Berlin im Licht

Eine Ausstellung des Märkischen Museums Berlin

von Friederike Hagemeyer

© Märkisches Museum

„Berlin im Licht“und im Schatten


Das Märkische Museum Berlin, heute Teil der Stiftung Stadtmuseum, ist im Juni  hundert Jahre alt geworden – Anlaß genug, dieses Ereignis mit einer großen Sonderschau zu begehen. Die Ausstellung „Berlin im Licht“ knüpft einerseits an Früheres an, denn vor 80 Jahren beteiligte sich das Märkische Museum mit einer eigenen Ausstellung an der Berliner Werbewoche „Berlin im Licht“. Andererseits wird mit dieser Ausstellung ein neuer Ansatz historischer Berlin-Forschung vorgestellt. Die politische, wirtschaftliche und soziale Geschichte Berlins unter dem Aspekt der Entwicklung des Kunstlichts zu betrachten, das ist wirklich neu. Denn wahrhaftig, von den 1820er Jahren bis zum 1. Weltkrieg gab es wohl kaum einen Lebensbereich in der Stadt, der nicht durch die Möglichkeiten der neuen Erfindung umgekrempelt wurde.

„Hell wie der lichte Tag...“

Kronleuchter - Foto:
© Vera Grevel

Es beginnt mit der Straßenbeleuchtung. Bezeichnender Weise ist es die oberste preußische Polizeibehörde, das Innenministerium, das auf bessere „Erleuchtung“ Berlins drängt. Das arme Preußen verfügt weder über das technische Wissen noch über das nötige Kapital für die erforderlichen Investitionen. Deshalb geht der erste Auftrag an eine englische Firma, die „Imperial Continental Gas Association (ICGA)“. Zwanzig Jahre später steigt die Stadt Berlin mit eigenen Gasanstalten in das lukrative Geschäft ein. 1847 beleuchten schon 2.055 stadteigene Gaslaternen die Innenstadt, die alten Öllampen verschwinden aus den Berliner Straßen.
Die ersten, die die Möglichkeiten des neuen Kunstlichts nutzen, sind Hotels, Restaurants und gewerbliche Unternehmen.
Um 1900 gibt es in der Stadt neun teils englische, teils städtische Gaswerke, die rund um die Uhr in 2 Schichten à 12 Stunden Gas produzieren. 1910 arbeiten 6.000 Arbeiter in den Gasanstalten, ab 1907 im 3-Schichten-Betrieb. 900 km Gasleitungen liegen unter den Straßen Berlins, jede 3. bis 4. Wohnung wird mit Gas versorgt, Fabrikhallen sind mit effizienter Gasbeleuchtung ausgestattet; die zum Überleben notwendige Heimarbeit dagegen müssen ärmere Leute noch lange bei Tageslicht am Fenster verrichten.

Café Vaterland - © Archiv Musenblätter
Um diese Zeit tritt der große Konkurrent, das elektrische Licht, auf den Plan. Das mondäne Café Bauer, Unter den Linden / Ecke Friedrichstraße gelegen, wird 1884 elektrifiziert und gibt den Startschuß. Bis 1914 können sich nur sehr wohlhabende Haushalte diese moderne Beleuchtung leisten.

Die großen Elektrokonzerne entstehen in Berlin: Siemens & Halske, AEG und Osram beispielsweise. In der Glühlampenherstellung werden für die feinen Arbeiten zunehmend Frauen eingesetzt, die Arbeitswelt verändert sich.
 
© Märkisches Museum
Im ersten Weltkrieg steigen diese Konzerne in die gewinnbringende Rüstungsproduktion ein. Die Männer sind an der Front, immer mehr Frauen finden Arbeit in den Rüstungsbetrieben.
1928 präsentiert sich die Reichshauptstadt während der Werbewoche „Berlin im Licht“ als moderne zukunftsorientierte Lichterstadt. Vom Kurfürstendamm bis zum Alexanderplatz funkeln und glitzern Leuchtreklamen; Theater- und Lichtspielhäuser, Amüsierpaläste und Kaffeehäuser, Festsäle und Ballhäuser erstrahlen in den Hauptstraßen und locken Berliner aller Schichten wie Motten in ihren Bann. Direkt in den angrenzenden Nebenstraßen sind die Tingeltangel, Kaschemmen, Animierkneipen und die bewußten Etablissements mit der roten (elektrischen) Laterne angesiedelt.

