Germknödel

Gustavo Dudamel dirigiert in Essen die Göteborger Symphoniker

von Peter Bilsing



Mozartkugeln & Germknödel statt Beethoven
 
Montag 20. Oktober 2008
 
Göteborg Symphony Orchestra
Gustavo Dudamel, Dirigent
 
Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 2 D-Dur, op. 36
Richard Strauss: "Ein Heldenleben" - Tondichtung, op. 40
 
Seit 2007 ist Gustavo Dudamel Chefdirigent der Göteborger Symphoniker und ab 2009 wird er das Los Angeles Philharmonic Orchestra übernehmen. Ob er dann noch viel Zeit für sein „Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela“ haben wird, bleibt dahingestellt. Jedenfalls wandelt der sicherlich mit Abstand jüngste „Dirigier-Shootingstar“ aller Zeiten auf einer goldenen Straße in eine noch goldenere Zukunft. Immerhin plant die Deutsche Grammophon für ihren Star wohl schon eine neuen Beethoven-Zyklus, nachdem die WA der unzähligen Karajan-Revival-Collections wohl nicht das erwartete Kleingeld gebracht hat. Ein Mahler-Zyklus ist unbestätigten Gerüchten zufolge wohl auch im Gespräch.
 
Doch erst einmal gilt es auch fern südamerikanischer Tanzstücke und Brasil-Rhythmen in „seriöser“ Alltagsklassik zu bestehen. Und da tut sich Dudamel schwer, denn abgesehen von einer Riesenshow erschloß sich mir der tiefere künstlerische Wert seines Programms (Beethovens 2. / Strauss: Ein Heldenleben) sowenig wie dessen seltsame Auswahl. Doch trotz des langweiligen Programms und der hohen Preise war die Essener Philharmonie fast ausverkauft. Weniger mit Kennern, als mit Duda-Fans…
 
Fangen wir mit Beethovens Zweiter an. Schön laut, schön schnell, schön wohltönend. Saftig und fett (auch in der Orchesterbesetzung), als hätte es Dirigenten, wie Albrecht, Harnoncourt oder letztlich noch Haitink (siehe meine Besprechung des Zürcher FIDELIO) nie gegeben. Ein Gala-Beethoven dessen Halbwertzeit die eines einzigen Konzertes kaum überschreiten dürfte. Da bleibt nichts Nachhaltiges, nichts Bemerkenswertes haften, und auf den Spuren ernsthafter Beethoven-Interpretation bewegte sich leider wenig – dieser Beethoven kam in Form von zuckersüßen Mozartkugeln und kalorienschweren Germknödeln daher. Ich mag beides nicht, daher abhaken und zum zweiten Teil.
 
Mehr geht nicht, sagte schon der erste Blick auf rund 135 Musiker der technisch immer und jeder Zeit brillant aufspielenden Göteborg Philharmonic. Nur beim Venezuelanischen Jugendorchester hatte ich bisher mehr Künstler auf dem Orchesterpodium gesehen. Doch Quantität ist kein Garant für Qualität. Im Gegenteil! Schneidend brillantes Blech, himmlische Hörner und ein superber 1. Geiger an sich stellen noch kein Strauss´sches Heldenleben dar. Alles rauscht vorbei, aber ohne innere Tiefere und Empathie – „Ein Heldenleben“ als pures Showstück von Bläserkompetenz - zwar: oberflächlich so mitreißend wie das Opening von „Zarathustra“, aber danach kommt ja erst der wahre Strauss (was viele nicht wissen) und den blieb Dudamel schuldig. Um nicht fehlverstanden zu werden: fast alles war wirklich technisch perfekt und von überrumpelnder Dirigierartistik; ohrenbetörend, aber letztlich herzlose Sachertorte mit viel Sahne. Ein Weltstar der Dirigierkunst muß mehr bringen!
 
„Ende gut alles gut“ – denn am Ende kommt die lateinamerikanische Zugabe, und alles steht auf den Stühlen, seriöse Musiker reißen ihre Jacketts von den Schultern, werden zu Tanzaffen und er Dirigent zeigt, wer er eigentlich ist, der große und alles begeisternde World Public Mambo King. Es schien, daß die meisten Besucher nur wegen dieser 3 Minuten gekommen waren. Gustavo Dudamel muß im Bereich der ernstzunehmenden Klassik noch hart arbeiten, und aufpassen, daß sein Image nicht zu dem eines Pausenclowns degeneriert. Das wäre wirklich schade. Und ob man da mit Spielereien wie dem beinah einminütigem Ausharren im erhobenen Taktstock nach dem Heldenleben-Finale, oder Sperenzchen wie dem Auswendig-Dirigieren weiterkommt, scheint mir mehr als fraglich. Aber vielleicht ist das, in der neuen Kunstwelt á la Netrebko und Imitatoren, eben genau das notweniges Accessoire.