Stellt Euch vor, es gäbe wieder Blumenkinder

Christoph Marx / Markus Hattstein – „Imagine“

von Frank Becker

Stellt Euch vor,
es gäbe wieder Blumenkinder
 
Ein neues Buch über die 60er erzählt davon und von
über 90 anderen Begebenheiten dieses Jahrzehnts.
 
Viele unserer Leser gehören zu der Generation, welche die aufregenden 1960er Jahre erlebt hat und aus erster Hand darüber berichten kann. Das zur Legende gewordene Jahr 1968 (einige sehen im Jahr 1967 das bemerkenswerteste dieses Dezenniums) jährt sich nun zum 50. Mal, was das Autorenteam Christoph Marx (*1957) / Markus Hattstein (*1961) dazu bewegt hat, eine kleine Bilanz der 60er Jahre in Bildern und Fakten zu ziehen: „Imagine – die 68er und die Weltrevolution“. Von 1960 bis 1969 haben die beiden, die die 60er quasi mit der Muttermilch bzw. dem ersten intensiven Erinnern in sich aufgenommen haben, eine bemerkenswerte Auswahl für ihren Querschnitt getroffen. 92 markante Ereignisse bzw. Entwicklungen aus Politik, Kultur, Mode, Gesellschaft etc., die sich an einer Jahreszahl festmachen lassen, haben exemplarisch ausgesucht. Jeweils ein formatfüllendes Bild steht einem Text von maximal 450 Worten gegenüber, der kompakt und treffend die entsprechende Situation so umreißt, daß man sie als Zeitzeuge wiedererkennt, als Nachgeborene hingegen einen Eindruck davon bekommt, wie es „damals“ war.
 
Die 60er-Jahre waren tatsächlich, anders als die 50er und die folgenden 70er von einem grundlegenden sozialen, politischen und kulturellen Wandel rund um den Globus bestimmt.
1960: 18 afrikanische Staaten werden in die Unabhängigkeit entlassen und die Anti-Baby-Pille kommt auf den Markt. 1961: Der erste Mensch fliegt in den Weltraum und Walter Ulbricht läßt die Berliner Mauer bauen. 1962: Der Minirock revolutioniert die Damenmode und die Kuba-Krise bringt die Welt an den Rand des 3. Weltkriegs. 1963: Die Bürgerrechtsbewegung in den USA unternimmt ihren friedlichen Marsch auf Washington und der Film „Das Schweigen“ sorgt für Empörung. 1964: Die bewußtseinverändernde Droge LSD wird populär und die USA zetteln den Vietnam-Krieg an. 1965: Die Hare-Krishna-Bewegung (ISKCON) löst eine religiöse Revolution aus und die Rolling Stones markieren die Unzufriedenheit vieler Jugendlicher mit „(I can´t get no) Satisfaction“. 1966: Frauen verbrennen ihre BHs und die Black Panthers jagen dem weißen Establishment der USA Angst ein. 1967: Die Mao-Bibel wird weltweit zum Handbuch für junge Kommunisten und  Dr. Christian Barnard verpflanzt zum ersten Mal ein Herz. 1968: Der „Prager Frühling“ wird von russischen Panzern niedergerollt und die Beatles veröffentlichen Ihr Album „Sgt. Pepper´s Lonely Heart´s Club Band“. 1969: Das Woodstock-Festival wird zum Mythos der Hippie-Zeit und der erste Mensch betritt den Mond.
 
Ich habe pro Jahr nur je zwei Ereignisse herausgepickt, an denen man aber schon ablesen kann, welch umwälzende Dinge in diesem Jahrzehnt geschehen sind. Marx/Hattsteins kompaktes Handbuch ist ein hervorragender Cicerone durch die Geschichte dieses Zeitraums.
Es war das Jahrzehnt der aufbegehrenden Jugend, die einmal die Älteren etwas lehrte, nämlich, daß Krieg und Unterdrückung persönlicher Freiheiten ein entsetzlicher Irrtum sind. Das gilt noch heute, aber politische Reaktion und Machtgier waren stärker. Heute würde uns ein neuer „Summer of Love“ wie 1967 einmal wieder sehr gut tun. Was wir nicht brauchen, ist die derzeitige Entwicklung einer immer aggressiveren Konfrontation im neuen Kalten Krieg zwischen den Großmächten USA und Rußland, die Bedrohung des Weltfriedens durch fanatische Politiker und Religionsführer und die Zerstörung der Erde durch skrupellose Wirtschaftsinteressen. Mir ist ein kiffender Hippie oder ein Blumenkind allemal lieber als ein gelackter Lobbyist.

Christoph Marx / Markus Hattstein – „Imagine“
Die 68er und die Weltrevolution
© 2018 WBG / Theiss Verlag, 256 Seiten mit 120 farbigen Abbildungen, 22 x 19,2 cm, gebunden (Pappe) – ISBN: 978-3-8062-3708-5
24,95 € (für WBG-Mirglieder 19,95 €)
 
Weitere Informationen: www.wbg-wissenverbindet.de/