Geld ist kein Glücksgarant

„Im Zweifel glücklich“ von Mike White

von Renate Wagner

Im Zweifel glücklich
(Brad’s Status - USA 2017)

Regie: Mike White
Mit: Ben Stiller, Michael Sheen, Austin Abrams, Luke Wilson, Jemaine Clement, Shazi Raja, Jenna Fischer u.a.
 
Ohne Vergleich geht es nicht – nirgends. Menschen lernen am Beispiel der anderen, wachsen im Vergleich mit anderen heran. Irgendwann muß man wissen, wie man sich selbst und die anderen einschätzt. Und wenn man dann vergleichsweise in Minderwertigkeitskomplexen versinkt – dann kann man sich sein Leben ruinieren. Ben Stiller spielt Brad Sloan, den Mann, der beinahe an dem Neid auf seine ehemaligen College-Kollegen erstickt.
 
Der Film von Regisseur Mike White, der sich – wie der Originaltitel lautet – um „Brad’s Status“ dreht, funktioniert wie ein Lehrstück auf dem Theater. Ein Fall wird vorgeführt, von allen Seiten betrachtet, und bietet dann dem Zuschauer die Möglichkeit, seine Schlüsse zu ziehen (zu denen man ihn natürlich langsam hinführt). Wenn sich Brad Sloan (Ben Stiller als der brave Durchschnittsmann mit der Unzufriedenheitsmiene dessen, an dem alles Mögliche nagt) anfangs im Bett wälzt und vor Wut und Unzufriedenheit aufgefressen wird, so weiß er am Ende des Films hoffentlich, worauf es ankommt.
Das Problem sind, wie Brad aus dem Off erzählt, die College-Kollegen. Einen sieht er immer im Fernsehen, was ihm geradezu einen Schlag versetzt – Craig Fisher, der Erfolgreiche mit Verbindungen überall hin, ob in das Weiße Haus oder zu den Universitäten. Und da ist Billy Wearslter, der seine Firma schon um ein Vermögen verkauft hat und ein lockeres Luxusleben auf einer Insel führt. Oder Jason Hatfield, der Mann mit dem Privatjet… Brad kann gar nicht aufhören, sich deren Leben rauschhaft vorzustellen. Und „I failed“…
 
Brad arbeitet für eine Nonprofit-Firma, die Spenden sammelt und Gutes tut. Er kommt dabei einigermaßen über die Runden, aber sein einziger Angestellter, ein vollmundiger junger Mann, hat ihm gekündigt – er möchte lieber Geld für sich selbst verdienen. Wahrscheinlich sei auch seine Frau (Jenna Fischer) daran schuld, sinniert Brad giftig – sie ist zu bescheiden, arbeitet für die Regierung, denkt nicht daran, ihre Eltern zu beerben (und wie viel das wohl einbringen wird), ist bald mit einem normalen, anständigen Leben zufrieden, statt ihn weiter zu treiben.
Wenn Brad nun seinen Sohn nach Boston begleitet, damit dieser sich in Harvard bewirbt, wird Brad – teils telefonisch, teils live – mit den ehemaligen Kollegen, die ihn als Erfolglosen aussortiert haben, konfrontiert. Und er lernt, was ohnedies auf der Hand liegt: Geld ist kein Glücksgarant.
Der Freund auf der Insel, der mit zwei jungen Frauen gleichzeitig lebt, ist ein Säufer (am Telefon: Jemaine Clement). Der Millionär mit dem Privatflugzeug hat eine schwerkranke Tochter und steht mit einem Fuß im Kriminal (am Telefon: Luke Wilson). Und der ach so erfolgreiche Craig (eine Meisterstudie beim Abendessen: Michael Sheen) erweist sich in der Life-Begegnung als unerträglicher Schwätzer und überheblicher Angeber.
Am eindrucksvollsten aber ist das Gespräch mit einer jungen Studentin aus Indien (Shazi Raja), der Brad in einer Bar wehleidig sein Leid klagt. Sie sagt ihm, daß sie aus einem Land stammt, wo Menschen auf der Straße verhungern, und er nicht erwarten soll, daß sie den immer noch verhältnismäßig wohlhabenden weißen Mann, der so viel Glück im Leben hatte, bedauern soll, weil er eventuell bei einer Party nicht ausreichend beachtet wird… Das geht unter die Haut.
 
Man mag hoffen, daß Brad einiges kapiert hat, auch daß ein Menschenleben nicht an seinem Glamour zu messen ist. Immerhin kann man auf seinen Sohn Troy hoffen: Austin Abrams liefert die darstellerisch schönste, differenzierteste Leistung des Films, ein Halbwüchsiger, der fühlt, daß mit seinem Vater und mit den anderen Erwachsenen etwas nicht in Ordnung ist – und der den Eindruck erweckt, daß er es vielleicht besser machen wird. Mehr ist ja nicht zu erhoffen im Leben.
 
Trailer    
 
Renate Wagner