Mülheim: "Die Schauspieler" in Einar Schleefs Stück beeindrucken

Premiere im Ringlokschuppen ein Erfolg

von Andreas Rehnolt
Schauspieler schlüpfen in die Rolle
verarmter Penner


Premiere im Ringlockschuppen Mülheim/Ruhr
Spätere Aufführungen auch in Moers, Münster und Dortmund

Eine Inszenierung von Alexander Kerlin, Fabian Lettow und Mirjam Schmuck im Rahmen der Kooperation von Uni Bochum und Ringlokschuppen
Eine Co-Produktion mit dem Schloßteater Moers


Mülheim/Ruhr - Kann man einen richtigen Penner mit einem richtigen Schauspieler verwechseln? Diese Frage aus Einar Schleefs Stück "Die Schauspieler" schwebte am Wochenende bei der Premiere im Ringlockschuppen Mülheim an der Ruhr über dem Theaterstück, das am 11. und 12. April abermals dort, danach zunächst am 18. und 19. April sowie am 3. und 4. Mai im Moerser Schlosstheater zu sehen sein wird. Das Stück geht von der These aus, daß arme Menschen aus finanziellen und sonstigen Gründen kaum in der Lage sind, sich selbst und die eigene prekäre Lebenslage in der Öffentlichkeit angemessen darzustellen. Über gut zwei Stunden hinweg schaffen es hier die samt und sonders guten Darsteller, mit extrem wenig Bühnenaufwand soziales Elend auf der Bühne zu präsentieren.

Im Verlauf des Stücks entgleitet den Schauspielern ihr Auftrag, bis am Ende die Frage nach der Darstellung von Armut selbst prekär wird und das Theater als Parasit der Ausgeschlossenen erscheint. Schleefs Stück erweist sich als düstere Satire über das gegenwärtige Theater, das danach fragt, wie eine theatrale Begegnung mit der Wirklichkeit außerhalb des Theaters heute aussieht und was sie bewirkt. Die langen, teilweise optisch und akustisch schmerzenden Szenen auf der kargen Bühne, die nicht viel mehr braucht, als ein paar Stühle, einige Steine, ein Klavier und diverse Schnapsflaschen, sind beeindruckend. Eine der stärksten Szenen erwartet den Besucher am Beginn, wenn in Schleef-Manier minutenlang geschwiegen wird. Der 18-köpfige Chor wirkt mit seinen dithyrambisch vorgetragenen Texten dagegen manchmal etwas zu aufgesetzt und zu sehr mit dem erhobenen Zeigefinger skandierend.

Da prügeln sich theatrale "echte" Penner um Abfälle, da wälzen sich einige Randfiguren im schlafsackähnlichen Müll, da murmeln und erzählen die Ausgestoßenen einander ihre Leben, ohne wirklich an den Geständnissen der anderen interessiert zu sein. Was im Kopf bleibt, sind winzige Teile von erschütternden Lebensbeichten. Penner und sie Erkundende heben sich gegenseitig hoch, lassen sich fliegen. Der "Chor der Pestkranken" beschreibt das Elend des Mittelalters, das Elend der Armut als Pest des 21. Jahrhunderts. Die Ausgestoßenen fordern ihre Rechte auf Wohnung, Nahrung, Essen und sozial-medizinische Versorgung ein und betonen, auch ein Trinker sei "ein Mensch". Gleichzeitig beklagen sie die Erniedrigung der Überprüfung ihrer Bedürftigkeit und wirken dadurch sehr zeitnah und real.

Am Ende heißt es, "vor Gott sind alle Menschen gleich und das Theater gehört uns allen." Ein gutes Ende, das stakkatohaft wiederholt auch der Frage eines der Penner standhält, "was ist denn an uns Interessantes, daß man uns auf die Bühne bringt?" Die spielenden und singenden Protagonisten haben dafür eine Antwort parat, die sie torkelnd, taumelnd, rutschend, saufend, hustend, röchelnd und stammelnd kund tun.

Nach der viel beklatschten Premiere in Mülheim/Ruhr wird die Inszenierung von Alexander Kerlin, Fabian Lettow und Mirjam Schmuck auch in Moers, später dann in Dortmund und im Theater Pumpenhaus in Münster zu sehen sein. Eine tolle, zuleich höchst anstrengende Inszenierung, die sich an den Aufzeichnungen von Konstantin Stanislawski orientiert, der 1902 am Künstlertheater Moskau die Uraufführung von Gorkis "Nachtasyl" auf die Beine stellte. Auch Schleef läßt die Schauspiel- Truppe ein Asyl besuchen, wo sie eine Horde von gesellschaftlich "Ausgemusterten" besucht, deren Leben sie später auf der Theaterbühne darstellen soll.

Nächste Termine: 11./12. April - Ringlockschuppen Müheim/Ruhr (20.00)
Nächste Termine: 18./19. April und 3./4. Mai Schlosstheater Mowers (19.30 Uhr)

Ringlokschuppen | Am Schloß Broich 38 | 45479 Mülheim

Weitere Informationen unter: www.ringlokschuppen.de

Redaktion: Frank Becker