Subkulinaria - Ernährung in der zeitgenössischen Kunst

Kunstausstellung in der Deutzer Brücke in Köln

von Susanne Buckesfeld

Deutzer Brücke - www.subkulinaria.de
Kunstausstellung in der Deutzer Brücke in Köln

Subkulinaria –
Ernährung in der zeitgenössischen Kunst


Verschiedene Ereignisse katapultierten in diesem Jahr das Thema Ernährung auf die ersten Seiten der Presse: Nahrungsmittelknappheit und steigende Preise für Lebensmittel, Hunger und Fettleibigkeit, Gentechnik und die bedrohte biologische Vielfalt. Auch Künstlerinnen und Künstler aller Sparten tragen zu dieser Debatte bei und eröffnen mit ihren Werken neue Perspektiven auf die komplexe Thematik. Die Ausstellung „Subkulinaria“ präsentiert vom 8. bis 10. und vom 15. bis 17. August 2008 im Inneren der Deutzer Brücke in Köln die Werke zwölf bildender Künstler aus sieben Ländern. Sie setzen sich in ihren Werken mit Ernährung auseinander, indem sie Subkultur und Kulinarisches miteinander vereinen. „Subkulinaria“ ist ein Projekt des internationalen Netzwerkes Cultura21.

Unter dem Titel Il Gambero Nero - Die schwarze Garnele veröffentlichte der italienischer Fotograf Davide Dutto ein illustriertes Kochbuch mit Rezepten aus dem Gefängnis. Eine Auswahl seiner
 
eindrucksvollen schwarzweißen Dokumentarfotografien zeigen die überaus kreative Küche der Inhaftierten und ihre gemeinsamen Mahlzeiten, zu denen auch die unterschiedlichen Kulturen an einen Tisch kommen. Costa del Plastico heißt die Installation des Kölner Kunstfotografen Claus Dieter Geissler, bestehend aus einem Super 8-Film, der die Plastikwüste der Treibhäuser an der Küste Andalusiens offenbart – und damit die wachsende Entfremdung der Landwirtschaft von der Natur. Die Schweizer Künstlerin Rosa Lachenmeier bringt mit ihrer Serie Container, bestehend aus übermalten Fotografien, den Rhein als Verkehrsweg auch für Nahrungsmittel ins Bewußtsein. Alle Sinne dagegen spricht die Klangplastik von Johannes Sistermanns an, der das ostasiatische Konzept der Fadheit mit dem Geruch von gekochtem Reis erlebbar macht.

Für die Ausstellung wurde ein besonderer Ort gewählt: die Innenräume der Deutzer Brücke, die das Anliegen des Kunstprojektes in idealer Weise versinnbildlichen. Als Verbindung zwischen den beiden getrennten Rheinseiten verkörpert der unwirtliche Raum das ambivalente Verhältnis zwischen Kunst und Politik, zwischen Kultur und Natur, zwischen industrialisierter und ökologischer Landwirtschaft oder auch das zwischen den Kulturen. Genau in diesem Spannungsfeld positionieren sich die in der Ausstellung gezeigten Werke.

Veranstalter der Ausstellung ist das Institut Cultura21 e.V. mit Sitz in Köln, Träger eines internationalen Netzwerkes von 200 Künstlern, Wissenschaftlern, Journalisten und Kreativen. Durch seine interkulturelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit will Cultura21 einen kulturellen Wandel in der Gesellschaft fördern, der sich an Werte wie soziale Gerechtigkeit, Frieden und Umweltschutz orientiert – mit einem Wort an Nachhaltigkeit. Soziale und ökologische Aspekte werden auch bei der Umsetzung von Kulturprojekten wie „Subkulinaria“ berücksichtig. Weitere Informationen: www.subkulinaria.de

Die Künstler:

Davide Dutto, Fotograf, Fossano/Turin, Italien. Il Gambero Nero, s/w-Fotografien, 2005. Wie
ernähren sich Inhaftierte einer italienischen Strafanstalt? In großformatigen Schwarzweißfotografien dokumentiert Dutto das tägliche gemeinsame Kochen im Gefängnis, das die Kulturen an einen Tisch bringt und den Alltag in der Haft veranschaulicht [website]

Claus Dieter Geissler
, Kunstfotograf, Köln. Costa del Plastico, Installation mit Super8-Film, 2008. Wie formt die Eßkultur der Gegenwart unseren Lebensraum? Die Installation treibt jene Eingriffe in die Landschaft auf die Spitze, die in Spanien die Basis des industrialisierten Obst- und Gemüseanbaus bilden.

