Ein unvorstellbarer Akt von Mut

„The 15:17 to Paris“ von Clint Eastwood

von Renate Wagner

The 15:17 to Paris
(USA 2018)

Regie: Clint Eastwood
Mit: Spencer Stone, Alek Skarlatos, Anthony Sadler, die sich selbst spielen
 
Clint Eastwood hat die Wege, Straßen, Autobahnen für seine Spätkarriere als Regisseur längst festgelegt. Es geht darum, amerikanisches Heldentum der verschiedensten Art auf die Leinwand zu bringen (selbst wenn das nach und nach ein wenig penetrant ausfällt und niemand sich wundert, ihn unter den Unterstützern für Donald Trump zu finden). „The 15:17 to Paris“ erzählt von drei „American Boys“, die zufällig in dem Hochgeschwindigkeits-Thalys-Zug waren, der 21. August 2015 vom Hauptbahnhof Amsterdam in Richtung Paris losfuhr – und wo ein Attentäter, der 25jährige Marokkaner Ayoub El Kahzani, das Feuer auf die Passagiere eröffnete.
Clint Eastwood macht daraus nun keinen Spannungsthriller, sondern will Authentizität – und er geht in seiner Bewunderung für die Helden noch viel weiter: Die drei – die Soldaten Spencer Stone und Alek Skarlatos und der Student Anthony Sadler – dürfen sich nämlich selber spielen (auch wenn ihre „Rollen“, Kino ist nicht Leben, bei Schauspielern in besseren Händen wären).
 
Auf ihrem Europa-Trip, den so viele junge Amerikaner unternehmen, sind die drei also im Zug nach Paris, wo dann kurz nach der belgisch-französischen Grenze die Attacke beginnt und 500 Insassen des Zuges in Gefahr schweben, von einem Maschinengewehr niedergemäht zu werden. Sich auf diesen Mann zu stürzen, war ein unvorstellbarer Akt von Mut (zumal, wenn man genau weiß, welchen Schaden eine solche AK 47, eine automatische Kalaschnikow, anrichten kann). Er hätte Spencer Stone das Leben kosten können – aber mit Hilfe der Freunde, in einer gewachsenen Verbundenheit dreier junger Männer, war es möglich, den Attentäter zu überwältigen.
 
Das alles dauert nicht lang – womit füllt man den Rest des Films? Nun, mit dazwischen geschnittenen Rückblenden, wo man die Geschichte von drei Buben erzählt, zwei von allein erziehenden (und nicht unproblematischen) Müttern groß gezogen, als Kinder haben sie gern im Wald Krieg gespielt, zwei sind dann zur Armee gegangen. Sie sind so tapfere Männer geworden und so stark in ihrer Freundschaft… und dann auch im Glauben an eine höhere Fügung. Das läuft amerikanisch klischiert ab. Fürs Kino muß man auch Alltagsschicksale interessant machen.
Dann ist man auf der Europa-Reise, zwei sind in Italien, einer in Deutschland (mit Führung zum Thema Nazis), sie treffen sich in Amsterdam, um gemeinsam nach Paris zu fahren. Schließlich ist man im Zug, wo immer wieder die Passagiere im Fokus stehen, ein arabisches Bartgesicht am Klo mit Entschlossenheit in den Spiegel schaut und gewissermaßen die Spannung aufgebaut werden soll. Was nur ziemlich bedingt gelingt.
Erstaunlich – das ist eine wirklich und wahrhaftig wahre Geschichte, und so, wie Eastwood sie präsentiert, wirkt sie einfach wie Klischee. Selbst wenn am Ende Präsident Hollande die drei mit dem Orden der Ehrenlegion ehrt (ja, eine Szene aus dem Archiv, der Präsident spricht von einem „formidable acte d’humanité“) – was nützt es dem Kino, dem Film?
 
 
Renate Wagner