In meiner Buchhandlung

Die traditionsreiche Berlin-Zehlendorfer "Buchhandlung Holzapfel" vorgestellt

von Friederike Hagemeyer

In meiner Buchhandlung


Ich weiß nicht mehr genau, wann ich die „Buchhandlung Holzapfel“ auf dem Teltower Damm in Berlin-Zehendorf zum ersten mal betrat. Es wird wohl Anfang der 1970er Jahre gewesen sein, kurz nach meinem Umzug in den Südwesten Berlins (damals West-Berlins). Möglicherweise war es der ungewöhnliche Name „Holzapfel“, der mich dazu bewog hineinzugehen, oder es war ganz einfach die erste Buchhandlung auf meinem Wege von der neuen Wohnung nach Zehlendorf-Mitte. Auch das weiß ich nicht mehr genau.

Erinnern kann ich mich aber an meine Verblüffung, als ich mich nach dem Öffnen der Eingangstür in einem schmalen, fast schlauchartigen nach hinten dunkler werdenden Laden wiederfand. Daß ich damals nicht gleich wieder rückwärts hinausging, lag sicher an einer der freundlichen Damen, die mir meinen Buchwunsch erfüllte. Seitdem kaufe ich alle meine Bücher  - ehrlicherweise muß ich gestehen: fast alle -  bei „Holzapfel“ in Zehlendorf.

Der ca. vier mal zehn Meter lange und hohe Raum fordert tatsächlich das gestalterische Talent des jeweiligen Eigentümers heraus. Heute ist der Tresen mit der Kasse geschickt im Hintergrund des Raumes angebracht, so daß dem Kunden genügend „Wegstrecke“ bleibt, um sich umzuschauen, in den ausgelegten Neuerscheinungen zu blättern, die Buchrücken in den Regalen zu mustern und hie und da einen Griff hinein zu wagen, ehe er sich mit seinem eigentlichen Wunsch an eine der Buchhändlerinnen wendet.

Sorgsam gewähltes Sortiment

Den räumlichen Möglichkeiten entsprechend ist das im Laden vorhandene Angebot schmal  -  aber


Foto © Sabine Hansen
es ist sorgsam und mit viel Bedacht ausgewählt. Im Eingangsbereich liegen die in der Presse besprochenen Neuerscheinungen aus: Romane, (Auto-)Biographien, Historisches. Rechter Hand gibt es eine ganze Wand voller Taschenbücher nach dem Alphabet der Autoren geordnet: Krimis, historische und Frauenromane, Reiseberichte usw. Ein besonderes Augenmerk richtet sich auf die Produktion „kleiner aber feiner Verlage“, wie z.B. die Editionen der Friedenauer Presse. Außerdem wird eine gute Auswahl an Reiseführern, Kinderbüchern und zunehmend auch Hörbüchern bereitgehalten. Ab Herbst baumeln die großformatigen Kalender von der Decke und selbstverständlich gehört aktuelle Berlin-Literatur und Zehlendorfer Lokalgeschichte zum Sortiment. Fachliteratur und spezielle Bücherwünsche werden (bei Bestellungen vor 16.00 Uhr) von einem zum anderen Tag beschafft  - aus Köln oder Stuttgart vom Großhändler; die EDV macht’s möglich. Das Bestellgeschäft macht denn auch einen ganz wesentlichen Teil des Umsatzes aus.

„Unterhaltungsschrott“ wird man hier vergeblich suchen. - Aber beschafft wird alles, wenn der Kunde es wünscht, das betont Frau Hansen, seit 1.12. 2002 Besitzerin der Buchhandlung, immer wieder.

Älteste Buchhandlung Zehlendorfs

Die „Buchhandlung Holzapfel“, gegründet am 18. Mai 1927, gehört zu den fünfzehn ältesten heute noch existierenden Buchhandlungen Berlins und ist die älteste in Zehlendorf (Auskunft des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Landesverband Berlin-Brandenburg. Anfang der 1970er Jahre gab es in unmittelbarer Umgebung zwei weitere Buchhandlungen. Sie mußten aufgeben; heute gibt es stattdessen Filialen zweier großer Buchhandelsketten in geringer Entfernung.

Wie schafft es ein so kleines Unternehmen wie „meine Buchhandlung“ sich seit mehr als 80 Jahren in Zehlendorf-Mitte zu behaupten? Danach gefragt, antwortet Frau Hansen ganz spontan: „Das haben wir unseren Zehlendorfer Stammkunden zu danken; im Vergleich zu anderen Berliner Bezirken sind sie besonders treu.“ In einzelnen Fällen ist es schon die zweite oder dritte Generation, die sich ihre Bücher bei „Holzapfel“ holt. Es beginnt in Begleitung der Eltern bei der Auswahl von Kinderbüchern, danach folgen Schul- und Jugendbücher und später die Ausbildungsliteratur. Und dann wird sicher, wenn das Portemonnaie es erlaubt, einfach weil’s so spannend aussieht, das eine oder andere Taschenbuch gleich mit erworben.

Die besondere Mischung macht’s

Seit Anfang der 1970er Jahre bin ich also selbst dem „Holzapfel“ treu geblieben, die Verblüffung von


Foto © Sabine Hansen
damals hatte sich schnell gelegt, heute darf ich mich zu den Stammkunden zählen. Die Buchhandlung ist mir ganz einfach vertraut geworden, und ich habe die freundliche und kompetente Beratung zu schätzen gelernt. Ab und an, wenn „mal nicht so viel los ist“, kann man auch schon mal ins Erzählen geraten, z.B. von dem Kunden, der „Mutter Fourage“ von Bert Brecht verlangte, weil sein früheres Exemplar in der Waschmaschine mitgewaschen worden war (gemeint war „Mutter Courage“). Ein anderer Kunde fragte nach dem Buch „Das Positiv ist dem Negativ sein Tod“ (gemeint war Bastian Sick: „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“). Fast schon kriminalistische Fähigkeiten der Buchhändlerin waren bei folgendem Kundenwunsch gefordert: „Kung Fu gegen den Trödel“ (gemeint war: Karen Kingston: „Feng shui gegen das Gerümpel des Alltags“. Mit freundlicher professioneller Miene wurde auch dieser Wunsch erfüllt.

Inzwischen ist „Holzapfel“ längst zu meiner Lieblingsbuchhandlung geworden. Es ist die Mischung aus anheimelnder Atmosphäre zwischen hohen Bücherwänden, traditionellen Buchhändlertugenden und dem Einsatz moderner Medien bei der Erledigung von Kundenwünschen – eine tragfähige Mischung, wie ich meine. Dieses ganz besondere Etwas sucht man in den Filialen der großen Buchhandelsketten vergeblich, wo Buchhändlerinnen zu Kassiererinnen auf Supermarktniveau degradiert werden.

Deshalb gehe ich so gern in meine Lieblingsbuchhandlung. Und ich weiß von vornherein, daß ich nach Erledigung meines eigentlichen Buchwunsches auf dem Weg zum Ausgang wieder hängen bleiben werde an irgendeinem spannenden Buch ...........

Literatur:

Holzapfel – Eine Geschichte rund ums Buch! 75 Jahre Holzapfel 1927 – 2002. Berlin 2002. 57 S.