Et kütt, wie et kütt

Matthias Drobinski – „Lob des Fatalismus“

von Robert Sernatini

Et kütt, wie et kütt
 
Fatalismus vs. Hysterie
 
 „Weiß man je wohin man geht?“
(Denis Diderot: Jacques der Fatalist)
 
Das Lob des gesunden Fatalismus singt der Autor, mit der Betonung gleich im Vorwort, daß sein Buch kein Ratgeber sei – und geht humorvoll mit all den fürchterlich dogmatischen Lebensrezept-Lektüren ins Gericht. Die Kapitelüberschriften tun ein übriges: Warum der Fatalismus einen schlechten Ruf hat (…) – Et kütt, wie et kütt (…) - Fatalismus befreit von der Pest der Glückssuche (…) (mein Lieblingskapitel neben dem folgenden) – Der Fatalismus nimmt dem Lebensende den Schrecken (…) – Der Fatalismus erhebt Einspruch, wenn Sicherheit zum höchsten Gut ernannt wird – Der Gott der Verunsicherung und der Glaube (…).
 
Nicht unbedingt hat der Fatalismus seit jeher einen schlechten Ruf. Werfen wir einen Blick auf Denis Diderots „Jacques der Fatalist und sein Herr“ und die durch Konrad Beikircher populär gemachten rheinischen Spielart. Aber es ist schon so: Philosophen, Theologen und Politiker haben ihn im Namen der Willensfreiheit bekämpft. Matthias Drobinski hilft, ihn neu zu entdecken – als Tugend, als Haltung und als Möglichkeit, das Leben zu meistern.
Der moderne Mensch, so Drobinski, hat sich ganz der Souveränität verschrieben, will dem Leben seinen Willen aufzwingen, um doch regelmäßig zu scheitern. Dieser Drang, den gesellschaftlichen Forderungen nach Perfektion und Komplettierung nachzukommen, beraubt uns der Möglichkeit, auch mal gelassen mit den Schultern zu zucken und zu sagen: „Na und – ändern kann ich es nicht. Wieso soll ich mich darüber aufregen?“
Fatalismus bedeutet Gelassenheit. So viele Dinge kann man nicht ändern im Lauf der Welt – und man muß es auch nicht können. Ich denke an meine Mutter, die im Fall eines zerbrochenen Tellers uns erschrockenen Kindern sagte: „Ist doch nur ein Teller. Du kannst es nicht rückgängig machen. Lächle.“
 
Matthias Drobinski gibt mit seinen Betrachtungen einige bemerkenswerte Anstöße, so die wichtige Erkenntnis, den Fatalismus als stille Waffe gegen Hysterie einzusetzen – er belegt es eindrucksvoll am wechselvollen Schicksal des Spions Rudolf Abel. Da aber, wo er den Wunsch nach Sicherheit innerhalb des Gemeinwesens einer vermeintlichen Freiheit unterordnet, wird man deutlich skeptisch. Das verdiente eine tiefer gehende Diskussion. Denn die Frage, ob Freiheit in unserem gesellschaftlichen System nicht vielleicht auch und  besonders durch Sicherheit möglich sein könnte, wird ausgeklammert. Der Staat, so bemerkt Matthias Drobinski völlig richtig, darf keinesfalls fatalistisch sein. Das bleibt dem Individuum vorbehalten.
Und da wo er schließlich Fatalismus bei der Duldung fremder Einflüsse einfordert und schließlich den unerforschlichen Ratschluß des HErrn im Kontext eines gescheiten Fatalismus allzu sehr auf den Schild hebt (hier kann sich der Theologe einfach nicht im Zaume halten), streikt der Skeptiker schließlich - und der Agnostiker zumal.
Aber dann relativiert der Autor mit einem geschickten Dreh im Nachwort einiges - und man ist ihm wieder gut.
 
Matthias Drobinski – „Lob des Fatalismus“
© 2018 Claudius Verlag, 132 Seiten, gebunden - ISBN 978-3-532-62811-9
14,- €