Nikolaus Geyrhalter
, Regisseur, Wien. Unser täglich Brot, Dokumentarfilm, 2005. Wie sieht die
verborgene Seite der Lebensmittelindustrie aus? Der kommentarlose Film zeigt Bilder von technisierten Anbaustätten und Betrieben, in denen Faszination und Grauen nah beieinander liegen [website]

Wam Kat, niederländischer Aktivist, Mitbegründer des Kochkollektivs Rampenplan und einer der ersten Blogger. Wam Kats 24 Rezepte zur kulinarischen Weltverbesserung: ein Kochbuch, das an 24 Gerichten und ihrer Geschichte zeigt, was Kochen mit Politik zu tun hat. Zur Finissage lädt Wam zum Essen ein – vegetarisch, regional, lecker, vor Ort live zubereitet [website]

Chidi Kwubiri, Maler, Köln. R.S.V.P. Rice and stew very plenty, Installation, 2008. Wovon leben die Künstler? Und kann man davon eigentlich leben? Kwubiris intuitiv entstandene Skulptur ist das Ergebnis einer kreativen Einverleibung und verkörpert ein vielschichtiges Symbol für die Lebens-Mittel einer beinahe alltäglichen Subkultur – nämlich die der Künstler [website]

Rosa Lachenmeier, Malerin/Fotografin, Basel. Container, Mixed-Media, 2008. Wie gelangen Lebensmittel zu uns? Die modulare Gestaltung des globalen Warenverkehrs durch unendlich stapelbare Container ist für Lachenmeier Anlaß ästhetischer Reflexion. Sie offenbart ein homogenes Lagerungssystem, das kaum einen Lebensbereich unberührt läßt [website]

Gregor Lawatsch, Schauspieler und Theaterautor. "Friß mich, bitte bitte , friß mich". Ein Mann mutiert zum Schwein. Die Presse: "Schwärzeste Komik in perfektem Theater" oder "spannendes Stück...hinreißender Akteur". Wie existieren wir im neuen Lebensgefühl zwischen Klimakatastrophe und Genfood? Darüber erzählt Gregor Lawatsch im Schweinefieber – das ist Ökoprop: Satirisch, schmerzhaft, lachgefährlich und sehr empfindlich deutsch. Komik, die mit allen Abwässern gewaschen ist [website]

Alex Mora, Performance-Künstler, Köln. Comeback IV, Installation/Performance, 2008. Was verdanken wir der Kartoffel? Alex Mora erweist nicht nur der Wunderknolle seine Ehre, um an ihre Nahrhaftigkeit, ihre Vielseitigkeit und ihre (inter)kulturelle Bedeutung zu gemahnen. Seine interaktive Installation wächst im Laufe der Ausstellung [website]

Charles de Moura, Köln.
Metamorphosis, Malerei, 2008. Was spielt sich im Körper ab, wenn wir essen? Ein gestörtes Verhältnis zum Essen drückt sich auch in der Entfremdung von den eigenen Verdauungsprozessen  aus. Die mit Hilfe chemischer Prozesse entstandenen Gemälde des Brasilianers lassen ahnen, welch dunkle Kräfte in uns am Werk sind [website]

Martine Saurel, Objektkünstlerin, Berlin. Ohne Titel, Installation, 2008. Woran erkennt man den Hunger? Welche Zeichen repräsentieren den Mangel? Saurel reflektiert in ihrer biographisch
motivierten Installation über den Zusammenhang von Hunger, Armut und Migration in der globalisierten Welt.

Johannes S. Sistermanns, Komponist und Klangkünstler, Bornheim. Reis und Wasser, KlangPlastik, 2008. Läßt Geschmack sich auch hören? Ausgehend von der ostasiatischen Idee des Faden, vermittelt durch den eindringlichen Geruch von gekochtem Reis, webt Sistermanns eine zurückhaltende, alle Sinne ansprechende KlangPlastik [website]

Dennis Thies, Bildhauer und Videokünstler, Köln. Ravioli, Video, 2008. Läßt sich über Geschmack wirklich streiten? Wo liegen die feinen Unterschiede? Ein Gegenbild zur Haute-Cuisine der oberen Zehntausend, beleuchtet das Video Lust und Ekel, Mäßigung und Exzess, die heute größere Ausmaße angenommen haben denn je [website]

Cornel Wachter, Bildhauer und Maler, Köln. Du bist, was Du ißt! Tischskulptur, 2008. Was essen wir und wie? Welches Mahl decken wir auf? Der Tisch als kommunikatives Medium der Eßkultur wird bei Wachter buchstäblich zur sozialen Plastik – alle sind geladen, an einem Tisch zu sitzen und über Ernährung zu sprechen [website]

Insa Winkler, Künstlerin, Hamburg. Das Eichelschwein, Video, 2007. Haben Schweine eine Seele? In ihrem Video, Teil eines mehrteiligen, prozeßhaften Kunstprojektes, zeigt Winkler aus der Massentierhaltung entlassene Schweine als Gestalter in einem eigenen Lebensraum. Ein Schweinerennen weist den Weg von der Tradition zur Utopie, von der Agrarkultur zur Kunst [website]

Redaktion: Frank Becker