"Die ganze Welt wird mich kennen
und lieben!"
„In alle Ewigkeit“ Ein Theaterstück über Camille Claudel von Beate Rüter
Petra Koßmann beeindruckt tief mit ihrer Darstellung der französischen Bildhauerin Wiederaufnahme am 10.6.2011 Letzte Aufführung heute, 11.6.2011! Text und Regie: Beate Rüter - Schauspiel: Petra Koßmann - Flöte: Matthias Nahmmacher - Kostüme: Sabine Manteuffel - Fotos: Dirk Riedel und Frank Becker Fokus auf eine Frau
Im abgedunkelten Raum sitzt vor kahler Wand, im matten Umriß eines Lichtrechtecks eine zart wirkende Frau auf einem Stuhl. In desperater Motorik reibt sie Steine gegeneinander. In der Mitte des Raums zieht Licht die Aufmerksamkeit auf eine archaische Holzplastik, von deren Höhe sich der betörende Klang einer Flöte erhebt, deren süße Melodiebögen sich entrückt durch den Raum ranken, die gebannt auf ihren Plätzen sitzenden Zuschauer beinahe greifbar umschlingen und mit dem Schicksal der Frau auf dem Stuhl verknüpfen. Das Bild der Flötenspielerin ist der „Sirène“ Camille Claudels (1864-1943) entlehnt. Beate Rüter hat das unerhört dramatische Leben der genialen französischen Bildhauerin in Szenen, Momentaufnahmen, Reflexionen zu einem komplexen Theaterstück für eine Schauspielerin und eine Flötistin gerinnen lassen. So war das bei der Premiere 2008. Petra Koßmann wußte in dem kargen, dennoch hervorragend geeigneten Raum für Kunst OLGA in der Elberfelder Ludwigstr. 14 wiederum alles aus der Rolle, der Figur der Camille Claudel herauszuholen. Die Erschütterung beim Publikum war mit Händen greifbar, die neue Begleitung durch den Flötisten Matthias Nahmmacher (ensemble sonorfeo) trug auch mit neuen Akzenten wesentlich zum Erfolg bei.
Hohe Kunst
Petra Koßmann gibt erneut packend, rührend, mit- und hinreißend diese starke Frau, die sich gegen die gesellschaftlichen Vorurteile ihrer Zeit als anerkannte Bildhauerin durchsetzen und behaupten konnte – und die einem Ikarus gleich beim Flug zur Sonne stürzte. Die Verehrung des großen Mentors Auguste Rodin - die zur Liebe, zur Amour fou, zur Liaison fatale wird, die sie zunächst in den erträumten Olymp hebt, dann aber vernichtet – wird von 1881 das Denken, Fühlen, Handeln dieser Frau bestimmen, die einen Vulkan in sich trägt. In Beate Rüters Stück agiert eine Person, allein mit und in ihren Gedanken, Gefühlen – als einzige Stimme, die von außen ihre Isolation durchdringt, oft in unmittelbaren Dialog mit ihr tritt, eine Flöte (Matthias Nahmmacher). Und doch: wir werden durch die hohe Kunst der Schauspielerin Zeuge von Zwiegesprächen, heftigen Auseinandersetzungen, ganzen Vernissage-Gesellschaften. Petra Koßmann läßt um Camille herum und mit unsichtbaren Gegenübern Situationen sichtbar werden, sie spricht mit ihrem Vater Louis-Prosper Claudel, ihrer Mutter Louise, ihrem Bruder Paul, dem kleinen Paul, der später ein berühmter Schriftsteller und Diplomat wurde, mit Claude Debussy und Romain Rolland. Matthias Nahmmachers Flöte übernimmt nicht nur die Rolle des Widerparts, sondern öfter auch die des für Momente beschwichtigenden Elements, sei es als Rodin oder mehr noch als Debussy.
Abgleiten in die Paranoia
Camille Claudel wird am 10. März 1913 auf Ersuchen ihrer Mutter in die Nervenheilanstalt Nr. 3630 eingeliefert und dort trotz günstiger Prognosen auf Intervention der Mutter weiter festgehalten. Bis zu ihrem Tod am 19. Oktober 1943 wird sie den trostlosen 30-jährigen „Rest“ ihres Lebens im Irrenhaus verbringen. Was für ein Verlust für die Welt!
Großer Wurf
Beate Rüter und ihrem erlesenen Ensemble ist mit „In alle Ewigkeit“ ein ganz großer Wurf gelungen, der sich bei der Wiederaufnahme wiederholte.
Heute, 11. Juni 2011 besteht nun noch einmal die Möglichkeit, Petra Koßmann als Camille Claudel zu erleben. Im OLGA - Raum für Kunst, Wuppertal-Elberfeld, Ludwigstr. 14, gibt es eine zweite Vorstellung der Inszenierung von Beate Rüter. Den Part der Flöte hat Matthias Nahmmacher brillant übernommen. Sich für den Abend eine Karte zu sichern, kann sehr empfohlen werden: matthias_nahmmacher@gmx.de. Weitere Informationen unter: www.o-l-g-a.de Literaturempfehlungen zum Stück:
Reine-Marie Paris: Camille Claudel 1864-1943, deutsch von Annette Lallemand, © 1989 S. Fischer
Rainer Maria Rilke: Auguste Rodin, © 1924 Insel Verlag Leipzig
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