Licht wird zum Politikum


Unter den Linden - © Märkisches Museum
Wie Macht mit Hilfe des elektrischen Lichts inszeniert werden kann, das beherrschen die Nazis in Perfektion. 1936 formt Albert Speer mit dem „Baustoff Licht“ bei der Abschlußkundgebung zur Olympiade einen „Lichtdom“ – durch senkrecht gerichtete Flakscheinwerfer! Schon vorher, im März 1935, wird die totale Verdunkelung der Stadt zum ersten Mal geprobt. Was das wirklich bedeutet, ist den Berlinern wohl noch nicht ganz klar, denn scharenweise pilgern sie auf den
Kreuzberg, um sich das romantische Bild des dunklen Berlins nicht entgehen zu lassen. Höhepunkt Hitlerscher Machtinszenierung ist die feierliche Übergabe der Ost-West-Achse an den Verkehr am 19. April 1939. Langsam im offenen Wagen fährt Hitler vom Brandenburger Tor zum heutigen Theodor-Heuss-Platz (früher Adolf-Hitler-Platz). Jeweils auf seiner Höhe werden nacheinander die großen „Speer-Leuchten“ eingeschaltet – eine technische Meisterleistung, aber die Symbolik ist nicht zu übersehen: Hitler der „Lichtbringer“! Nur viereinhalb Monate später, am 1. September 1939 bringt Hitler Berlin die Finsternis, die nächtliche Verdunkelung dauert bis zum Kriegsende an.

„Berlin soll leuchten“

Der Wiederaufbau in der geteilten Stadt führt zu geteilter nächtlicher Beleuchtung. Der

Breitscheidplatz
© Märkisches Museum
Kurfürstendamm funkelt bald wieder; trotzig strahlt 1957 der Schriftzug „Berlin soll leuchten“ von der Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.
Die Stalinallee (heute wieder Frankfurter Allee) erhält als „erste sozialistische Straße auf deutschem Boden“ ihre eigenen Straßenlampen,

Stalinallee - © Archiv Musenblätter
die „Paulick-Leuchten“, benannt nach Richard Paulick, einem der Stalin-Allee-Architekten. In anderen Teilen Ost-Berlins hat die Straßenbeleuchtung noch lange den Charakter einer Notbeleuchtung.
Nach dem Mauerbau am 13.August 1961 sind die beiden Stadthälften beim Anflug auf Berlin deutlich zu unterscheiden: getrennt durch das weißgleißende Band der Mauer wirkt die Osthälfte dunkel, nur von wenigen Lichtpunkten erhellt, die Westhälfte dagegen erstrahlt umso heller.

Hundert Jahre "Elektrisch Licht"

Heute, hundert Jahre nach der Erfindung der Osram-Glühlampe ist die Lichtfaszination eher der
 
Mauerleuchte - © Märkisches Museum
Skepsis gewichen. Themen wie „Lichtsmog“ und Energiesparen stehen im Vordergrund der Diskussion. Ein erstes Anzeichen für das neue Energie-Bewußtsein Berlins ist an der Avus zu sehen; zu Westberliner Zeiten war dieser Autbahnzubringer in die Berliner Innenstadt hell erleuchtet, heute sind die Lampen abgeschaltet.
Das Märkische Museum hat für diese Ausstellung seine Schatzkammern geöffnet: es sind z.B. wunderschöne auf elektrisches Licht umgerüstete Kristall-Lüster zu sehen, fast schamhaft schlängeln sich dünne Kabel an den Streben der Kronleuchter entlang. Ein Modell des großen Schauspielhauses von Hans Poelzig zieht die Blicke an, Gemälde nächtlicher Straßenszenen von Lesser Ury, Lyonel Feiniger und Hans Baluschek sind zu bewundern, Plakate von Amüsieretablissements und Aufrufe zur Verdunkelung geben Einblick in vergangene Gegenwart, und last not least beeindrucken Fotos aus Firmenarchiven z.B. aus dem der AEG. Die Speer- und die Paulick-Leuchte sind in Originalgröße ausgestellt. Verwundert reibt man sich die Augen, könnte es sein, daß die beiden nach konträren ideologischen Prinzipien konzipierten Straßenlampen eine gewisse Ähnlichkeit haben?

Unbedingt hinzuweisen ist abschließend auf das umfangreiche Rahmenprogramm, das mehr als nur
 
Berlin Ost - Schönhauser Allee
© Märkisches Museum
die üblichen Vorträge zum Thema bietet: Es gibt beispielsweise Stadtführungen, die Möglichkeit hinter Theaterkulissen zu schauen, Firmenbesichtigungen und spezielle Workshops für Schüler im Lichtlabor.
„Berlin im Licht“ zeigt Berlin bis zum 1. Februar 2009 in einem neuen Licht – es lohnt sich für Berliner und Berlin-Besucher dieser Schau einen Besuch abzustatten.

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