Die Leichtigkeit des Seins und die Schwere der Liebe

The Damnwells - "Air Stereo"

von Bernd Geisler
Die Leichtigkeit des Seins
und die Schwere der Liebe

Ich liebe es, ein Album in der Hand zu haben, dessen Künstler mir unbekannt sind. Ich schaue nicht aufs Cover, ich checke nicht das Internet auf „gut“ oder „schlecht“, ich rufe niemanden an („Kennst du...?“).

Ich liebe diese Spannung vor dem, was mich erwartet. Ich mag es, bei den ersten Tönen in Verzweiflung abzurutschen, um drei Sekunden später laut loszubrüllen wie Herbert Zimmermann bei der 54er Fußball-WM und - wenn’s geht -  mitzusingen oder vor den Boxen zu knien („Mach’ bitte so weiter!“) und dann aus Enttäuschung flach zu liegen wie ein ohnmächtiger Marathonläufer nach den ersten drei Kilometern.

Kurz: Ich gebe mich hin. Wie die Jungfrau beim ersten Mal. Ein noch so nervenaufreibender Krimi ist dagegen langweilig wie eine leere Konservendose. Und oft bin ich der Marathonläufer, seltener Herbert Zimmermann. Das hat natürlich mit persönlichen Geschmack zu tun, mit Kindheitserinnerungen und mit Hoffnungen. Keine Frage. Aber das ist auch das Schöne daran. Es ist MEIN Erlebnis, und niemand kann es mir nehmen.

Und jetzt bedaure ich all diejenigen, die diesen Text über „The Damnwells - Air Stereo“ lesen, ohne das Album gehört zu haben. Sie werden die soeben beschriebene Aufregung nicht erleben können. Höchstens so etwas wie „Hat er Recht?“

Ob ich Recht habe, ist mir gleichgültig. Weil ich jetzt noch im euphorischen Hoch schwelge wie ein Segelflieger in rasanter Thermik. Sänger Alex Dezen könnte seine Songs durchweg alleine auf der Wanderklampfe zupfen. Die Fülle ohrgängiger Hooklines und  romantisch-direkter Texte („I’ve got songs that stall when they start. I’ve got you babe.“) tragen jedes schlichte Arrangement. Vermutlich aus diesem Grund hebt die Band mit einer durch zu viel Kompression gejagter, pumpender Snare und bisweilen matschigem Retro-Gitarrenverzerrer verkrampft den Finger. Aber es funktioniert trotzdem. Dezens Stimme schwebt mit der Leichtigkeit des Seins und der Schwere der Liebe über seinen Liedern, seine Kompositionen scheinen einem magischen Zauber entsprungen.

Mich erinnert die Band an Matchbox Twenty und stellenweise an Tom Petty and the Heartbreakers. Ein wenig Crowded House scheint auch drin zu stecken.

Und damit ist dieses Album bestens geeignet - aber nicht nur! - für die schmusigen Stunden zu zweit. Vor allen Dingen beim ersten Stelldichein.

Mädels, worauf wartet ihr?
Beispielbild

The Damnwells
Air Stereo
 
Alex Dezen  -  Lead Vocals, Guitar, Piano
David Chernis  -  Lead Guitar
Ted Hudson  -  Bass Guitar
Steven Terry  -  Drums
Gastmusiker
 
Produzent: Jon Kaplan, Wes Kidd, The Damnwells
Label: Zoe Records
Album Design: Steven Jurgensmeyer, Sarah Lainie Smith
 
Titel:
1. I've Got You   3:31
2. Accidental Man   4:29
3. You Don't Have to Like Me to Love Me (tonight)   3:48
4. Golden Days   4:19
5. Louisville   4:33
6. Sell the Lie   3:34
7. Shiny Bruise   5:06
8. Heartbreaklist   3:55
9. Kung Fu Grip Kiss   4:29
10. I Am a Leaver   5:00
11. Graceless   4:40
12. Keep a Little Organ   5:07
13. God Bless America   10:09
 
Gesamtzeit: 62:40
 
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