Matthias Grünewald - Zeichnungen und Gemälde

Ein Katalog zur Ausstellung des Berliner Kupferstich-Kabinetts

von Johannes Vesper

© Hatje Cantz

Matthias Grünewald -
Zeichnungen und Gemälde


Über sein Leben ist nicht viel bekannt. Irgendwann zwischen 1475 und 1480 wurde er, vermutlich in Würzburg, geboren. Sein erstes bekanntes Bild stammt von 1503. Es handelt sich dabei um den schlecht erhaltenen Altar in Lindenhardt (Landkreis Bayreuth), der in Nürnberg geschreinert worden ist, dort wohl auch bemalt wurde woraus man schließt, daß Matthias Grünewald inzwischen in Nürnberg lebte. Etwas später entstand die „Verspottung Christi“, eine kleine Gedenktafel für eine Dame aus dem Umfeld des Mainzer Erzbischofs. Zu dieser Zeit lebte Matthias Grünewald wohl schon in Aschaffenburg. Um 1510 jedenfalls wird er vom Bauleiter des Mainzer Erzbischofs mit dem Bau bzw. mit der Reparatur eines Brunnens beauftragt und etwas später ist er als „Werckmeister“ für das Aschaffenburger Schloß tätig. Anscheinend hat er seinen Lebensunterhalt als  Wasserbauingenieur verdient.

Mathis der Maler

„Meister Mathis, der Maler von Aschaffenburg“ erhält nach 1511 den Auftrag für sein bedeutendstes Werk, den Hochaltar der Antoniterkirche in Isenheim am Oberrhein. Ab 1516 muß sich Grünewald wieder in Aschaffenburg aufgehalten haben, denn aus diesem Jahr gibt es eine Gehaltsforderung Grünewalds an den Mainzer Erzbischof. 1517-19 entstand der berühmte Maria-Schnee-Altar für eine neue Kappelle der Aschaffenburger Stiftskirche. In dem erhaltenen Rahmen findet sich Grünewalds Monogramm und die Jahreszahl 1519. Das zentrale Bild dieses Altars wird nach dem heutigen Aufstellungsort, einem Vorort von Bad Mergentheim benannt. Es handelt sich um die „Stuppacher Madonna“.  Das Vorbild stammt vom Oberrhein. Der Einfluß der Maria im Rosenhag von Martin Schongauer ist offensichtlich. Nach 1520 arbeitete Mathis für den jungen Mainzer Kurfürsten, den Kardinal Albrecht von Brandenburg, der mit der Ausstattung der Stiftskirche in Halle/Saale die Wittenberger Schloßkirche seines Vetters Friedrich des Weisen übertreffen wollte. Dieser hatte mit Lucas Cranach d Ä. den wohl erfolgreichsten Maler dieser Zeit in Deutschland beauftragt. Auch Albrecht von Brandenburg beschäftigte die berühmte Cranach-Werkstatt - bei seinem Auftrag handelte es sich um den größten Auftrag der älteren deutschen Kunstgeschichte - und gewann zusätzlich Matthias Grünewald für das Projekt. Seine für Halle gemalte Erasmus-Mauritius-Tafel ist heute ein Hauptwerk der Münchener Alten Pinakothek. Der Heilige Erasmus, einer der 14 Nothelfer, wird mit der für ihn so schicksalhaften Darmwickelwinde gezeigt. Der Arme war im 3. Jahrhundert n.Chr. durch Ausdärmen in furchtbarer Weise gefoltert worden. Als letztes Werk unseres Malers gilt der Tauberbischofsheimer Altar, der in der Karlsruher Kunsthalle zu sehen ist. Matthias Grünewald stirbt 1528 in Halle. Über Person und Werk des Künstlers wurde knapp 150 Jahre später 1675-1679 von Johann Sandrart aus Frankfurt  ausführlich berichtet. Seine „Teutsche Akademie... ist das erste Werk zur Kunstgeschichte in deutscher Sprache. Das Werk ist die bedeutendste historische Quelle, Matthias Grünewald betreffend.

