen erzählt und brav gesungen. Keine Ferkeleien, ausgelebte Obsessionen oder triviale Werkverfremdung. Die Darsteller singen meist friedvoll an der Rampe und agieren mit einfachen, verständlichen Gesten. Jeder kann sich ohne regiebedingte Zwangsneurosen, wie Herumrollen, Turnen oder Kletterübungen ganz auf seinen Gesang konzentrieren. Ein Dank hier ans Regieteam für diese endlich wieder schnörkellose und sängerfreundliche echte Opernkunst.
Vielleicht kommt für Corby Welch die Prinzenrolle etwas früh, aber er erfüllt sie wacker aus. Viktoria Safronova (Fürstin) singt mit Verve und dramatischer Expressivität, die dem Wassermann von Peter König zum Ende hin gelegentlich fehlt. Hexe Renee Morloc muß zwar scheußliche Kostüme tragen, singt aber wunderbar. Bruno Balmelli ist ein souveräner Heger und auch der Küchenjunge ist mit Katarzyna Kuncio gut besetzt. Nataliya Kovalova ist die wahre Prinzessin des Abends; ihre Rusalka ist nicht nur von betörender Schönheit – in welchem Kostüm auch immer – sondern sie meistert die schwierige Partie durch intelligente Rollengestaltung und kontrollierten Gesang. Die Stimme hört sich nie gefährdet an, denn sie singt unspektakulär – einfach schön. Das erfreut Aug und Ohr.
 
Rüdes Blech und laute Claque

Übers Orchester freut sich das Aug, denn es bleibt unsichtbar; weniger das Ohr. Obwohl John Fiore
 
Ein Quantum Trost vom Wassermann (König/Kovalova)
 Foto © Eduard Straub
alles gibt und auch mal wieder in seiner großen John-Fiore-Show zu „Rusalka“ alles blendend erklärt und probe-gesungen hat, haben die Düsseldorfer Symphoniker so ihre Schwierigkeiten mit Dvorak. Im rüden Blech fehlt recht viel an klangvoller Spielkultur – da heißt es traditionell entweder laut oder gar nicht. Zurückhaltendes Musizieren ist nicht jedermanns Sache. Na wenigstens produzieren die Streicher gelegentlich passable Rubato-Klänge. Ein großes Lob der Harfe, und auch die Holzbläser haben ihre Hausaufgaben gemacht. Die zwischenaktlichen Bravo-Rufe müssen wohl von Familienangehörigen stammen oder dienten der Anfeuerung. Egal, wir haben ja auch lange keinen Dvorak mehr an der Rheinoper gehört. Es kann nur besser werden.
 Statisterie und Tänzer wirbeln im ständigen Auf- und Ab der Bühnentechnik beeindruckend mühelos und auch der Chor (Ltg. Christoph Kurig) gibt sein Bestes.
 
A bisserl lang is es scho...

Wenn man nicht auf einer leeren Bühne spielt, sondern - im Gegenteil - richtig requisitenreich und

Betörende Rusalka - Foto © Eduard Straub
traumverloren zugebaut aus dem Vollen inszeniert, dann kriegen die Bühnenarbeiter ordentlich Arbeit, daher sind die zwei Pausen schon berechtigt. Daß aber die langen Pausen dann den Abend zu einer unendlichen Geschichte von fast 4 Stunden Dauer ziehen, ist ärgerlich und veranlaßte nicht wenige Opernfreunde, das Haus schon in der 22-Uhr-Pause zu verlassen; nicht empört, sondern weil der Zug wartete oder der Bus nach Holland sonst wohl abgefahren wäre. Auch die vielen Pannen sind eines Hauses ersten Ranges wie der Rheinoper unwürdig. Es darf doch wohl nicht wahr sein, daß Gestalter-Profis einfache Spiegelfolie nicht glatt montieren können und das Ergebnis (im 2.Akt) aussieht, als hätten Kleinkinder hier gebastelt und seien nicht fertig geworden.
 
...dennoch familiengerecht

Insgesamt aber eine „Rusalka“-Produktion mit der das Zwei-Städte-Institut bestimmt noch die nächsten 40 Jahre leben kann: zeitlos, bunt, märchenhaft phantasievoll und werktreu in jeder Zeile. Wer die Oper wegen der Regieauswüchse lange gemieden hat, sollte mit dieser Produktion dringend an sein Stammhaus wieder zurückgeholt werden. Und, liebe Muttis, Vatis, Kinder und Opis! Neben „Hänsel und Gretel“ gibt es nun endlich auch in Düsseldorf eine zweite Oper für die ganze Familie, genau passend in dieser Weihnachtszeit und auf gleichem Niveau. Viel Spaß!

Weitere Informationen unter:
www.rheinoper.de
 
Redaktion: Frank Becker