Das bewegte Leben
einer außergewöhnlichen Künstlerin Herrin ihrer Kunst Elisabet Ney Bildhauerin in Europa und Amerika "Im Oktober 1859 kam die Bildhauerin Elisabeth Ney, Großnichte des Marschalls, aus Berlin hierher, um meine Büste zu machen. Sie ist sehr hübsch und unbeschreiblich liebenswürdig. Sie arbeitete in einem abgesonderten Zimmer meines Jetzigen (viel schöneren und größeren) Logis, Tag für Tag, fast vier Wochen lang... Die Büste ist vierzehn Tage lang ausgestellt gewesen und von allen höchst ähnlich befunden worden und sehr schön gearbeitet. Sie sollte nun nach Berlin, um dort vervielfältigt und verkauft zu werden, um Weihnachten wollte Fräulein Ney in Berlin sein; nachdem sie zuvor in Hannover gewesen, den König (Georg V., Anm.) in Marmorbüste machen.", schrieb der Philosoph und berüchtigte Frauenhasser Arthur Schopenhauer am 1. März 1860 an seinen Schüler Adam von Doß. Die wenigen Zeilen lassen erkennen, welche Wertschätzung die damals erst 26-jährige Elisabet Ney (1833-1907) durch ihre Kunst und ihr Wesen allgemein und auch bei Schopenhauer genoß. Wir sehen die Künstlerin übrigens in einem Portrait, das Friedrich Kaulbach im selben Jahr von ihr malte, oben auf dem Umschlag des hier besprochenen Buches, im Hintergrund die Büste Georgs V.. Ähnlich äußert sich Schopenhauer auch gegenüber Dr. Ernst Otto Lindner.
Ein brennender Wunsch Als Tochter eines Steinmetz in Münster geboren und dort aufgewachsen, hatte Elisabet Ney schon
Unermüdliche Arbeit und Reisen Nach unermüdlicher Arbeit und großen Erfolgen mit Büsten, Reliefs und Medaillons sowie vermutlich der Mitarbeit am Grabmal von Ernst August I. von Hannover kann sie noch vor 1857, dem 80. Geburtstag ihres Mentors Rauch dessen Büste arbeiten. Es folgen Büsten Varnhagens, nach dem Tod Rauchs die von Jacob Grimm und schließlich Arthur Schopenhauer und Georg V. von Hannover. Die Freundschaft zu Cosima von Bülow führt sie in weitere Gesellschaftskreise ein. 1860 kehrt sie für beinahe drei Jahre nach Münster zurück, arbeitet weiter und stellt u.a. in Berlin, Paris, Münster, Köln aus. Seit 1854 ist sie mit dem englischen Arzt Edmund Montgomery liiert, den sie heimlich 1863 auf Madeira heiratet, wo sich beide für anderthalb Jahre wegen seiner Tuberkulose aufhalten. London, Wien, Berlin, erneut München, dann wieder Madeira, Lissabon, Menton, Genua, wieder Berlin, Hannover, London und Tirol sind die nächsten Stationen innerhalb von nur drei Jahren. In München hat sie eine Villa, in Berlin und auf Madeira je ein Atelier. Bei der Weltausstellung 1867 in Paris stellt sie u.a. die Büsten Giuseppe Garibaldis und Fürst Otto von Bismarcks aus. Es folgen erneut Hannover, München, Berlin. Überstürzte Auswanderung nach Amerika Elisabet Ney scheint wie in einem wechselnden Rausch von Bewegung und Statik gefangen. Reisen
Anerkennung beiderseits des Atlantik Bis 1907, sie stirbt am 29. Juni auf ihrer Farm in Texas, folgt eine weitere Vielzahl an Reisen nach Europa, durch Deutschland und Österreich, arbeitet Elisabet Ney unablässig an Portraits, ficht vor Gerichten Streitigkeiten um Urheberrechte aus und findet mit ihren Arbeiten sowohl in den USA wie in Europa weite Anerkennung und Verbreitung. 1894 wird das Standbild Ludwigs II. in Marmor fertig. Der Berliner Bildhauer Franz Ochs hat die Ausfertigung übernommen. Eine ihrer letzten Arbeiten wird eine Statue der Lady Macbeth, gewiß auch eines ihrer bedeutendsten Werke. Hat sie doch die Porträt-Büsten stets eher als Broterwerb betrachtet und gewertet. Der Betrachter allerdings kommt nicht umhin, die hohe Kunst zu bewundern, das sensible Einfühlen in das Wesen, den Charakter der porträtierten Personen. Sie hat in der Tradition der französischen Bildhauerei und als getreue Schülerin und Verwalterin des künstlerischen Erbes Christian Daniel Rauchs Ab-Bilder geschaffen, die erkennen lassen, wer und was die Personen waren, deren Bild nicht zuletzt durch Elisabet Ney
"In Austin hatte sie sich allgemeine Verehrung und Liebe gewonnen, wie kein anderer Bewohner dort. Diese Verehrung erstreckte sich in der That über ganz Texas - ein Staat viel größer als ganz Deutschland. Die Schulkinder lernen in dem Geschichtsunterricht, wie dankbar der Staat ihr für ihre kunstreiche Verewigung seiner Nationalhelden sei. Der Staat zeichnete sie aus durch Verleihung des Ehrendiploms einer Tochter von Texas." - Edmund Mongomery an Marie Lueder in Werne bei Bochum, 1. Juli 1907, geschrieben zwei Tage nach Elisabet Neys Tod. Ein Standardwerk zu Elisabet Neys Leben und Werk Elisabet Ney erfährt 100 Jahre nach ihrem Tod in Deutschland eigentlich nur im Stadtmuseum Münster die ihr gebührende Würdigung. In den USA ist dies längst geschehen. Anläßlich einer Ausstellung, die vom Januar bis Mai 2008 in Münster gezeigt wurde, hat Barbara Rommé einen Katalog erarbeitet, der mit ihren Texten und denen von Karl-Heinrich Hucke, Karen Lemmey, Peter Oestmann, Barbara Welzel, Dagmar von Stetten-Jelling, Katharina Tiemann, Wilm Brepohl, Wolfgang U. Eckart, Birgit Kümmel, Sibylle Einholz, Nikolaus Gatter, Saskia Johann, Annette Gebhardt, Thomas Steinhauser, Helke Kammerer-Grothaus, Henry Keazor, Birgit Franke, Michael Schäbitz, Charlotte A. Lerg, Mary Collins Blackmon, Rita Kauder-Steininger und Edda Bußmann für Freunde der Bildhauerkunst unverzichtbar geworden ist. Reich und farbig bebildert, mit Literaturverzeichnis, Orts- und Personenregister und einer brillant zusammengestellten biographischen Skizze haben wir hier das erste gültige Standardwerk über Leben und Werk der Elisabet Ney. Ein großartiger Wurf. Herrin Ihrer Kunst - Elisabet Ney - Bildhauerin in Europa und Amerika (1833-1907)
© 2008 Stadtmuseum Münster/Wienand Verlag, 300 Seiten, Kunstdruck, gebunden, mit zahlreichen farbigen und s/w-Abbildungen, beiliegend eine CD-ROM mit Biographie, Quellen und Werken - ISBN 978-3-87909-945-0, 38,- €
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