„Berlin im Licht“ – und im Schatten
Das Märkische Museum Berlin, heute Teil der Stiftung Stadtmuseum, ist im Juni hundert Jahre alt geworden – Anlaß genug, dieses Ereignis mit einer großen Sonderschau zu begehen. Die Ausstellung „Berlin im Licht“ knüpft einerseits an Früheres an, denn vor 80 Jahren beteiligte sich das Märkische Museum mit einer eigenen Ausstellung an der Berliner Werbewoche „Berlin im Licht“. Andererseits wird mit dieser Ausstellung ein neuer Ansatz historischer Berlin-Forschung vorgestellt. Die politische, wirtschaftliche und soziale Geschichte Berlins unter dem Aspekt der Entwicklung des Kunstlichts zu betrachten, das ist wirklich neu. Denn wahrhaftig, von den 1820er Jahren bis zum 1. Weltkrieg gab es wohl kaum einen Lebensbereich in der Stadt, der nicht durch die Möglichkeiten der neuen Erfindung umgekrempelt wurde.
„Hell wie der lichte Tag...“
Es beginnt mit der Straßenbeleuchtung. Bezeichnender Weise ist es die oberste preußische Polizeibehörde, das Innenministerium, das auf bessere „Erleuchtung“ Berlins drängt. Das arme Preußen verfügt weder über das technische Wissen noch über das nötige Kapital für die erforderlichen Investitionen. Deshalb geht der erste Auftrag an eine englische Firma, die „Imperial Continental Gas Association (ICGA)“. Zwanzig Jahre später steigt die Stadt Berlin mit eigenen Gasanstalten in das lukrative Geschäft ein. 1847 beleuchten schon 2.055 stadteigene Gaslaternen die Innenstadt, die alten Öllampen verschwinden aus den Berliner Straßen. Die ersten, die die Möglichkeiten des neuen Kunstlichts nutzen, sind Hotels, Restaurants und gewerbliche Unternehmen.
Um 1900 gibt es in der Stadt neun teils englische, teils städtische Gaswerke, die rund um die Uhr in 2 Schichten à 12 Stunden Gas produzieren. 1910 arbeiten 6.000 Arbeiter in den Gasanstalten, ab 1907 im 3-Schichten-Betrieb. 900 km Gasleitungen liegen unter den Straßen Berlins, jede 3. bis 4. Wohnung wird mit Gas versorgt, Fabrikhallen sind mit effizienter Gasbeleuchtung ausgestattet; die zum Überleben notwendige Heimarbeit dagegen müssen ärmere Leute noch lange bei Tageslicht am Fenster verrichten.
Die großen Elektrokonzerne entstehen in Berlin: Siemens & Halske, AEG und Osram beispielsweise. In der Glühlampenherstellung werden für die feinen Arbeiten zunehmend Frauen eingesetzt, die Arbeitswelt verändert sich.
Im ersten Weltkrieg steigen diese Konzerne in die gewinnbringende Rüstungsproduktion ein. Die Männer sind an der Front, immer mehr Frauen finden Arbeit in den Rüstungsbetrieben.
1928 präsentiert sich die Reichshauptstadt während der Werbewoche „Berlin im Licht“ als moderne zukunftsorientierte Lichterstadt. Vom Kurfürstendamm bis zum Alexanderplatz funkeln und glitzern Leuchtreklamen; Theater- und Lichtspielhäuser, Amüsierpaläste und Kaffeehäuser, Festsäle und Ballhäuser erstrahlen in den Hauptstraßen und locken Berliner aller Schichten wie Motten in ihren Bann. Direkt in den angrenzenden Nebenstraßen sind die Tingeltangel, Kaschemmen, Animierkneipen und die bewußten Etablissements mit der roten (elektrischen) Laterne angesiedelt.
Licht wird zum Politikum
„Berlin soll leuchten“ Der Wiederaufbau in der geteilten Stadt führt zu geteilter nächtlicher Beleuchtung. Der
Die Stalinallee (heute wieder Frankfurter Allee) erhält als „erste sozialistische Straße auf deutschem Boden“ ihre eigenen Straßenlampen,
Nach dem Mauerbau am 13.August 1961 sind die beiden Stadthälften beim Anflug auf Berlin deutlich zu unterscheiden: getrennt durch das weißgleißende Band der Mauer wirkt die Osthälfte dunkel, nur von wenigen Lichtpunkten erhellt, die Westhälfte dagegen erstrahlt umso heller.
Hundert Jahre "Elektrisch Licht" Heute, hundert Jahre nach der Erfindung der Osram-Glühlampe ist die Lichtfaszination eher der
Das Märkische Museum hat für diese Ausstellung seine Schatzkammern geöffnet: es sind z.B. wunderschöne auf elektrisches Licht umgerüstete Kristall-Lüster zu sehen, fast schamhaft schlängeln sich dünne Kabel an den Streben der Kronleuchter entlang. Ein Modell des großen Schauspielhauses von Hans Poelzig zieht die Blicke an, Gemälde nächtlicher Straßenszenen von Lesser Ury, Lyonel Feiniger und Hans Baluschek sind zu bewundern, Plakate von Amüsieretablissements und Aufrufe zur Verdunkelung geben Einblick in vergangene Gegenwart, und last not least beeindrucken Fotos aus Firmenarchiven z.B. aus dem der AEG. Die Speer- und die Paulick-Leuchte sind in Originalgröße ausgestellt. Verwundert reibt man sich die Augen, könnte es sein, daß die beiden nach konträren ideologischen Prinzipien konzipierten Straßenlampen eine gewisse Ähnlichkeit haben?
Unbedingt hinzuweisen ist abschließend auf das umfangreiche Rahmenprogramm, das mehr als nur
„Berlin im Licht“ zeigt Berlin bis zum 1. Februar 2009 in einem neuen Licht – es lohnt sich für Berliner und Berlin-Besucher dieser Schau einen Besuch abzustatten.
Weitere Informationen unter: www.stadtmuseum.de/berlinimlicht
www.stadtmuseum.de/index Text © 2008 Friederike Hagemeyer |