Endlich Ruhe in der Oper

Ein Kommentar zur Pressefreiheit

von Michael S. Zerban

Michael S. Zerban - Foto © Lennart Rauße
Zum Thema Pressefreiheit –
Ein Kommentar von Michael S. Zerban
 
Endlich Ruhe in der Oper
 
Unliebsame Berichterstattung ist in der Oper Köln jetzt kein Problem mehr. Man sperrt einfach ganze Medien aus den Aufführungen aus, und schon ist das Problem erledigt. Die Oper, die in letzter Zeit eher durch fehlerhaftes Handwerk denn durch überragende Produktionen auffiel, geht damit einen Weg, der zwar nicht durch das Grundgesetz gedeckt ist, aber für Ruhe zu sorgen scheint. Der Kommentar klärt, warum es nicht ganz so einfach ist und uns alle angeht.
 
Das Leben könnte so schön sein. Da hat man sich aus dem Zentrum an das andere Rheinufer zurückgezogen, lässt sich jährlich von den Kölner Bürgern einen zweistelligen Millionenbetrag überweisen und muss sich weiter keine Gedanken um die Gehälter machen. Für einen künstlerischen Betrieb eine durchaus komfortable Situation, in der die Intendantin dann auch schon mal der Verwandtschaft einen Job zuschanzen kann. Wenn da nicht die Journalisten wären. Nicht alle. Gibt ja durchaus nette Menschen unter ihnen, die sogar dafür sorgen, dass immer noch Menschen in die Aufführungen kommen. Und wenn doch mal einer aus der Reihe tanzt, hilft es ja, wenn jemand aus dem Verein der Freunde und Förderer ihn wüst beschimpft. Aber es gibt eben auch die anderen. Die schon mal die Haltung des Hauses hinterfragen oder Rezensionen schreiben, in denen nicht der Tunnelblick auf der Bühne verharrt. Das ist echt ärgerlich für einen Betrieb, der sich lieber nach außen abschottet. Da ist Kreativität gefragt.
Als ein Redakteur von O-Ton routinemäßig bei der Kölner Oper eine Pressekarte für eine Wiederaufnahme anfordert, bekommt er eine überraschende Antwort vom Marketingleiter. „An einer Berichterstattung auf der Onlineplattform O-Ton sind wir nicht interessiert. Deswegen können wir Ihnen leider keine kostenfreie Pressekarte reservieren.“ Oha, das ist aber ein origineller Einfall: Die Oper Köln sucht sich aus, wer über sie berichtet. Drei Tage später wiederholt der Mitarbeiter der Kölner Oper sich auf Anfrage, diesmal allerdings ohne Signatur seiner E-Mail und nach seinen Worten auf Bitten der Intendantin. Wenn es denn so einfach wäre. Der Haken an der Geschichte: Pressekarten sind keine Gnadengaben wie etwa Frei- oder so genannte Ehrenkarten. Pressekarten sind unabdingbare Voraussetzung dafür, dass ein Journalist oder Kritiker ungehindert und unabhängig von seiner finanziellen Ausstattung seinen Arbeitsplatz erreichen kann.
Eine überwiegend mit Steuergeldern geförderte Institution verweigert also eine unabhängige Berichterstattung. Ein städtischer Kulturbetrieb, der die Pressefreiheit ignoriert? Das erscheint als ungeheuerliche Grenzüberschreitung.
Wenn es übrigens tatsächlich Überschreitungen seitens eines Journalisten oder Kritikers gegeben hätte, hätten auch eine beleidigte Intendantin oder ein eingeschnappter Marketingleiter Möglichkeiten, sich auf rechtmäßigem Weg zu wehren, ohne Grundwerte mit Füßen zu treten. Solcherlei Verfehlungen gab es offenbar bei O-Ton nicht, wenn der Oper Köln nichts anderes mehr einfällt, als die Tür zuzusperren, um sich weiterer kritischer Betrachtung zu entziehen.
Dass die Oberbürgermeisterin als oberste Dienstherrin gegen solche Zensurversuche nicht einschreitet, obwohl sie davon Kenntnis hat, mag vielleicht daran liegen, dass sie in ihrer Stadt die Zügel nicht im Griff hat. Aber letztlich scheint es in Köln mittlerweile egal, wem da die Gäule durchgehen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Nicht O-Ton ist beleidigt, weil die professionelle Arbeit behindert wird, sondern entsetzt, welches Verständnis die Kölner Oper von der Pressefreiheit zeigt. Im Gesamtprogramm von O-Ton kam die Kölner Oper doch eher unter ferner liefen vor – und das wird sich auch in Zukunft kaum ändern. Beleidigt zeigt sich die Oper Köln. Mit einer Geisteshaltung, die mit dem Gesamtkonstrukt Oper respektive Theater einer freiheitlich-demokratischen Grundhaltung nicht mehr vereinbar ist.
Wenn demnächst die Werbeleiter von steuerfinanzierten Theatern entscheiden, wer über sie berichtet und wer nicht, wird es gruselig in Deutschland.
Und ehe jetzt der Freundeskreis einer solch obskuren Einrichtung wieder wütend aufbrüllt, versichern wir, dass wir einer Oper, die mit Vettern, nein, Schwestern herumwirtschaftet und mit mediokren Produktionen Millionen scheffelt, trotz aller Versuche, das zu verhindern, weiterhin kritisch gegenübertreten werden. Und wenn wir überhaupt vor irgendetwas Angst haben, dann ist es die Antwort auf die Frage: Wer wird der Nächste sein, der nicht mehr berichten „darf“?
 
Michael S. Zerban
 
Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung der Musenblätter wieder.
Der Kommentar wurde mit freundlicher Erlaubnis aus dem Online-Kulturmagazin O-Ton übernommen.