Ein Schiffbruch als Katastrophe der Kunstgeschichte

Von Mathis, dem Maler, sind ca. 15 Bildtafeln und 36 Zeichnungen erhalten. Etliche seiner Werke sind als Kriegsbeute der Schweden 1631/32 bei einem Schiffbruch auf der Ostsee untergegangen - eine der großen Katastrophen der Kunstgeschichte. Wohl die Hälfte seines Gesamtwerks, mehr als 15 Bilder, gingen bei diesem Schiffbruch verloren.

Mit dem 1514/15 entstandenen Gebetbuch Kaiser Maximilians I. wurde die Handzeichnung als Kunstgattung in Deutschland hoffähig. Die berühmtesten Maler der Zeit von Albrecht Dürer über Hans Baldung Grien und Albrecht Altdorfer bis Lucas Cranach waren vom Kaiser beauftragt worden. Was für eine Zeit! Hier fehlt jedoch Mathis Gothart-Nithart, so Grünewalds eigentlicher Name. Matthias Grünewald war auch nicht, wie alle anderen Malerkollegen seiner Zeit, an der Verbreitung seiner Zeichnungen durch Druckgraphik interessiert. Die Zeichnungen unseres Malers sind im Gegensatz zum graphischen Werke Dürers keine selbständigen Kunstwerke. Meist mit Kohle gezeichnet, haben sie einen zweckhaften Charakter. Es handelt sich um Studien und Entwürfe für die großen Altarbilder auf unterschiedlichem Papier. Hinweise dafür sind  Farbflecken auf den Zeichnungen, die annehmen lassen, daß der Maler während des Malens die Zeichnung in Händen gehalten hat um den dort fixierten Entwurf auf das Bild zu übertragen. Malerische Korrekturen der Gemälde waren ja schwer möglich, erfolgten aber gelegentlich doch, was in faszinierender Weise mit modernen Restaurierungs- und Analysetechniken (z.B. Infrarotreflektographie) nachgewiesen werden kann. Beim Isenheimer Altar wurden bei der Komposition des Bildes  Paulus und Antonius zunächst ausgespart. Himmel und Hintergrund entstanden zuerst mit Lücken für die beiden Personen, die dann nach gezeichneten Entwürfen eingefügt wurden. Die endgültige Spannung und Dramatik des Disputes ging über den zeichnerischen Entwurf im Vorfeld noch weit hinaus. Für Matthias Grünewald (1475/80 ? - 1528) war die Zeichnung, italienisch disegno, heute Design, tatsächlich der Entwurf seiner Gemälde im Kopf.

Ausstellungen in Berlin und Karlsruhe

Alle seine Zeichnungen sind bis zum 1. Juni im Kulturforum am Potsdamer Platz in Berlin ausgestellt. Veranstalter ist das Berliner Kupferstichkabinett. Zur Ausstellung erschien bei Hatje Cantz ein schöner Katalog, sozusagen ein Werkverzeichnis seiner Zeichnungen, vorzüglich gedruckt, mit Beiträgen zu Leben, Werk, Nachruhm und Zeichentechnik, sodaß zusammen mit der Karlsruher Ausstellung („Grünewald und seine Zeit“) die Kunstepoche in Deutschland zwischen 1470 und 1530 aktuell exzellent dokumentiert ist.

Matthias Grünewald. Zeichnungen und Gemälde - Hrsg.: Berliner Kupferstichkabinett
Autoren: Iris Brahms, Antje-Fee Köllermann, Michael Roth, Thomas Schauerte u.a. - Hatje Cantz Verlag, 2008
212 Seiten, 203 Abb., davon 123 farbig - 23,50 x 28,00 cm, geb. mit Schutzumschlag
Buchhandelsausgabe: ISBN 978-3-7757-2138-7 - Museumsausgabe: ISBN 978-3-88609-618-3
Preis Museumsausgabe und Buchhandelsausgabe: 35,- €

Redaktion: Frank Becker